Schauspieler am Mikrofon: Sing dein Ding!
Von Axel Prahl über Nora Tschirner und Anna Loos bis Tim Sander – deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler wollen in die Playlists.
Lee Marvin, Kylie Minogue und David Hasselhoff, Bruce Willis, Juliette Lewis und Ryan Gosling – ein Abstecher in die Musik ist für angloamerikanische Schauspieler ganz normal. Warum also nicht auch für deutsche Kollegen? Nun, dagegen gäb’s schon gute Gründe, von denen beileibe nicht alle mit Ochsenknecht enden. Egal, es scheint für mehr und mehr deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler zum guten Ton zu gehören, zu Mikrofon und Gitarre zu greifen. Ein Glossar verschiedener Ausflüge von der Kamera ans Mikro, die oft nur scheinbar vom Mainstream in die Subkultur gehen.
Axel Prahl
Hauptstrom: Liebenswertes Raubein mit Bodenhaftung, T-Shirt (St. Pauli) und Ausflügen vom „Tatort“ (Thiel) ins Historytainment (irgendwas mit Hitler).
Nebenfluss: Axel Prahl & Das Inselorchester.
Härtegrad: Sehr hoch. Prollbluesrock mit Gitarre (Prahl), Gesang (Prahl), Text (Prahl) und Begleitband (egal).
Bekömmlichkeit: Musikalisch solide, aber so ungewöhnlich wie ein Montagmorgen mit Formatradio.
Wasser auf die Mühlen von: Der wachsenden Gruppe Männer in Frührente mit Traum vom Roadtrip durch Amerika.
Jonas Nay
Hauptstrom: Der Schmerzensbub des Coming-of-Age-Films spielt alles, was der Jugend (nebst Eltern) so zusetzt.
Nebenfluss: Pudeldame, Northern Lights, Concerted (alle mit Kumpels).
Härtegrad: Hartweich. Von Glampop über Jungsrock bis Songwriterfolk fast alles dabei, was in die Playlist passt.
Bekömmlichkeit: Ohne Völlegefühl sättigend, da der studierte Jazzpianist Nay jedes Instrument und sogar singen kann.
Wasser auf die Mühlen von: Digital Natives, denen das Digitale langsam an die Substanz geht.
Anna Loos
Hauptstrom: Eher ruppige als zerbrechliche, aber selten seelisch unversehrte Kämpferin für alle Fälle von männlicher Unterdrückung weiblicher Emanzipation.
Nebenfluss: Silly & Anna Loos.
Härtegrad: Mittel. Ostrock urururalter Schule mit Anna Loos als brandenburgischer Joy Fleming.
Bekömmlichkeit: Dank DDR-Legende Silly gut verdaulich, dank Anna Loos hochprofitabel.
Wasser auf die Mühlen von: Ostalgikern um die 60 ohne Hass auf Wessis, aber mit Restwut auf die Wiedervereinigung.
Jan Josef Liefers
Hauptstrom: Öffentlich-rechtliche Allzweckwaffe augenzwinkernder Dissidenz im spießbürgerlichen Mainstream von Fernsehkoch bis Nazigegner.
Nebenfluss: Andrea Doria, vormals Jan Josef Liefers & Oblivion.
Härtegrad: Eher niedrig. Theatralischer Emopop mit verquaster Lyrik zu bisweilen ruppiger E-Gitarre.
Bekömmlichkeit: Versierte Musiker sorgen für guten Abgang, den Liefers’ Pathos freilich blockiert.
Wasser auf die Mühlen von: Fans von JJLiefers, Prof. Boerne und Bestagern in T-Shirt zu Sakko und ulkigem Hut.
Klaas Heufer-Umlauf
Hauptstrom: Neben Joko Winterscheidt der Beweis, dass man im Feuilleton selbst mit Abi-Streichen auf ProSieben gut ankommen kann.
Nebenfluss: Gloria (mit Wir-sind-Helden-Bassist Mark Tavassol).
Härtegrad: Mittel. Gesanglich im Schwungradius von Böhmermanns Poppoeten-Keule ist der Indierock zu klug, um billig zu sein.
Bekömmlichkeit: Äußerst nahrhaft, wofür neben Heufer-Umlaufs schönem Gesang auch Tavassols Songs sorgen.
Wasser auf die Mühlen von: Pop-Poeten-Fans, denen Max Giesinger oder Tim Bendzko zu verlogen sind.
Tom Schilling
Hauptstrom: Wirtschaftlich prekäre, habituell nervöse Adolezenzverweigerer mit Hang zum Aufruhr ohne Aufwand.
Nebenfluss: Tom Schilling & The Jazz Kids.
Härtegrad: Zartbitter. Jazziges Avantgardezeugs eines hingebungsvollen Sängers ohne größeres Gesangstalent.
Bekömmlichkeit: Führt zur Überdosis Intellektualität, am besten mit einer Prise Axel Prahl kontern.
Wasser auf die Mühlen von: Berliner Off-Theater-Abonnenten, die statt ins Berghain alle fünf Jahre nach Kassel zur „documenta“ fahren.
Nora Tschirner
Hauptstrom: Bockige Prinzessin lakonischer Großstadtmärchen für die ewigen Twentysomethings der Generation MacBook.
Nebenfluss: Prag (mit Eric Lautenschläger und Tom Krimi, getrennt seit 2015).
Härtegrad: Nahe null. Nostalgischer Caféhauspop mit Tschirner als Gitarrenbegleitung zweier Indiestars.
Bekömmlichkeit: Da Tschirner für die PR weder Namen noch Stimme hergibt, ballaststoffarm genießbar wie Heufer-Umlauf.
Wasser auf die Mühlen von: Element-of-Crime-Hörern, also all jenen, bei denen es für komplexere Musik mit Niveau nicht reicht.
Tim Sander
Hauptstrom: Soap-Gewächs, das seit dem Ausstieg bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ 2002 durchs Privatprogramm tingelt.
Nebenfluss: Team Amateur, T der Bär.
Härtegrad: Wechselnd. Mal Elektropop, mal deutscher Hip-Hop, stets mit mehr Anspruch als viele Kollegen auf Abwegen.
Bekömmlichkeit: Gerade als Rapper bereitet der Synchron-Profi seinen Sprechgesang so zu, dass er schmeckt, ohne zu belasten.
Wasser auf die Mühlen von: allen aller Altersklassen und Schichten, denen egal ist, wer die Musik macht, nur nicht wie.
Jan Freitag
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