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Objekt der Begierde: die Champions League.
© AFP

Illegales Streaming: Privatsenderverband kritisiert Zurückhaltung der Bundesregierung in Sachen Fernsehpiraterie

Der wirtschaftliche Schaden durch Fernsehpiraterie liegt bei mehreren hundert Millionen Euro. Konkrete Maßnahmen dagegen sind aber offenbar nicht geplant.

Dienstag und Mittwoch ist Fußball-Champions-League, die Versuchung wieder groß. Wer sich heute Bayern München (gegen AEK Athen) oder TSG Hoffenbeim (bei Lyon) live anschauen will, muss zahlender Kunde von Sky oder Dazn sein - oder er sucht illegale Streamingplattformen. Dort macht er sich allerdings strafbar, gemäß einem Urteil des Europäische Gerichtshofs aus 2017.

Irgendwie scheint dieses Urteil nicht richtig gefruchtet zu haben. Einzelne Urteile gegen Betreiber dieser Streams gibt es immer wieder. Das nicht legale Konsumieren von Top-Fußball, Serien, Filmen ist aber weiterhin ein großes wirtschaftliches Problem. Darauf - und vor allem auf die Zurückhaltung der Bundesregierung in dieser Frage - weist in diesen Tagen auch wieder der Privatsenderverband Vaunet hin, der ein wissenschaftliches Gutachten von Goldmedia in Auftrag gegeben hatte.

Demnach nutzen 1,9 Millionen Personen in Deutschland regelmäßig illegale Live-TV-Signale von Pay- und Free-TV-Anbietern. Zu den meistgenutzten illegalen linearen TV-Inhalten gehören Sport wie eben die Champions League oder Bundesliga, fiktionale Inhalte und Dokumentationen. Den Medienunternehmen entgehen damit laut Vaunet Einnahmen von mehr als 430 Millionen Euro pro Jahr. Insgesamt, inklusive der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, lege der Umsatzschaden bei rund 700 Millionen Euro.

Zu diesem Themenkomplex hat die FDP-Bundestagsfraktion eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die nun beantwortet wurde. Nicht unbedingt im Sinne der Sky, Amazon, Netflix, Dazn & Co. Zusammengefasst lässt sich sagen: In Deutschland ist mit einem großen Aufschlag gegen Fernsehpiraterie vorerst nicht zu rechnen. Konkrete Maßnahmen aus Großbritannien (dort sind Sperrverfügungen gegen Access-Provider durchgesetzt worden) wolle die Regierung nicht bewerten. Grundsätzlich gehe man von einer "steigenden wirtschaftlichen Bedeutung von Streaming- und Download-Angeboten".

Darüber hinaus verweist die Bundesregierung auf die bestehenden Möglichkeiten für Strafverfolgungsbehörden und Landesmedienanstalten, Verfahren gegen Betreiber illegaler Dienste einzuleiten. Sender und Rechteinhaber müssen sich also größtenteils selbst um die Durchsetzung ihrer Rechte kümmern. So zum Beispiel bei Sky, wo eine eigene Abteilung gegen illegale Streams kämpft. „Wir treffen vielfältige eigene Maßnahmen zum Schutz unserer Inhalte. Unter anderem unterstützen wir, gemeinsam mit anderen Rechteinhabern, die Behörden darin, die Machenschaften der Täter aufzuklären.", sagt Benjamin Lotz, Director Anti-Piracy bei Sky Deutschland, dem Tagesspiegel. 

Der Inhalteanbieter als "Herr seines Signals"

Das geht dem Privatsenderverband nicht weit genug. „Man kann es nicht oft genug betonen: Im Kampf gegen die illegale Nutzung von Content gibt es nicht die eine ‚silver bullet‘. Die Gegenmaßnahmen müssen ebenso differenziert ausfallen, wie die Erscheinungsformen der Piraterie", sagt Harald Flemming, Geschäftsführer des Vaunet dem Tagesspiegel. "Daher begrüßen wir ausdrücklich, dass sich die FDP mit ihrer kleinen Anfrage auch dem Thema der Live-TV-Piraterie und insbesondere dem Phänomen der Kodi-Boxen angenommen hat."

Leider ließen, so Flemming weiter, die Antworten der Bundesregierung wenig konkretes Handeln in naher Zukunft erwarten. Dabei sei Handeln zum Schutz von Programminvestitionen und Medienvielfalt geboten, wie die Fernsehpiraterie-Studie belegt. Umso wichtiger sei es, dass aktuelle Prozesse wie die Diskussion zum Medienstaatsvertrag auf Länderebene genutzt werden, um den Schutz von Live-Signalen auch im Rundfunkrecht zu stärken.

"Die Länder folgen also richtigerweise dem Gedanken, dass der Inhalteanbieter der ,Herr seines Signals' ist und nicht etwa die Plattform, die diese Inhalte weiterverbreitet." Leider sei in diesem Entwurf aber die vollständige Missachtung dieser Signalintegrität, also der Fall einer illegalen Weiterverbreitung des gesamten Programms und damit der größtmögliche Eingriff in die Hoheit des Inhalteanbieters, nicht adressiert. Hier müsse nachgebessert werden. "Der allfällige Verweis auf die Bundesebene hilft da nur wenig, da die Hebel des Urheberrechts für eine effektive und das heißt vor allem schnelle Unterbindung illegaler Weiterverbreitung nicht ausreichen."

Jedenfalls sollte die Bekämpfung der illegalen Nutzung von Inhalten nicht an Fragen der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern scheitern. Dies zumal Fernsehpiraterie nicht nur kommerzielle Interessen tangiere, sondern auch regelmäßig auch den Jugendschutz, der auf illegalen Streamingboxen nicht gewährleistet sei.

Bis alle diese Punkte geklärt sind, dürfte noch die eine oder andere Champions-League-Partie gespielt werden.

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