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In weiter Ferne, so nah. Der 16-jährige Jonas (Michelangelo Fortuzzi) ist in seine beste Freundin Isy (Milena Tscharntke) verliebt, aber die steht auf ältere Jungs.
© rbb/Jana Lämmerer

TV-Drama: Vergewaltigung unter Schulfreunden: So wie vorher wird es nie wieder sein

Schüler feiern und tanzen auf einer Party. Dann bekommt der Abend eine dunkle Wendung. Das Drama „Alles Isy“ erzählt von einer Vergewaltigung unter Teenagern.

Vater-Sohn-Konflikt, Ehe kurz vor dem Knall, Adoleszenzprobleme, Sex und Gewaltausbruch, Freundschaft und Loyalität – es ist nicht gerade so, dass sich das ARD-Drama „Alles Isy“ thematisch wenig vorgenommen hat. Reichlich Konflikte. Das verleiht dem Mittwochabend-Film im Ersten eine fast bleierne, bestürzende Schwere. Dabei geht es so heiter und beschwingt los: Schüler auf einer Party in einem Haus, die Eltern sind weg. Es wird getanzt, geflirtet, getrunken. Die Grenzen zwischen Anmache und sexuellem Übergriff werden ausgelotet. Irgendwann - es kommen auch noch Drogen ins Spiel - ist da nichts mehr auszuloten.

Hard stuff! Der Film erzählt von einer Gruppenvergewaltigung unter Teenagern und ihren Folgen. Und nicht nur davon, wie die Protagonistin, das missbrauchte Mädchen Isy, das Geschehene verarbeitet. Die Vergewaltigung setzt einen gewaltigen Prozess unter Freunden und Familie in Gang, an dessen Ende kein Stein auf mehr auf dem anderen steht. Selten ist eine Fernsehfamilie so auseinander geflogen.

Da ist der 16-jährige Jonas. Ausgerechnet Jonas. Isys bester Freund ist seit langem in das Mädchen verliebt. Er ist einer der drei Jungs, die die bewusstlose Isy im Vollrausch vergewaltigt haben, bedrängt und angestachelt vom Großmaul Lenny. Da ist Isy selber, die sich an die Tat nicht mehr erinnern kann. Sie ahnt nur, dass etwas passiert ist und dies mit ihrem Filmriss zu tun haben muss. Konkret wird es erst, als sie wegen Unterleibsschmerzen zur Frauenärztin geht. Schnell wird klar, was bei der Party passiert sein muss.

Da ist - und hier kommen die Erwachsenen ins Spiel, die alles nur noch schlimmer machen - Isys alleinerziehende Mutter Bea. Isy möchte aus Angst vor übler Nachrede in der Schule den Vorfall unter den Teppich kehren. Bea hingegen will es genau wissen und sucht Rat bei ihrer besten Freundin. Das ist Carola, mithin Jonas Mutter, deren Mann, der erfolgreiche Staatsanwalt Richard sehr schnell erfasst, dass die Tat seines – in seinen Auge ohnehin etwas missratenen, weil viel zu unentschlossenen – Sohnes seine Karriere beenden kann. „Da lädt uns doch keiner mehr zum Essen ein, das mit dem Oberstaatsanwalt kann ich vergessen!“

Hier hilft sogar ein Staatsanwalt bei der Vertuschung

Abgründe tun sich auf. Ein außergewöhnlicher Fernsehfilm – über die Schwierigkeit, in höchst komplexen moralischen Fragen das Richtige zu tun, über ein Thema , das aktueller ist denn je. Sexuelle Gewalt wird nur selten zur Anzeige gebracht, die meisten Täter stammen aus dem privaten Umfeld der Opfer. Diese Tatsache wird nicht erst seit #MeToo diskutiert.

Hier hilft sogar ein Staatsanwalt bei der Vertuschung. Das kommt teilweise recht konstruiert daher, schlägt manch’ irritierende Volte, inszeniert vom Regie- und Autoren-Duo Mark Monheim und Max Eipp. Vor allem die Szene, in der Mutter Carola den jungen Lenny, der bei ihrem Sohn übernachtet, nachts in der Küche trifft und beinahe seinem körperlichen Drängen erliegt. Lenny nimmt ihren Slip als Trophäe mit. Er wird ihn später dem Staatsanwalt/Mann/Vater unter die Nase halten. So etwas Ostentatives braucht es gar nicht, um die Lebenslügen der Elterngeneration bloß zu legen. Plötzlich liegt der Fokus, die moralische Verantwortung, weniger bei den Jugendlichen, mehr bei den Eltern. „Wieso macht der Junge so was?“ fragt Carola, „Das hat doch mit uns zu tun.“

Claudia Michelsen und Hans Löw spielen das vor einer Zerreißprobe stehende Paar grandios, ebenso Claudia Mehnert („Weißensee“) Carolas Freundin Bea, ganz zu schweigen von den beiden Jungdarstellern Milena Tscharntke (Isy) und Michelangelo Fortuzzi (Jonas). Sie schaffen es, der Ohnmacht und dem Schweigen der Eltern eine zwar schmerzhafte, aber hilfreiche Offenheit entgegenzusetzen. Jedoch: So wie vorher wird es nie wieder sein. Ein Riss bleibt zwischen Eltern und Kindern. Am Ende hebt ein Flieger ab in die USA, ein Auto fährt weg, hält aber plötzlich wieder an. Ein kleiner Hoffnungsschimmer?

„Alles Isy“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15

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