zum Hauptinhalt
Toter Bruder. Kriegsflüchtling Théo Wangila (Jerry Kwarteng, li.) erklärt, was ihm im Kongo an Folter widerfahren ist. Kommissar Ballauf (Klaus J. Behrendt) ist fassungslos.
© WDR/Uwe Stratmann

"Tatort" zum Thema Flüchtlinge: Schlachtbank Köln

Im „Tatort“ bekommen es die Kölner Ermittler Ballauf und Schenk mit Bürgerkriegsflüchtlingen zu tun. Dafür verzichten sie auf ein paar geliebte Rituale.

Eine afrikanische Maske, ein vernarbter Bauch, ein krächzender Papagei. Die Eingangssequenzen machen schnell klar: Dieser Kölner „Tatort“ weist weit über Köln hinaus. Dann liegt ein Schwarzafrikaner erstochen auf dem Boden, Dr. Wangila (Jerry Elliott), Arzt aus dem Kongo, der in einer Kölner Klinik beschäftigt war. Die Ermittlungen führen die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) schon bald in ein Flüchtlingsheim. Und damit ins ureigenste Metier dieses dienstältesten WDR-„Tatorts“: sozialgesellschaftlich brisante Themen, meist ironiefreie Zone, hier die guten Kommissare, die an das Gute am Menschen und in der Domstadt glauben, dort die böse Welt, die einen schier verzweifeln lässt.

Ein gutes Empörungsmuster, schon gar, wenn das Thema Flüchtlinge, wie öfters im Krimi in jüngster Zeit, angeschnitten wird. Wie sagt der Sozialarbeiter im Flüchtlingsheim, als dort wieder mal ein Streit ausgebrochen ist: „Leben Sie mal so wie die, dann liegen bei Ihnen auch die Nerven blank. Überbelegte Zimmer, keine Arbeit, keine Perspektive.“

Ist das genug Bodensatz für Verbrechen oder/und Ausländerhass? Im Fall Wangila deutet zunächst vieles auf eine Beziehungstat hin, hatte der verheiratete Arzt im Krankenhaus doch mindestens eine Affäre. Typisch Weißkittel eben, der sich mit Frauengeschichten gerne in Schwierigkeiten bringt, wie Freddy Schenk schnell folgert. Wangilas deutsche Frau kommt allerdings so verstrahlt-verdächtig daher – Hobby: Bogenschießen! -, dass gewieften Krimisehern schnell klar sein dürfte: Die kann es eigentlich nicht gewesen sein.

Sind die Polizisten zu rabiat vorgegangen?

Im besagten Flüchtlingsheim ist wenige Tage zuvor eine junge Asylbewerberin, die ebenfalls aus dem Kongo stammte, bei einer Polizeirazzia ums Leben gekommen. Offenbar war sie in Panik weggerannt und in den Tod gestürzt. Sind die Polizisten zu rabiat vorgegangen? Oder gibt es da eine Koinzidenz: Hat sie etwas mit dem toten Doktor zu tun, dem Landsmann, der als Notarzt bei der Razzia im Heim hinzugerufen wurde?

Die Freundin der toten Frau könnte Licht ins Dunkel bringen, doch die ist seit dem Unfall verschwunden. Zu allem Überfluss beginnt Theo Wangila (Jerry Kwarteng), der wie sein Bruder vor Jahren als Kriegsflüchtling in Deutschland anerkannt wurde, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.

Die „Tatort“-Folge „Narben“ legt viele Fährten, packt ein brisantes Thema an, ein Reflex zur Variante guter Flüchtling, böser Flüchtling. „Wenn es um Flüchtlinge geht, sprechen wir meistens über Zahlen, darum, wie viele Menschen in unser Land kommen“, sagt Klaus J. Behrendt. In diesem „Tatort“ gehe es nicht um diese anonyme Menschenmenge, sondern um Einzelschicksale von zwei Flüchtlingen aus dem Kongo. „Wir bekommen eine Ahnung, was sie in ihrem Land erlebt haben und was sie bewogen hat, nach Europa zu fliehen.“

Immerhin mal keine Nazis und rassistische Parolen

Dass da nicht nur Opfer ins Land kommen, ist eine der überraschenden Volten, die das Drehbuch (Rainer Butt) schlägt, auch wenn es sich mit der Verdächtigenschar – darunter Wangilas Kollegin Dr. Sabine Schmuck (stark: Julia Jäger) und Krankenschwester Angelika Meyer (Laura Tonke) – sowie dem nervigen Kölschen Geplänkel der beiden Kommissare etwas mehr Mühe in der Feinzeichnung hätte geben können. Immerhin mal keine Nazis und rassistische Parolen, sonst Standard im Fernsehkrimi zum Thema Flüchtlinge.

Die Kölner „Tatort“-Kommissare gehören mit drei Ausgaben im Jahr zu den meistbeschäftigten Ermittlern im „Tatort“-Universum. Da kehrt mitunter eine gewisse Routine ein, finale Currywurst am Rhein und Räsonnement über die kaputte Welt inbegriffen. Das fehlt diesmal. „Narben“ ist ein über Durchschnitt liegender Krimi (Regie: Torsten C. Fischer), Anschauungsmaterial für Amnesty International.

Wenn dann Einzelschicksale von Flüchtlingen hängen blieben, die in ihrer Heimat Folter, Vergewaltigung und Krieg erfahren haben, war es das schon wert. Der Kongo ist die Schlachtbank Afrikas, sagt Autor Butt. Man schaue nur in die Augen der untergetauchten Cecile Mulolo, der Freundin der Toten im Flüchtlingsheim: Der Schauspielerin Thelma Buabeng gelingt es eindrucksvoll, die Angst dieser Frau sichtbar zu machen.

„Tatort: Narben“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

Zur Startseite