Live-Event gegen Netflix: Schlag die Serie
Bambi, Raab, Gottschalk, Topmodels: Wieviel Live-Fernsehen brauchen eigentlich ARD, ZDF & Co.?
„Stranger Things“ oder DFB-Pokal-Spiel? „The Marvelous Mrs. Maisel“ oder Bambi-Verleihung? „Babylon Berlin“ oder „Schlag den Raab“? Wenn es um die Frage geht, was das klassische lineare Fernsehen im Buhlen um Aufmerksamkeit gegenüber Netflix, Amazon & Co. mit all diesen großen Qualitäts-Serien ins Rennen schicken könnte, heißt es öfters: das gute, alte Live-Fernsehen.
Womit eben nicht nur Fußball-Übertragungen gemeint sind, sondern durchaus auch das, wovon sich die ARD jetzt verabschiedet: die Übertragung von Preisverleihungen wie den „Bambi“. Die ARD verzichtet auf eine Verlängerung des Vertrages, weil die Einschaltquoten zurückgingen und es auch inhaltliche Kritik an der Ausstrahlung der Gala gegeben habe, hieß es am vergangenen Freitag.
„Der Vertrag ist 2019 ausgelaufen; in der ARD gab es ein Votum, keinen neuen Vertrag zu schließen“, sagte Thomas Schreiber, ARD-Unterhaltungschef. Die Auszeichnung gibt es seit 1948. Seit Mitte der 1990er Jahre übertrug die ARD die Verleihung live im Fernsehen. Man muss kein Freund der ja durchaus in Routine erstarrten Veranstaltung aus dem Hause Burda sein, Ähnliches gilt für das ZDF und die „Goldene Kamera“ oder den Deutschen Fernsehpreis, um trotzdem zu fragen: Berauben sich die großen TV-Sender, gerade auch in Konkurrenz zu den Streamingdiensten, nicht ihrer ureigensten Stärken, wenn sie Live-Shows nach und nach aufgeben, aus dem Programm nehmen?
„Sicherlich bleiben Live-Events eine der Domänen des linearen Fernsehens, von Fußball bis zum Finale von ,Germany’s Next Topmodel’“, sagt Medienforscher Klaus Goldhammer.
„Wobei auch hier die Streaming-Anbieter nachziehen: Amazon besitzt Premier-League Rechte, Netflix hat schon einmal mit der Formel1 verhandelt.“
Ob die Bambi-Verleihung in den vergangenen Jahren genügend Zuschauer erreichen konnte und damit die höheren Produktionskosten rechtfertigen kann, das sei schon ein Faktor.
„Wenn teure Live-Events weniger Aufmerksamkeit erzielen als programmliche Stangenware, macht es aus Sendersicht keinen Sinn, sie weiter zu übertragen.“
MRR: Das Gesehene als „Blödsinn“
Das sieht der Burda-Konzern natürlich anders, er will an der Verleihung des Medienpreises festhalten. Das ZDF kommt nach dem Aus der Goldenen Kamera als neuer Partner nicht in Frage. „Das ist bei uns kein Thema", sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel.
Die Goldene Kamera wird in diesem Jahr zum letzten Mal verliehen. Die Funke-Mediengruppe erklärte das Aus dieser Veranstaltung mit geänderten Sehgewohnheiten.
Nun steht der Bambi vor dem TV-Aus, die RTL-Gruppe will nicht übernehmen. Die Bambi-Gala sei derzeit kein Thema, sagte ein Sprecher. „Wir konzentrieren uns auf die Neuausrichtung des Deutschen Fernsehpreises, der am 6. Juni in Köln verliehen und live bei RTL ausgestrahlt wird.“
Eine gemeinsame Veranstaltung von ARD, ZDF, RTL und Sat1. Gerade dieser Verleihung verdankt sich mit der Ablehnung durch Marcel Reich-Ranicki 2008 eines der spannendsten TV-Momente der vergangenen Jahrzehnte. Er habe nicht gewusst, was ihn erwarte, so der Literaturkritiker damals und bezeichnete das Gesehene als „Blödsinn“. Moderator Thomas Gottschalk blieb verwirrt zurück.
Der Bambi hatte mit der Ehrung des Rappers Bushido 2011 seinen Fast-Eklat. Aber auch aus München bekommt der Bambi jetzt keine weitere TV-Unterstützung. Eine Übertragung der Gala durch einen Sender der ProSiebenSat1-Gruppe „ist im Moment nicht geplant“, heißt es in Unterföhring.
Gerade dort müsste man wissen, was Live-Fernsehen leisten kann. Mit „Schlag den Raab“ hatte ProSieben jahrelang eines der zugkräftigsten Unterhaltungsformate im Programm; „Schlag den Besten“, das Nachfolgeformat mit Moderator Elton, wird aufgezeichnet (Dienstag, Pro7, 20 Uhr 15).
Der Echtzeit-Fernsehen-Effekt griff auch bei „The Masked Singer“ im vergangenen Jahr. Das ZDF plant für dieses Jahr eine (bislang) einmalige Neuauflage von „Wetten, dass...?“ mit Thomas Gottschalk, vom fortdauernden Reiz der Talkshows – siehe „Anne Will“ zum „Tabubruch in Thüringen“ am Sonntagabend – ganz zu schweigen.
Das alles wird die Streamingfans nicht von ihren Serien zurück holen, wohl genauso wenig wie Bambi-Preisverleihungen, aber die restliche Zuschauerklientel dürfte den großen Sendern mit Live-Fernsehen bei der Stange bleiben.