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Spielen das Terror-Trio: Sebastian Urzendowsky, Anna Maria Mühe als Beate Zschäpe und Albrecht Schuch.
© dpa

ARD-Schwerpunkt zu NSU-Morden: Schmerzliche Heimat

„Mitten in Deutschland: NSU“: Die ARD stellte ihren Programmschwerpunkt vor. Drei Spielfilme, eine Dokumentation und die Frage: Warum versagten die Fahnder bei den NSU-Morden so eklatant?

Die „Warums“ kommen mit großer Wucht. Warum konnte der rechtsradikale Nationalsozialistische Untergrund von 2000 bis 2007 acht türkischstämmige und einen griechischen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin ermorden? Unentdeckt von den Ermittlungsbehörden, die mit diesem Versagen das zweite Warum provozieren. Dann die Angehörigen der Opfer, die – warum auch immer – um die Ehre und die Unschuld ihrer Toten kämpfen mussten.

Trilogie folgt nicht der Chronologie

Die ARD wird vom 30. März an den Programmschwerpunkt „Mitten in Deutschland: NSU“ ausstrahlen. Drei Spielfilme, eine Dokumentation. Die Spielfilmtrilogie – immer zur besten Sendezeit um 20 Uhr 15 – ist recht eigentlich keine: Geboten wird keine Chronologie vom ersten Mord bis zum laufenden NSU-Prozess, es ist die Mordserie, die zum Ausgangsmoment dreier Perspektiven wird: der Täter („Heute ist nicht alle Tage“, 30. März), der Opfer („Vergesst mich nicht“, 4. April), der Ermittler („Nur für den Dienstgebrauch“, 6. April). Alle drei Filme wurden von Produzentin Gabriela Sperl zusammengehalten.

Beim Pressetermin am Donnerstag in Berlin wurde „Vergesst mich nicht“ vorgeführt (die anderen Filme sind noch in der Endfertigung). Die Produktion von WDR und ARD Degeto basiert auf dem Buch „Schmerzliche Heimat“ von Semiya Simsek, deren Vater Enver das erste NSU-Opfer war, und Peter Schwarz, Regie führte Züli Aladag. Schnell wird klar, dass die drei Ebenen der drei Filme von enormem Vorteil ist: Die klare Perspektivierung zwingt zu klaren Haltungen. „Vergesst mich nicht“ mäandert nur kurz ins Tätermilieu, er setzt einen Fokus bei den Ermittlern, und er konzentriert sich auf die Familie Simsek. Auf ihre Trauer, ihre Wut und die wachsende Fassungslosigkeit von Tochter Semiya (Almila Bagriacik), die erleben muss, wie ihrem Vater völlig zu Unrecht eine Geliebte mit Kindern und Drogenhandel untergeschoben wird. Die Familie, ihre Freunde und Verwandten wurden verhört, abgehört und kriminalisiert. Traumatische Erfahrungen im Rechtsstaat Deutschland, der Film „Vergesst mich nicht“ gibt ihnen eine Stimme, eine Erinnerung, indem er in die Köpfe und die Herzen der Familie(n) schaut.

ARD-Programmdirekor Volker Herres sagte beim Pressetermin, „es gibt in Deutschland eine Aufklärungsquote von 95 Prozent bei Kapitalverbrechen“ – und dann versagen die Fahnder bei den NSU-Morden dermaßen eklatant. „Man stelle sich vor: Fast zehn Jahre lang wurden bei uns Menschen mit Migrationshintergrund ,hingerichtet’, ohne dass die Ermittler einen rechtsextremen Hintergrund ausgemacht hätten.“

Das werfe Fragen auf, nach der grundsätzlichen Verfasstheit unserer Ermittlungsbehörden, „aber auch ganz generell nach der Verfasstheit unseres Staates“. Mit den Filmen verbindet die ARD die Hoffnung, zur Aufklärung beizutragen.

Programmschwerpunkt soll Glaubwürdigkeit der ARD stärken

Jörg Schönenborn, WDR-Fernsehdirektor und ARD-Spielfilmkoordinator, ging noch einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach werden Trilogie und Dokumentarfilm zur Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Systems beitragen, indem sich die Programmanstrengung um die Wahrheit und die Wirklichkeit der Mordserie bemüht.

Die drei Produktionen von Degeto, BR, MDR, SWR und WDR versammeln erstklassiges Personal. „Vergesst mich nicht“ ist genannt, beim Täter-Film „Heute ist nicht alle Tage“ führt Christian Schwochow Regie, Albrecht Schuch spielt Uwe Mundlos, Sebastian Urzendowsky spielt Uwe Böhnhardt, Anna Maria Mühe agiert als Beate Zschäpe. „Die Ermittler – Nur für den Dienstgebrauch“ inszeniert Florian Cossen, im Cast finden sich Namen wie Florian Lukas, Ulrich Noethen, Liv Lisa Fries und Sylvester Groth.

„Mitten in Deutschland: NSU“, ein Programmschwerpunkt, der sich als Höhepunkt ankündigt.. Joachim Huber

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