Liebeserklärung an „Fest & Flauschig“: Selbstgerechter Schnösel trifft auf belesenen Altruisten
Warum ist der Podcast von Jan Böhmermann und Olli Schulz so erfolgreich und so gut? Sie stutzen sich gegenseitig auf ein unterhaltsames Maß Anarchie zurecht.
Alle halbe Jahre kokettieren Jan Böhmermann und Olli Schulz mit dem Aufhören. Neulich war es wieder so weit. Dann setzt unser Herz kurz aus wie die Bluetoothverbindung unseres Kopfhörers, mit dem uns „Fest & Flauschig“ durchs Leben begleitet. Denn ein Leben ohne „Fest & Flauschig“ ist zwar möglich, sinnlos ist es aber auch.
„Fest & Flauschig“ (F&F) ist Deutschlands erfolgreichster, wichtigster, beliebtester, reichweitenstärkster, einfluss- und vitaminreichster, pH-wertneutralster und kohlehydratärmster Podcast. Die Superlative lassen sich je nach Bedarf herausposaunen; da es für Podcasts keine unabhängige Datenermittlung gibt, gibt es keine einigermaßen objektive Vergleichsmöglichkeit. Spotify, wo die beiden seit 2016 unter Vertrag stehen, gibt keine Zahlen bekannt, nur, dass sie der am häufigsten abgerufene Podcast des Streamingdienstes sind – weltweit. Und dass der Vertrag bis 2022 verlängert wurde.
Was aber macht F&F zum weltbesten Podcast der Rubrik „Zwei Männer unterhalten sich“? Für Fans ist das so, als sollten wir erklären, warum wir Kaffee mögen. Oder Labradorwelpen. Aber wir wollen es versuchen, weil uns das seit 2012 beschäftigt, seit wir die erste Folge „Sanft und Sorgfältig“ hörten und dachten: Robi und Volli sind wieder da!
War mal "Sanft und sorgfältig"
„Sanft und sorgfältig“ hieß die Sendung, als sie noch bei Radioeins lief, dem seinerseits wiederum weltbesten Berliner Radiosender, der Schulz und Böhmermann zu dem Moderatorentraumpaar gemacht hat, das sie schon immer waren. Die Älteren unter uns – Spoiler Alert: Wir sind der Grund, weswegen F&F Deutschlands intelligentester Podcast sein darf – werden sich an die legendären Folgen der „Schönen Woche“ erinnern, ein Wochenrückblick, den Volker Wieprecht und Robert Skuppin, inzwischen Programmchef, gemeinsam bestritten. Der eine dozierte, der andere schwafelte. Der eine arbeitete mit vegetarischer Kost und Perfektionismus, der andere liebte Torten und kreatives Chaos. Es wurde über Politik und Peinlichkeiten gesprochen, über Essen und Frauen und eine tragische Jugend in bitterer Armut, und nie war klar, was davon stimmte, und ob die beiden beste Feinde oder Freunde am Rande des Nervenzusammenbruchs sind. Welchem F&F-Hörer käme das nicht bekannt vor? Janolli, wie Schulz und Böhmermann sich manchmal liebevoll nennen, sind Robi & Volli der Social-Media-Ära, hemmungsloser, vulgärer, böser, direkter.
Nicht zuletzt deshalb ist F&F Deutschlands polarisierendster Podcast. Ihn nicht zu hören, ist ebenso ein Statement wie ihn zu lieben – lauwarmes Mittelmaß findet nicht statt, auch weil die Podcaster nicht mehr an die Regeln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebunden sind. Comedian Jan Böhmermann (Hobbies: Kochen, Nazis, Sich-mit-Staatsoberhäuptern-und-Österreichern-Anlegen) und sein twitternder Furor sind nicht jedermanns Sache, aber auch Singer-Songwriter Olli Schulz ist trotz seiner scheinbaren Volksnähe, immer irgendwo zwischen Blau- und Flachmann, alles andere als ein glatter Plauderprofi.
Anarchie in Maßen
Als Team stutzen sie sich auf ein unterhaltsames Maß Anarchie zurecht. Nicht auszudenken, wenn Böhmermann das Mikro 90 Minuten für sich alleine hätte, dieser selbstgerechte Schnösel mit seinem Medienbranchen-Namedropping und seiner diktatorischen News-to-do-Liste, die Dr. Wichtig zu kommentieren wünscht. Er braucht den belesenen Weintrinker Schulz, der mit seinem Hedonismus und seiner altruistischen Nachsicht gegenüber menschlichen Schwächen Böhmermanns Pedanterien ihren relativen Platz im Universum zuweist.
Allerdings kann sich der hoch sensible, „asoziale Choleriker“ (Schulz über Schulz) wiederum in eine Rage faseln, die mitunter nah an der Stammtischkante entlang- schrammt und die Unterhaltungsprofi und Polizistensohn Jan ebenso reguliert wie Ollis Anekdotenbox: Wenn ein Tattoo der Cousine dritten Grades der Putzfrau des ersten Keyboarders der Rolling Stones Noel Gallagher zu einem Song inspiriert hätte – der Musik-Nerd Schulz wüsste, welches und sollte sich unbedingt in einem regelmäßigen Late-Night-Musikspecial auf Radioeins austoben dürfen. Leider trägt der Sender beiden den Wechsel immer noch nach. Womit wir wieder beim Radio wären. „Sanft und Sorgfältig" mag inzwischen als „Fest & Flauschig“ gestreamt werden – aber seine Seele gründet im Radio. Da sind zum einen der Wochenrückblickscharakter und die Musik, die die beiden empfehlen. Die Songs unterteilen die Sendung wie im Radio, müssen nun aber in einer gesonderten (dank Schulz und trotz Böhmermanns erstklassigen) Spotify-Playlist abgerufen werden, was so viel Spaß macht, als müsste man im Museum immer in den Nachbarsaal rennen, um das passende Bild zu den Hinweisschildchen zu sehen.
Nennen ihre Penisse nicht "Lachse"
Aber sie halten am Konzept fest - und das geht nur, weil F&F außerdem der erwachsenste Podcast seiner Art ist. Weshalb Jan und Olli, wenn sie über Sex reden, ihre Penisse nicht „Lachse“ nennen (wie bei „Beste Freundinnen“) und bei ernsteren Themen mit komplizierteren politischen Wörtern nicht ins Stottern kommen müssen (wie bei „Gemischtes Hack“). Was nicht heißt, dass die beiden sich nicht manchmal besorgt von einem „heute aber wieder verdammt schweren Stoff“ distanzieren und schnell ein paar peinliche Genital-Kosenamen in die Runde werfen.
Wir – die erwachsenen, im Radiohören geschulten Fans – können das ebenso einordnen wie die misogynen Kommentare und Ausländerwitze. Wir kennen die beiden schon seit Jahren, wir können mühelos ihren horizontalen Storylines folgen, wir haben eine gemeinsame Geschichte, unsere Aufmerksamkeitsspanne reicht nicht nur für die einzelnen Episoden, auf die sich der gemeine Plauder-Podcast nach Möglichkeit beschränkt.
Weshalb F&F zudem der Podcast mit der engsten Host-und-Hörer-Bindung ist. Wir sind nicht dumm, aber Jan und Olli zusammen sind schlauer, wir sind nicht ungebildet, aber sie sind schlagfertiger, wir sind nicht einmal langweilig, aber sie sind witziger, kreativer, kochen vielleicht sogar besser und können auch noch handwerken. Und davon im Radio, in Songs und im Fernsehen, auf Twitter, Facebook und Instagram erzählen.
Es ist einfach so: „Fest & Flauschig“ ist der beste Podcast der Welt, weil er zwei Universalgelehrte des digitalen Zeitalters vereint. Was nur kultivierte Hörer zu schätzen wissen. Womit wir F&F wahrscheinlich noch den letzten street credit genommen haben. Sorry, Janolli.
Iris Alanyali
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