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Fernseher zeigen das Konterfei von Präsident Wladimir Putin.
© AFP/ALEXANDER NEMENOV
Update

Medien unter Putin: Russische Journalisten klagen über Einschüchterung

Morddrohungen, Angst, Verunsicherung: Vor der Fußball-WM in Russland berichtet die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen von massivem Druck.

Die Meldung am Dienstag war eine Finte. Der angeblich in Kiew ermordete russische Journalist Arkadi Babtschenko lebt. Der 41-Jährige erschien am Mittwoch auf einer Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes. Der angebliche Mord sei eine über Monate vorbereitete Aktion gewesen, um Anschlagspläne des russischen Geheimdienstes zu enttarnen.

Ebenfalls am Dienstag hatte die Organisation Reporter ohne Grenzen in Berlin über die Arbeitsbedingungen von Journalisten in Russland aus Anlass des bevorstehenden Fußball-Turniers informiert. Es ist ein Klima der Angst und Verunsicherung, von dem die Russland-Expertin von Reporter ohne Grenzen, Ulrike Gruska, berichtete – und anders als die Nachricht von Babtschenkos Tod ohne jede Zweideutigkeit.

Zwar gebe es durchaus kritische Medien in Russland, wenn auch wenige. Doch sie dienten vor allem als Feigenblatt für einen äußerst restriktiven Umgang mit der Meinungs- und Pressefreiheit. Sobald kritischen Stimmen zu viel Aufmerksamkeit auf sich zögen, werde ihnen die Arbeitsgrundlage entzogen.

Der Fall Igor Rudnikov

So erging es auch Igor Rudnikov. Als der Gründer einer unabhängigen Zeitung in Kaliningrad zu lautstark auf Aufklärung zweier gegen ihn gerichtete Mordversuche drängte – er hatte über Korruption und Veruntreuung von Staatsgeldern berichtet – kam er selbst in Untersuchungshaft, berichtete Olga Petrowa. Die Journalistin hat zwanzig Jahre für die Agentur Reuters gearbeitet, zuletzt als Fernsehchefin in Moskau. Sie hat über alle wichtigen politischen Ereignisse in dem Land berichtet, aber auch von den Olympischen Spielen in Sotschi und vom Confed Cup im vergangenen Jahr.

Ulrike Gruska von Reporter ohne Grenzen und die Journalistin Olga Petrowa berichten vor Beginn der Fußball-WM über die Arbeitsbedingungen von Medienvertretern in Russland.
Ulrike Gruska von Reporter ohne Grenzen und die Fernsehjournalistin Olga Petrowa berichten vor Beginn der Fußball-WM über die Arbeitsbedingungen von Medienvertretern in Russland.
© Kurt Sagatz

Es ist ein perfides System der Einschüchterung. So werden nicht etwa die Korrespondenten ausländischer Medien direkt angerufen, wenn staatliche Stellen mit der Berichterstattung unzufrieden sind. Vielmehr werden die lokalen Mitarbeiter, die so genannten Stringer, unter Druck gesetzt, um zu verhindern, dass sich die missliebige Berichterstattung wiederholt.

Inländische Medien ruhig gestellt

Die inländischen Medien waren unter der Ägide von Wladimir Putin seit dem Jahr 2000 stufenweise ruhig gestellt worden. Zunächst traf es das staatliche Fernsehen, später die Zeitungen. Seit den massiven Protesten im Jahr 2012 gegen Putin wurde die Meinungsfreiheit auch im Internet zunehmend eingeschränkt.

Dazu wurde eine Vielzahl von Gesetzen verschärft oder erlassen, darunter unter anderem das Verbot der Beleidigung religiöser Werte, von „homosexueller Propaganda“ und von Schimpfworten. Blogger, deren Seite von mehr als 3000 Menschen täglich gelesen werden, müssen bei der Medienaufsicht Roskomnadsor registriert sein. Webseiten können ohne Gerichtsbeschluss blockiert werden.

Der Beteiligung ausländischer Verlage sind enge Grenzen gesetzt. Medien, die im Ausland ihre Sitz haben oder aus dem Ausland finanziert werden, müssen sich als ausländische Agenten registrieren lassen. Russland steht im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf dem 148 von insgesamt 180 Staaten.

Sportjournalisten werden bei der Fußball-Weltmeisterschaften dennoch optimale Arbeitsbedingungen vorfinden, auch für bunte Geschichten am Rande wird gesorgt werden, da ist sich Olga Petrowa nach ihren Erfahrungen beim Confed Cup sicher. Darüber hinaus werde es jedoch schwierig, Gesprächspartner zu finden. Selbst Russen, die Putin kritisch gegenüber stünden, seien stolz auf ihr Land und wollen, dass es positiv gesehen wird.

Druckmittel Arbeitserlaubnis

Ein Druckmittel für Journalisten sind die Arbeitserlaubnisse. Das wurde auch beim ARD-Dopingexperten Hajo Seppelt versucht, der mehrfach über Staatsdoping in Russland recherchiert hatte. Nach Druck durch Fifa und Bundesregierung wurde ihm zwar ein Visum in Aussicht gestellt, allerdings verbunden mit einer Vorladung vor eine Art Untersuchungsgericht. Noch ist nicht sicher, ob Seppelt unter den Bedingungen nach Russland reist. Eine andere Frage ist, ob er und andere kritische Journalisten nach der WM noch jemals aus Russland werden berichten dürfen, wenn die Welt wieder weniger auf das Land blickt. Kurt Sagatz

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