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Auch nur ein Mensch des Jahres 2013: Moderator Markus Lanz.
© dpa

Jahresrückblick im ZDF: Ruhe in Frieden

Es sollte ein dreistündiges Feuerwerk von Stars, Geschichten, Katastrophen und emotionalen Höhepunkten werden. Es kam - etwas anders.

Zwar ist Dortmund am Boden, aber Bayern obenauf, hat das Triple geholt, und Bastian Schweinsteiger ist Fußballer des Jahres. Irgendwann wird die Kanzlerin eingeblendet, wie sie sagt: "Deutschland gewinnt, und das ist toll". Markus Lanz beginnt die Moderation des Jahresrückblicks in Feststimmung. Man wagt sich sogar ins nächste Jahr vor bis zur WM 2014. Jetzt sind die ersten Begegnungen ausgelost worden, und da steckt Deutschland in einer "Hammer-Gruppe", wie Paul Breitner sagt, aber er fügt hinzu, dass man das immer sagt, auch wenn die Fidschi-Inseln der Gegner sind. "Wir glauben an Euch", sagt Lanz und "Lasst Euch feiern."

Mit seinen Fußballfreunden hat sich Lanz auf dem Sofa erkennbar wohl gefühlt. Auch mit den Film-Fuzzis dürfte es ihm Spaß gemacht. Til Schweiger gehört nämlich ebenfalls zu den Menschen 2013. Auf Lanz' Frage, was er denn so im abgelaufenen Jahr gemacht habe, antwortete Schweiger: "Gar nichts." Immerhin wird er demnächst fünfzig. Helene Fischer, die neben ihm sitzt, hat mehr zu bieten: Sie hat open-air vor 40.000 Leuten gesungen. Sie singt auch in der Show, sehr schön, ganz in Rot mit Glitzer. Von Schweiger aber erfahren wir, dass sie ein weißes Kleid hat, das noch toller ist. Wie auch immer, sie ist ein Mensch 2013.

"Was war das für ein Gefühl...?"

Die Crux aller Jahresrückblicke ist ja die Disparität der Dinge, die da als Sensationen und Katastrophen und Charaktere ein Jahr geprägt haben sollen - denn was hat das pakistanische Erdbeben mit der Hammer-Gruppe zu tun, und was Bastian Schweinsteiger mit dem neuen Papst? Wenn man genau draufschaut, findet man wahrscheinlich sogar heraus, dass Til Schweiger nicht mal was mit Helene Frischer zu tun hat. Was alle eint, ist das Jahr 2013, und das ist eine sehr formale Kategorie. Aufgabe des Moderators ist es, diese Beliebigkeit vergessen zu machen, indem er mit möglichst viel Charme durch das Sammelsurium von Begebenheiten hindurch stapft und seinen Gästen das Gefühl gibt, ein bisschen Geschichte gemacht zu haben. Markus Lanz bemüht sich darum wirklich. Aber letztlich behandelt er die Gäste alle gleich, er fragt jedes Mal: "Was war das für ein Gefühl, als Sie..." und setzt dabei seine professionelle Neugier-Attitüde ein, die sich mittlerweile arg abgenutzt hat und hinter der man den Überdruss spürt. Die Feststimmung zersetzte sich nach und nach. Die meisten Events kannte man eh aus der Zeitung. Aber es gab auch ein paar Überraschungen.

Da stand zum Beispiel Ellie Cole an einer Bus-Haltestelle irgendwo in England und tanzte  zur Musik aus ihren Kopfhörern, und eine Bedienung aus dem nahen Café filmte den Auftritt und stellte das Ergebnis ins Netz. Zwei Millionen Klicks. Und jetzt sitzt doch wirklich die dicke Tanzmaus hier auf dem Sofa, und gleich wird sie sagen, wie sie sich gefühlt hat, als sie... Eine andere Netz-Beute war ein Papa, der seine dreijährige Tochter filmte, wie sie vom Rücksitz aus auf ihn geschimpft hat, weil sie glaubte, er habe das Auto gestohlen, dabei ist es ein Car-Sharing-Wagen. Ziemlich putzig. Eine Million Klicks. Auch diese kleine Moralwächterin ist mit Papa in die Bavaria-Halle gekommen und wird gefeiert und bekommt was geschenkt. Menschen 2013? Ja, aber es bleibt ein fader Geschmack, weil der Reiz dieser Fundstücke in ihrer Netzabrufbarkeit liegt und man die Zufälligkeit und Beiläufigkeit und den Witz zerstört, wenn man die wirklichen Menschen auf ein Show-Sofa pflanzt und hofiert.

Pausen für den Maître de Plaisir

Was einem ja immer Achtung abnötigt, ist, dass so ein Moderator, der über drei Stunden ein Feuerwerk abbrennen muss, all die Namen und Begebenheiten und Hintergründe und dann auch noch die Reihenfolge usw. im Kopf behalten muss. Aber das war hier nicht gar so schwer, weil die vielen Einspieler ja Pausen schaffen, in denen der Maitre de Plaisir sich neu ordnen kann. Zuweilen hatte man den Eindruck, dass dieser Rückblick einiges von der "Heute-Show" zu lernen sich bemüht hat, bei der er sich auch bediente. Die Art, wie über Sotschi als Ort für die Olympischen Winterspiele gelästert wurde, kam einem bekannt vor. Und die "Zehn goldenen Regeln für den Parlamentarismus" hatten eine "Heute-Show"-Anmutung, ohne komisch zu sein. Überhaupt kamen arg viele ZDF-Sympathieträger in Einspielern zum Zuge, das Ganze litt unter einer Schlagseite in Richtung Eigenwerbung. Findet man es okay, dass eine mutige Paulina Hoppe, die einem Schläger in den Arm fiel und dafür schon  den XY-Preis für Zivilcourage erhalten hat, hier nun noch mal von Rudi Cerne vorgestellt wurde?

Aber gut, das machen alle Sender, dass sie ihre eigenen Programme mit zu den herausragenden Ereignissen eines Jahres rechnen. Das ist womöglich weniger Eigenwerbung als Eigenliebe, ohne die man eine solche im Grunde ganz und gar überflüssige Sendung gar nicht machen kann.

Nach Informationen von Spiegel online sollen zur Aufzeichnung der Sendung sogar extra vier frischgewählte Bundestagsabgeordnete - Johannes Steiniger, CDU, Mahmut Özdemir, SPD, Susanna Karawanskij, Linke, Luise Amtsberg, Grüne - eingeladen worden sein. Mit den Bundestagsfrischlingen war ein Quiz und ein ausführlicher Talk geplant. Am Ende sei beides komplett aus der Sendung gefallen.

Da gab es kein Interesse für Politik, die Künste, die weite Welt, stattdessen war man darauf versessen, Schnurrpfeifereien wie die tänzelnde Busstop-Lady oder einen Taxi-Fahrer, der 250.000 in seinem Wagen vergessene Euros zurückgibt, unterzubringen. Nebenbei kamen natürlich noch das Hochwasser und Heino und der NSU-Prozess vor, auch die Formel 1 und die Toten des Jahres - von Paul Kuhn bis Otto Sander. Mögen sie in Frieden ruhen. Das möchte man diesem Showtypus nun auch gerne wünschen.

Vielleicht wird's dann auch besser mit der Quote. Viel geholfen hat das nicht. Nachdem Günther Jauch in der vorigen Woche mit seiner RTL-Sendung im Schnitt von 4,49 Millionen Zuschauern gesehen wurde und damit die niedrigste Reichweite seit dem Start des RTL-Rückblicks hinnehmen musste, lag Markus Lanz am Sonntag mit 4,48 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 14,5 Prozent auf ähnlich niedrigem Niveau.

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