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Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt.
© imago images/Jörg Schüler

Ex-„Bild“-Chefredakteur weist Vorwürfe von sich: Reichelt wähnt sich als Opfer eines „Vernichtungsfeldzugs“

Fast zwei Monate schwieg Julian Reichelt zu seinem Aus bei „Bild“. Bis jetzt. In einem Interview zeigt er keine Reue – und teilt gegen mehrere Seiten aus.

Der nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs gefeuerte „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt bestreitet, den Vorstand seines Arbeitgebers Axel Springer belogen zu haben. Im Gespräch mit der „Zeit“ äußerte der 41-Jährige an mehreren Stellen zudem seine Enttäuschung über den Chef des Axel-Springer-Konzerns Mathias Döpfner und sprach über seine beruflichen Pläne.

„Ich habe dem Vorstand nicht die Unwahrheit gesagt“, sagte Reichelt. Umso enttäuschter sei er gewesen, als er im Urlaub auf Sylt von Döpfner angerufen und von seiner Beurlaubung unterrichtet wurde: „Nach zwanzig Jahren loyaler Arbeit, zehn davon in Kriegsgebieten, wurde ich in zwanzig Minuten am Telefon entsorgt.“

Im Frühjahr hatte der Verlag Axel Springer ein internes Verfahren gegen Reichelt angestoßen. Nach Springer-Angaben standen im Kern der Untersuchung die Vorwürfe des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen sowie Drogenkonsum am Arbeitsplatz. Der „Spiegel“ hatte berichtet, dass rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen dem Medienhaus Vorfälle aus den vergangenen Jahren angezeigt hätten.

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Im Oktober hatte die US-Zeitung „New York Times“ einen Bericht über Reichelt und den Konzern veröffentlicht, zudem hatte ein Investigativ-Team bei der Ippen Mediengruppe monatelang recherchiert. Infolge dessen gab der Springer-Konzern am 18. Oktober die Trennung von Reichelt bekannt. Zur Begründung hieß es, dass dieser nach Abschluss eines Compliance-Verfahrens Privates und Berufliches weiterhin nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe.

Reichelt, der über mehrere Jahre an der Spitze von Deutschlands größtem Boulevardblatt stand, beteuerte nun im Gespräch mit der „Zeit“, dass er den Springer-Konzern nicht belogen habe. Auch habe er nichts zu verbergen.

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„Es hat in meinem Leben nie etwas gegeben, was mit den genannten Fällen auch nur im Ansatz zu tun hatte“, sagte er in seinem ersten Interview nach dem Ende seiner Karriere beim Springer-Konzern. Ihm sei nie eine Aussage präsentiert worden, in der ihm „Machtmissbrauch“ vorgeworfen wurde.

„Unterm Strich wegen meiner Beziehung rausgeworfen“

Zu dem Vorwurf, er habe eine junge Kollegin, mit der er eine Affäre hatte, ohne ausreichende Qualifikation befördert, sagte Reichelt: „Ich habe immer bewusst überfordert.“ „Verantwortungsvolle Überforderung“ sei nichts Schlimmes. „Sie führt dazu, dass Menschen über das hinauswachsen, was sie sich selbst zutrauen“, sagte er.

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Zugleich lehnte Reichelt es ab, in dem Interview über sein Privatleben zu sprechen, räumte aber eine Beziehung zu einer ehemaligen Mitarbeiterin ein: „Man hat mich unterm Strich wegen meiner Beziehung rausgeworfen. Dafür, dass ich einen Menschen liebe. So etwas sollte es nicht geben. Aber es ändert rein gar nichts an unserem Glück.“

Über Döpfner sagte Reichelt: „Es hat mich sehr überrascht, wie überrascht er gewesen sein will.“ Ein Springer-Sprecher teilte auf dpa-Anfrage mit: „Wir haben unserer bisherigen Darstellung nichts hinzuzufügen.“

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Die Berichterstattung anderer Medien über ihn bezeichnete Reichelt als „einen Vernichtungsfeldzug gegen einen Journalisten“. „Große Teile der Berliner Blase aus Politikern und Redakteuren haben sich von diesem Land unendlich weit entfernt, und ich war unter diesen Leuten schon immer verhasst“, sagte er. Als eine der treibenden Kräfte nannte Reichelt das Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Den ARD-„Tagesthemen“ warf er vor, sich „für seinen öffentlich-rechtlich-kritischen Kurs gerächt“ zu haben.

„‚Bild‘ war Julian Reichelt“

Zudem sprach Reichelt über seine zuvor innige Beziehung zur „Bild“-Zeitung. „Nicht Julian Reichelt ist ‚Bild‘, sondern: ‚Bild‘ war Julian Reichelt. Was diese Marke dargestellt hat, basierte auf meiner Arbeit, meinen Gedanken“, sagte er.

Über seine berufliche Zukunft sagte Reichelt, er wolle auf jeden Fall weiter als Journalist arbeiten. Zugleich räumte er ein, es sei schwieriger geworden, „klar Stellung gegen gewisse Stimmungen zu beziehen“.

„Wenn es keinen passenden gibt, hat man in einem freien Land ja die Möglichkeit, sich diesen Job selber zu schaffen.“ PR wolle er nicht machen, „sondern Journalismus für die Massen. Ich liebe es, Millionen Menschen eine starke Stimme zu geben“, ergänzte der Ex-„Bild“-Chefredakteur. (dpa, epd)

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