"Anne Will" startet wieder: Sind Talkshows die willigen Helfer der AfD?
Die Talkshows starten in eine neue Fernsehsaison. Zuletzt hatte es viel Kritik an Themensetzung und Gästen gegeben. Und die Moderatoren? Wollen abrüsten.
Die Talkshows kommen zurück aus der Sommerpause. „Anne Will“ startet an diesem Sonntag auf dem gewohnten Sendeplatz um 21 Uhr 45 in der ARD. Am Donnerstag ist „Maybrit Illner“ wieder im ZDF zu sehen, am Montag, 27. August, folgt Frank Plasberg im Ersten um 21 Uhr mit „hart aber fair“. Am Mittwoch danach um 22 Uhr 45 ist für „Maischberger“ die Sommerpause zu Ende.
Es wird interessant zu sehen und zu lesen sein, ob sich in der anstehenden Saison die vor der Sommerpause begonnene Diskussion über Sinn und Zweck, über Qualität und Quantität der Talks fortsetzt. Angestoßen hatte die Debatte Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Er hatte, unter anderem, eine einjährige Talkpause gefordert, auch deshalb, weil Will & Co. seiner Ansicht nach durch die Themen- und Gästeauswahl den Aufstieg und den Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) befördert hätten. Anne Will, deren Talkshow die zuschauerträchtigste im deutschen Fernsehen ist, überzeugt die Kritik nicht. „Schauen wir doch auf unsere Zuschauerzahlen: Wir werden vergleichsweise schwach geguckt in den ostdeutschen Bundesländern. Besonders gut hingegen, also von besonders vielen Menschen, werden wir geguckt in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg. Das sind interessanterweise die Bundesländer, in denen die AfD kein Bein auf den Boden bekommt“, sagte sie in einem dpa-Interview.
Keine Talkshows, trotzdem steigen die AfD-Werte
Man könnte noch die Beobachtung anfügen, dass seit einigen Wochen keine einzige Talkshow in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF gelaufen ist. Trotzdem wird die AfD von einigen Umfrageinstituten bundesweit bei16 und mehr Prozent gesehen. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte sie 12,6 Prozent erreicht. Keine Talkshow zur AfD und deren Themenspektrum – und trotzdem klettern die Rechtspopulisten auf neue Rekordwerte? Fernsehen wirkt auf das Stimmungs- und Meinungsbild in der Bevölkerung nicht eindimensional, der Bürger befindet sich quasi in einem Wirkungsnetz, in dem das Medium, die Talksshow durchaus eine Rolle, nicht aber eine überragende spielt.
Auch für den Vorwurf, Talksendungen blickten bei der Auswahl der Themen besonders auf vermeintlich quotenträchtige Aufregerthemen gibt es aus Wills Sicht keinen Beleg: „Es ist nicht so, dass Themen, die von Populisten mit Interesse bespielt werden, also Islam oder Flüchtlinge, bei uns besonders gut gesehen würden. Insofern sind wir unverdächtig, dass wir aus Quotengründen bestimmte Themen wichtiger nähmen, als sie wichtig zu nehmen sind.“
Es gibt Themenkonjunkturen
Eine Auswertung von „Zeit Online“ für die Themen der Talkshows zwischen dem 1. Januar 2012 bis zum Juni 2018 hatte ergeben, dass es in den Gesprächssendungen durchaus Themenkonjunkturen gibt. So beschäftigten sich 2015 33 von 141 Sendungen mit dem Komplex „Flüchtlinge/Integration“. Seit Mai 2016, so die Statistik, sei die Zahl der Sendungen mit den betreffenden Themen nachhaltig zurückgegangen. Weitere Konjunkturen betrafen die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten oder die Bundestagswahl 2017.
Anne Will nennt das Publikum ihrer Sendung hochpolitisch. „Deshalb funktioniere auch, was ich uns unter dem Eindruck der enthemmten Tonlage vor allem in den sozialen Medien verordnet habe: Dass wir abrüsten. Sowohl in den Sendungstiteln als auch in unseren Besetzungen und in der Frage, wie wir die Sendungen anlegen“, sagte Will. „Interessanterweise werden wir ja umso besser geschaut, je differenzierter wir diskutieren.“
„Anne Will: Der Dürre-Sommer - wie müssen wir unser Verhalten ändern?", ARD, Sonntag, 21 Uhr 45