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Kevin Spacey als Francis J. Underwood und Robin Wright als seine Ehefrau.
© dpa

Grandiose US-Serie: Sat.1 bringt „House of Cards“ ins Free TV

Politik als Marionettenspiel: „House of Cards“ ist die erste Serie, die nicht für einen US-Fernsehsender, sondern für die Video-on-Demand-Plattform Netflix produziert wurde. Und für - Kevin Spacey.

Ein Königsdrama, nichts weniger will die US-Serie „House of Cards“ sein. Washington ist der Schauplatz, Kongress, Senat und Weißes Haus. Francis „Frank“ Underwood ist der Fraktionsführer der Demokraten im Kongress. Machtbewusst, selbstbewusst, fähig zum Königsmacher und zum Königsmörder. Sein Mann ist zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden. Underwood wartet auf seine Belohnung – die nicht kommt. Das Außenministerium war ihm versprochen worden, aber der Präsident und Parteifreund übersieht ihn. Die noch größere Demütigung für Underwood ist, dass nicht Garrett Walker selbst die Nachricht überbringt, sondern seine Stabschefin. Walker soll weiter die Abgeordneten im Kongress auf Linie bringen. Sprich: die Drecksarbeit machen, die Meute auf Parteilinie halten, den Präsidenten strahlen lassen.

Underwood will aufgeben, nicht aber seine Frau Claire, die noch einen Zacken machtbewusster ist. „Niederlage“ gehört nicht zum Vokabular der Chefin der Wohltätigkeitsorganisation „Clean Water Initiative“. Das Ehepaar findet rasch wieder zusammen, vereint in Bewusstsein und Willen, dass Rache süß ist und das initiierte Scheitern der anderen den eigenen Aufstieg nur befördern kann. Underwood instrumentalisiert Mitarbeiter, eine ehrgeizige Journalistin, bald hat er seine Schmutztruppe zusammen. Die Revanche kann beginnen.

Kevin Spacey spielt Frank Underwood

„House of Cards“ ist die erste Serie, die nicht für einen US-Fernsehsender, sondern für die aufstrebende Video-on-Demand-Plattform Netflix produziert wurde. Es ist die US-Version eines britischen Zweiteilers von 1990. Das Budget für die ersten 13 Folgen wird mit 100 Millionen angegeben, das Produkt hat in allen Schauwerten Kinoqualität.

Kevin Spacey spielt Frank Underwood, Robin Wright seine Ehefrau – von solcher Klasse ist die Politserie von David Fincher (Regie) und Beau Willimon (Buch und Produktion). Die Produktion hat den Mut, die aufgebaute Illusion dreinzugeben, durch das Spiel im Spiel. Underwood durchbricht wieder und wieder die vierte Wand und richtet seine Kommentare direkt an die Zuschauer. Mehr Inszenierung kann gar nicht sein. Es ist ein großes Vergnügen zu erleben, wie Underwood mit jeder Phase seiner Gestik und Mimik das Spiel spielt, um dann dem Publikum dessen Regeln zu erklären.

„House of Cards“ will nicht sehr gut, die Serie will perfekt sein. Die Dialoge sind derart messerscharf formuliert, noch mehr ist es das „Beiseitesprechen“ von Underwood. Merksätze für die Naiven im Zuschauerrund, die noch immer nicht kapieren wollen, dass Macht, dass Narzissmus und Kränkung die Triebfeder von Politik sind. Ideen und Ideale sind gut, die Intrige ist besser.

Der Politiker als Marionettenspieler, die Politik als Gewebe aus Vorder- und Hintergrund, aus Zug und Gegenzug, aus Sein und Schein. Über dem Eingang des Globe Theatre des Menschendichters William Shakespeare stand geschrieben: „Totus mundus agit histrionem“. Die ganze Welt handelt als Schauspieler. Im elisabethanischen Zeitalter, in der heutigen Zeit.

Dieses Vexierspiel ist von enormem Reiz für den Zuschauer. Er sieht bald „doppelt“, weil er die vorgetäuschten und die wahren Absichten der führenden Protagonisten kennt. Eine Produktion muss sehr von ihrer Qualität überzeugt sein, wenn sie sich ihres Geheimnisses derart begibt. Oder ist der Trick noch größer? Hat dieser Francis Underwood gar nicht alle Zügel in der Hand, spielt einer ein noch größeres Spiel? Spannung kommt auf.

Die Beobachtung der Innenseite der Macht ist an sich schon faszinierend, was die Sogkraft von „House of Cards“ nachdrücklich befördert, das ist die Produktionsqualität. Die Darstellung beispielsweise eines Inaugurationsballes kann im Sparmodus erfolgen, hier gibt es den großen Wurf, die Größe des Ereignisses bekommt ihre Opulenz. Die Arbeit auch von David Fincher („The Social Network“) , der die ersten beiden Folgen der ersten Staffel inszenierte. Das ist zum Genießen freigegeben.

Kevin Spacey hat eine sagenhafte Rolle aufgeschrieben bekommen, und er hat die schauspielerische Kapazität für deren Tiefe und Dynamik, für den leisen Mörder. Ist er Macbeth, der Verbrecher als ein Held, oder ist er der Held als Verbrecher? Sicher ist, dass Ehefrau Claire Lady Macbeth ist.
„House of Cards“, Sat.1, Sonntag, 23 Uhr 15

Joachim Huber

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