Vox überträgt "Echo 2018" mit Farid Bang und Kollegah: Sender ohne Haltung
Die Übertragung der "Echo"-Verleihung bei Vox war unglaublich schlechtes Fernsehen, auch weil der Sender unglaubliche Auszeichnungen zeigte
Es ist natürlich nur fast egal, wie unglaublich schlecht die „Echo“-Verleihung am Donnerstag nach den ungeschriebenen Gesetzen guter Fernsehunterhaltung war – aber eben auch nur fast, denn die ganze Lieblosigkeit, mit der diese, nun ja, „Show“, weggesendet wurde, beweist dann wahrscheinlich doch, dass es den Verantwortlichen um nichts geht, um gar nichts. Dass sie weder können noch wollen. Dass sie noch nicht einmal wissen, was sie da eigentlich nicht können und nicht wollen.
Die Preisverleihung, die der Sender Vox übertragen hat, drei elendig lange Stunden, erinnerte dann auch eher an die Betriebsfeier eines mittelständigen Unternehmens, dem es gerade nicht so gut geht. Weniger Wille zum Glamour, zum Stil, zur Unterhaltung hat man im Fernsehen selten gesehen – gegen die „Echo“-Verleihung rückt selbst die „Bambi“-Verleihung in die Nähe einer „Oscar“-Show. Allein dafür müsste sich der Fernsehsender Vox in Grund und Boden schämen (zur Erinnerung: 1993 startete Vox mit allerlei Anspruch. Man wollte ein ereignisorientiertes Programm machen und hat am Anfang sehr gute Magazinformate wie „Canale Grande“ mit Dieter Moor oder „Liebe Sünde“ mit Matthias Frings im Angebot – das ließ einen damals, vor allem im Vergleich zu RTL und Sat 1 tatsächlich etwas hoffen).
Die Senderverantwortlichen sollten sich jetzt schleunigst ein paar Fragen stellen – und falls sie keine Antwort finden über einen Berufswechsel nachdenken: Wer hat moderiert? Wer war verantwortlich für die Bühne? Wer fand es eine gute Idee, die Gäste an runde Tischchen zu setzen? Wer hat sich den Ablauf ausgedacht? Wer aus dem Regieraum (es gab doch wohl einen Regieraum, oder?) schnitt immer wieder auf Menschen im Saal, die man noch von „Comet“-Preisverleihungen kannte und die dem Fernsehzuschauer den Eindruck vermittelten, man sehe da gerade eine Show aus dem Jahr 2005? Welche Zielgruppe wollte man erreichen? Hat sich die Zusammenarbeit mit der Musikindustrie gelohnt – und wenn ja: in welcher Weise? Welche Haltung versucht Vox mit so einer Sendung zu transportieren?
Nicht lustig machen - schämen
Aber das sind im Prinzip handwerkliche Fragen zu all den Fehlern, über die man sich lustig machen kann. Aber am Donnerstag gab es dann eigentlich doch keinen Grund, sich über die „Echo“-Verleihung lustig zu machen. Dafür gab es sehr viele Gründe sich zu schämen.
So hat zum Beispiel die deutsche Musikindustrie anscheinend noch nie von der #metoo-Debatte irgendetwas mitbekommen – kein Wort, keine Geste, kein Versuch, diese Debatte, die zum Glück in einigen Sendern (nicht bei Vox), in Produktionsfirmen, in Redaktionen mehr oder weniger angekommen ist, in der eigenen Branche zu führen, als habe Pop mit Sexismus und Machtmissbrauch nicht das Geringste zu tun.
Und anscheinend meinen die Verantwortlichen des „Echos“ und von Vox auch, dass Pop mit Antisemitismus, mit Rassismus, generell mit gesellschaftlicher Verantwortung, nichts zu tun habe. Angeblich habe ja ein „Ethik-Rat“ darüber beraten, ob die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang überhaupt für einen „Echo“ nominiert werden sollten, weil auf ihrem aktuellen Album unter anderem folgende Zeilen zu hören sind: „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen.“ Und: „Mache wieder mal nen Holocaust, komm an mit dem Molotow.“ Der Ethik-Rat kam zu dem Schluss, dass eine Nominierung von Kollegah und Farid Band in Ordnung sei. Wer sitzt in diesem Ethik-Rat? Martin Lejeune? Wolfgang Gedeon? David Irving? Jedenfalls wurden Kollegah und Farid Bang nicht nur nominiert – sie gewannen auch einen Preis und traten auf – zum Schluss, also als „Höhepunkt“. Und niemand verließ den Saal. Niemand stand auf. Niemand protestierte. Es war allein Campino, der bereits zu Beginn der Veranstaltung Haltung zeigte, und für seine Rede Applaus bekam, während die meisten Gästen buhten, als Kollegah und Farid Bang auf die Bühne kamen.
Aber vielleicht sind Applaus und Buh-Rufe einfach nicht genug an so einem Abend. Der Tag der diesjährigen "Echo"-Verleihung war auch der Tag von „Yom Hashoah“ – ein israelischer Nationalfeiertag, der „Tag des Gedenkens an Holocaust und Heldentum“. An diesem Tag also werden in Deutschland zwei Rapper ausgezeichnet, die antisemitische Texte verbreiten. Und ein Fernsehsender zeigt das zu besten Sendezeit.
Das ist nicht egal. Matthias Kalle
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