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Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht verstärkt die Polizei die Präsenz am Hauptbahnhof.
© dpa/Maja Hitij
Update

Kritik an den Medien wegen Köln-Berichterstattung: "Schweigekartell" und "Nachrichtensperren"

Ex-Bundesinnenminister Friedrich moniert ein "Schweigekartell" der Öffentlich-Rechtlichen. Der WDR verteidigt seine Arbeit, das ZDF sieht "Versäumnisse". Am Donnerstag erneuerte Friedrich seine Vorwürfe im NDR, konnte aber nicht konkret werden.

Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in Köln durch möglicherweise nordafrikanische oder arabische Täter hat der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schwere Vorwürfe insbesondere gegen die öffentlich-rechtlichen Medien erhoben. Es sei "ein Skandal, dass es Tage gedauert hat, bis die öffentlichen Medien die Berichte aufgegriffen" hätten, sagte Friedrich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für den CSU-Politiker besteht der Verdacht, dass die gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien ihrem Informationsauftrag nur noch unzureichend nachkommen".

Friedrich sprach in diesem Zusammenhang von einem "Schweigekartell" und erhob den Vorwurf, dass es offenbar "Nachrichtensperren" gebe, sobald es um Vorwürfe gegen Ausländern gehe. Er legt am Donnerstagmorgen noch mal nach. Friedrich sagte im Radio auf NDR Info, „es besteht der Verdacht, dass man glaubt, dass man über solche Übergriffe insbesondere von Migranten und Ausländern deswegen nicht berichtet, weil man nach Möglichkeit die Bevölkerung nicht beunruhigen will“. Es sei die Aufgabe von Journalismus, zu beschreiben, was wirklich passiere, und zu informieren. „Und nicht zu filtern, was können wir der Bevölkerung zumuten und was nicht.“

Auf die Frage, was er dem NDR zum Beispiel in Sachen Berichterstattung konkret vorwerfe, gab Friedrich keine konkrete Antwort Nur wieder das allgemeine Credo, dass die Aufgabe des Journalismes es sei, zu informieren, objektiv und ungefiltert. Als Friedrich von der Moderatorin darauf hingewiesen wurde, dass der NDR seit Montagnachmittag von den Vorfällen in Köln berichte, seit bekannt wurde, welches Ausmaß das Ganze annehme, sagte Friedrich: „Das ist gut. Meinen Glückwunsch zu dieser Entscheidung.“

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte die Berichterstattung über die Vorfälle. Man müsse aufpassen, dass man den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht durch falsch verstandene Vorsicht in der Berichterstattung aufs Spiel setze: "Die Menschen wollen, dass Wahrheit und Klarheit berichtet wird", sagte Scheuer in einem Deutschlandfunk-Interview. Die Menschen, die in Sorge seien, wie die Gesellschaft sich entwickle, kritisierten, dass die veröffentlichte Meinung nicht die Realität widerspiegele.

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kritisiert die Berichterstattung der Medien
Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kritisiert die Berichterstattung der Medien
© dpa

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat nach eigener Einschätzung zeitnah und angemessen über die Angriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln berichtet. Der Sender sei auf Grundlage eigener Recherche am Nachmittag des 2. Januar auf seiner Website in die Berichterstattung eingestiegen - noch vor der offiziellen Meldung der Polizei, wie der WDR auf epd-Anfrage erklärte. Im Hörfunk sei zum nächstmöglichen Zeitpunkt um 19 Uhr über die Vorfälle informiert worden. Das Studio Köln berichtete dem Sender zufolge wie in jedem Jahr live im WDR Fernsehen von den Silvesterfeierlichkeiten. Redakteurin und Reporter hätten stets in Kontakt mit der Einsatzleistelle der Polizei gestanden. Hinweise auf Übergriffe auf Frauen habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Der WDR verwies auch auf die Pressemitteilung der Kölner Polizei vom Neujahrsmorgen, in der die Feiern als „weitgehend friedlich“ beschrieben wurden. Nach einer Pressekonferenz der Polizei am Montag sei dann auch die Berichterstattung weiter ausgebaut worden.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat nach den sexuellen Übergriffen gegen Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Die Polizeiführung habe sich aufgeführt wie ein Verhörter, der nie mehr aussage, als er wirklich müsse, sagte der Chefredakteur der Zeitung, Peter Pauls, am Mittwoch dem epd. Erst nach und nach sei klar geworden, dass die Pressemitteilung der Polizei vom Neujahrsmorgen, in der „friedliche Feiern“ beschrieben wurden, nicht der Wahrheit entspreche. „Es geht hier ja um Informationen, die zwingend von der Polizei kommen müssen: Delikte, Zahl der Verfahren, wie viel Geschädigte, Dunkelziffer“, sagte Pauls. „Montagabend war mir schlagartig klar, dass die Polizeiführung uns verlädt.“

ZDF räumt "Fehleinschätzung" ein

Das ZDF erklärte, die Entscheidung, in der „heute“-Sendung am Montagabend nicht über die Übergriffe in Köln zu berichten, sei falsch gewesen. „Die Nachrichtenlage war klar genug“, teilte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen am Dienstag in den sozialen Medien mit. „Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-,heute"-Sendung die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat." Die Redaktion habe sich entschieden, den geplanten Beitrag auf den Tag des Krisentreffens am Dienstag zu verschieben, um Zeit für ergänzende Interviews zu gewinnen, schrieb Theveßen: „Dies war jedoch eine klare Fehleinschätzung.“ Am Dienstagabend brachte das ZDF um 19.20 Uhr zu dem Thema ein „spezial“, das 5,13 Millionen Zuschauer (18,3 Prozent Marktanteil) sahen.DJV

DJV lobt Zurückhaltung der Journalisten

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat die Medien gegen Vorwürfe der Parteilichkeit für Flüchtlinge und der Nachrichtenunterdrückung in Schutz genommen. „Journalisten müssen informieren, aber nicht spekulieren“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag mit Blick auf die gewalttätigen Vorfälle in der Silvesternacht in Köln und anderen Orten. Nur spärlich seien Informationen über gewalttätige Ausschreitungen am Kölner Hauptbahnhof und auf der Hamburger Reeperbahn durchgesickert. Dass es sich bei den Tätern um Bewohner von Flüchtlingsheimen mit nordafrikanischer Herkunft handeln solle, sei bis jetzt nicht polizeilich bestätigt. „Eine nicht durch solide Recherchen gedeckte Verdachtsberichterstattung ist nicht nur unvereinbar mit den Prinzipien des professionellen Journalismus, sondern auch innenpolitisch brandgefährlich“, sagte Überall. Er verwies darauf, dass die Medien laut Pressekodex verpflichtet sind, in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann zu erwähnen, wenn dies für das Verständnis wichtig ist. „Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Der Deutsche Presserat hat eine verantwortungsvolle Berichterstattung über den Migrationshintergrund von Straftätern angemahnt. Im Fall der massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht sei die Nennung des Migrationshintergrundes „noch akzeptabel“, sagte die Referentin für Beschwerdeführung beim Deutschen Presserat, Edda Eick, am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Es handele sich um ein Massenverbrechen, das in dieser Dimension so noch nicht stattgefunden habe.

"New York Times" und "Wall Street Journal" berichten

Die Übergriffe der Kölner Silvesternacht haben es auf die Titelseiten von „New York Times“ und „Wall Street Journal“ geschafft. Im „Journal“ steht über dem Bruch unter einem Foto Barack Obamas die Überschrift: „In Deutschland fordern Übergriffe die Flüchtlingspolitik Merkels heraus“. Auch die „New York Times“ stellt einen Zusammenhang zwischen Migranten und Köln her: „Attacken auf deutsche Frauen entzünden Debatte über Migranten“. Es ist selten, dass deutsche Themen von US-amerikanischen Zeitungen aufgegriffen werden, geschweige denn auf den Titelseiten. (mit AFP, dpa, epd, KNA)

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