Zweiter Rundfunkbeitrag durch DVB-T2: Privatsender kosten mindestens 69 Euro pro Jahr
Ab Juli 2017 kostet das digitale Antennenfernsehen erstmals Geld: Wer Privat-TV sehen will, muss 69 Euro im Jahr bezahlen - für jedes Endgerät. Die SPD hat kein Problem damit.
Bislang galt das digitale Antennenfernsehen DVB-T als kostengünstige Alternative zu den Empfangswegen Kabel und Satellit. Damit wird am 1. Juli 2017 Schluss sein. Von diesem Termin an wird jedenfalls der Empfang von Privatsendern über DVB-T2 69 Euro pro Jahr kosten. Für jedes Endgerät, wie Media Broadcast als technischer Dienstleiter dem Tagesspiegel bestätigte.
Das Angebot unter dem Namen Freenet TV umfasst - je nach Region - bis zu 20 Privatsender wie RTL, Sat.1, ProSieben oder Kabel eins, die in HD- und Full-HD-Auflösung ausgestrahlt werden. Zum Entschlüsseln des TV-Signals ist ein geeignetes DVB-T2-HD-Empfangsgerät mit dem Freenet-TV-Logo nötig, Fernseher mit eingebautem DVB-T2-Empfänger können per CI+-Steckkarte nachgerüstet werden. Jedes Endgerät verfügt über eine eigene Seriennummer, die an die Freenet-TV-Karte fest gebunden ist, begründete Media Broadcast die Notwendigkeit, dass für jeden DVB-T2-Empfänger eine eigene Gebühr gezahlt werden muss. Insgesamt soll Freenet TV laut Verbreiter Mediabroadcast rund 80 Prozent der Haushalte in Deutschland erreichen.
Bei Kabel und Satellit weiterhin eine SD-Variante
DVB-T2 HD wird bereits seit Ende Mai in vielen deutschen Ballungsräumen wie in Berlin und in Potsdam probeweise ausgestrahlt. Aktuell sind sechs Kanäle verfügbar. Der Regelbetrieb soll am 29. März 2017 beginnen, dann wird auch das alte DVB-T abgeschaltet. Bis zum 1. Juli 2017 werden die Privatsender kostenlos ausgestrahlt. Die öffentlich-rechtlichen Sender können auch danach ohne weitere Kosten empfangen werden. Ihre Ausstrahlung wird über den Rundfunkbeitrag finanziert.
Seit der Umstellung der Rundfunkgebühr auf die Haushaltsabgabe wird pro Haushalt nur noch eine einmaliger Beitrag fällig, das gilt auch für Wohngemeinschaften oder Familien, in denen Kinder mit eigenem Einkommen leben. Ein Haushalt mit drei DVB-T2-Empfängern muss die Freenet-TV-Gebühr jedoch dreimal zahlen, wenn auf allen Geräten das HD-Programm der Privatsender angeschaut werden soll.
Anders als beim Kabel- und beim Satelliten-Empfang wird mit dem Solo-Betrieb von DVB-T2 die Wahlmöglichkeit abgeschafft: Bei Kabel und Satellit wird auch eine SD-Ausstrahlung angeboten, die HD-Variante muss extra bezahlt. Von den über 18 Millionen Satelliten-Haushalten nutzten zum Jahreswechsel 2015/2016 rund drei Millionen HD+, 1,1 Millionen davon befanden sich allerdings in der kostenlosen Testphase. Freenet-TV liegt mit 69 Euro auch über dem Jahrespreis von 60 Euro, den HD+ via Satellit verlangt. Eine Vertragsbindung geht man bei Freenet TV nicht ein, die Aufladung soll "so einfach wie bei einem Prepaid-Telefon" sein, teilte Media Broadcast mit.
SPD: "hochqualitative Rundfunkversorgung für alle gewährleistet"
Martin Dörmann, der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion lobt die technischen Möglichkeiten von DVB-T2, weist aber auch auf die damit einhergehenden Zusatzkosten für die Sender hin. „Die Finanzierung bei den privaten Anbietern ist deren unternehmerische Entscheidung. Hier wird das Kundenverhalten zeigen, ob eine solche Gebühr angemessen ist. Allerdings wird auch heute schon bei Kabel oder Satellit eine ähnlich hohe „HD-Gebühr“ fällig, so dass es aus Anbietersicht nachvollziehbar ist, hochwertige Übertragung auch im terrestrischen Bereich mit Gebühren zu belegen.“ Da zudem die öffentlich-rechtlichen Sender ohne Zusatzkosten zu empfangen seien, „ist eine hochqualitative Rundfunkversorgung für alle gewährleistet“, so der SPD-Politiker.
Tabea Rößner von der Bundestagsfraktion der Grünen ist anderer Meinung: „Man kann niemandem erklären, dass er für werbefinanziertes Fernsehen noch zusätzlich zahlen soll“, sagte sie dem Tagesspiegel und befürchtet, dass damit DVB-T2 endgültig zum Scheitern verurteilt werde. „Diejenigen, die es sich leisten können, werden damit zu Kabel oder Antenne wechseln, die sozial Schwachen bleiben auf der Strecke.“ Wichtig sei allerdings auch bei DVB-T2, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterhin kostenfrei zu empfangen bleibe.
Diesen Punkt hebt auch Marco Wanderwitz, der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hervor. „Die Einführung einer Empfangsgebühr für ‚Freenet TV‘ ist vorrangig eine privatwirtschaftliche Entscheidung. Wichtig ist, dass die öffentlich-rechtliche Säule unseres dualen Systems auch weiterhin frei empfangbar ist“, meint er.
Linke: ",Free' ist an diesem Paket gar nichts"
Nach Meinung von Harald Petzold, dem Medienpolitiker der Linken-Fraktion im Bundestag, könnte sich die grundsätzliche Entscheidung und die Preishöhe sich für den Anbieter als Bumerang erweisen. „Es kommen zu den 69 Euro Jahrespreis auch noch mindestens 80 Euo für das Entschlüsselungsmodul für die Fernsehgeräte und die Receiver dazu“. Er habe Zweifel, ob sich das auf dem Markt problemlos durchsetzen lässt. „Die Selbstbezeichnung des Anbieters als ,Freenet TV‘ jedenfalls ist natürlich irreführend. ,Free‘ ist an diesem Paket gar nichts“, so der Linken-Politiker.
MABB-Verantwortliche akzeptieren Vorgehen der Privaten
Anja Zimmer, die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), sagte dem Tagesspiegel: "Wenn DVB-T bis Ende 2019 sukzessive abgeschaltet wird, ist das von der MABB unterstützte ,Überallfernsehen' leider Geschichte." Trotzdem sei dieser Schritt wichtig. Denn die Umstellung auf HD sei unvermeidbar. "Sie wurde von Zuschauern und Programmanbietern gleichermaßen gefordert. Leider geht das nicht ohne Aufwand und Kosten." Denn neue Standards bräuchten neue Technik. Und auch, wenn die Verbreitungskosten sinken würden und die Finanzierung für öffentliche wie private Sender einfacher werde, so seien die Kosten für die privaten Programmanbieter immer noch hoch. "Sie haben daher eine andere Finanzierung gefordert. Wir müssen sehen, wie dieses Modell angenommen wird", sagte Zimmer. Ihr Vorgänger Hans Hege als MABB-Direktor sagte, "das Medienrecht verpflichtet private Veranstalter nicht, ihre Programme auch über Antenne zu verbreiten." Wegen der geringen Reichweite sei es der teuerste Übertragungsweg. Die Privaten seien nur noch bereit gewesen, dabei zu bleiben, wenn sie Geld vom Zuschauer bekommen statt für die Übertragung zu bezahlen. Hege hält es für legitim, "über die Terrestrik den Versuch eines ,Kabel light' mit weniger Programmen zu geringeren kosten zu unternehmen, statt vom vorneherein darauf zu verzichten.
Das digitale Antennenfernsehen steht in Berlin-Brandenburg unverändert in hohem Ansehen. Nach dem Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten 2015 nutzen 15,7 Prozent der Haushalte in der Region die Terrestrik, 2013 lag der Wert bei 18,6 Prozent. Damals wurden die Werte für beide Länder zudem noch getrennt ausgewiesen: Demnach nutzten 2013 24,5 Prozent der Berliner Haushalte das digitale Antennenfernsehen, in Brandenburg waren es 9,8 Prozent.
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