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Die „Bild" hatte Christian Drosten damals nur eine Stunde eingeräumt, um zur Studie Stellung zu nehmen.
© Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Schwere Verstöße gegen Sorgfaltspflicht: Presserat rügt „Bild“ für Artikel über Drosten-Studie

„Bild“ hatte die Corona-Kinder-Studie des Virologen Drosten im Frühjahr als „grob falsch“ bezeichnet. Es ist nicht die einzige „Bild“-Rüge des Presserates.

Der Deutsche Presserat hat der „Bild-Zeitung“ eine Rüge wegen eines Artikels über eine Studie des Virologen Christian Drosten ausgestellt.

In dem Artikel mit dem Titel „Fragwürdige Methoden: Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch“ gebe es mehrere „schwere Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht“, heißt es in einer Mitteilung des Presserates, der die Freiwillige Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien in Deutschland ist.

Eine Forschergruppe um den Berliner Virologen kam Ende April zu dem Schluss, dass Kinder genauso ansteckend sein könnten wie Erwachsene. Die „Bild“ veröffentlichte zu der Studie den oben genannten Artikel.

Die Zeitung gab Drosten damals nur eine Stunde Zeit, um auf die Vorwürfe zu reagieren.

Der Virologe hatte die entsprechende Mail daraufhin auf Twitter öffentlich gemacht und dem Blatt „tendenziöse Berichterstattung“ vorgeworfen.

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Der Presserat findet nun, die Formulierung „grob falsch“ sei durch die in dem Artikel zu Wort kommenden Experten nicht gedeckt. Außerdem sei nicht erwähnt, dass es sich um eine Vor-Veröffentlichung handele, die nämlich hätte deutlich gemacht, dass die Ergebnisse noch nicht von Experten überprüft worden seien.

Die „Bild-Redaktion habe darüber hinaus unsauber aus dem englischen Original zitiert und behauptet, Kinder „können“ so ansteckend sein wie Erwachsene. Das sei im Englischen aber vager mit „könnten“ formuliert worden. Die Frist von einer Stunde, die die Redaktion dem Virologen zur Stellungnahme eingeräumt hatte, sei zu kurz gewesen. Der Artikel unterstelle Drosten außerdem, er habe Tatsachen vorenthalten.

Insgesamt fünf Rügen für "Bild"

Gegen den Opferschutz hat „Bild“ gleich mehrfach verstoßen. In einem Text zeigte das Blatt das unverpixelte Foto eines Vergewaltigungsopfers kurz nach seinem Auffinden durch die Polizei. In einem anderen Fall – es ging um den Text „Junge Mutter in Leipzig getötet“ – wurde das Facebook-Foto eines Mordopfers veröffentlicht. Eine Einwilligung der Familie lag nicht vor.

Die Berichterstattung beim Beitrag „Kinder-Psychologin und Ehemann von Sohn erschossen“ kombiniert einen Verstoß gegen den Opferschutz und eine – überdies falsche – Vorverurteilung. In dem Beitrag wird ein getötetes Ehepaar identifizierbar abgebildet und deren ebenfalls getöteten Sohn gezeigt und als Täter bezeichnet. Der Sohn war jedoch kein Täter, sondern ein Opfer, wie sich kurz danach herausstellte.

Die fünfte Rüge kassierte „Bild“ für ein Fahndungsvideo der New Yorker Polizei, das eine Tötungsszene wiederholt gezeigt wird. Weil der Fahndungsaufruf für die deutsche Öffentlichkeit keine Bedeutung habe, stelle die Veröffentlichung dieses Videos eine unangemessene Darstellung von Brutalität und Leid dar und bediene damit das reine Sensationsinteresse.

Clickbaiting auch bei anderen Medien

Den Clickbaiting-Vorwurf müssen sich aber auch andere Publikationen gefallen lassen. DerWesten.de hatte unter anderem den Eindruck erweckt, beim Sänger Michael Wendler stehe eine Trennung von dessen Partnerin bevor. In einer Überschrift wurden Details zum Gesundheitszustand von Michael Schumacher angekündigt, die dann im dazugehörigen Artikel fehlten.

Die „Sächsische Zeitung“ wurde gerügt, weil sie mit dem Artikel „Mit Mundspray gegen das Virus“ unbegründete Hoffnungen auf Schutz vor Corona gemacht hat. Die Beschreibung der möglichen – positiven – Wirkung des Produktes sei dabei undifferenziert und unkritisch erfolgt, zudem sei durch die Berichterstattung ein Werbeeffekt entstanden.

Gegen die klare Trennung von Anzeigen und redaktionellem Text beziehungsweise wegen Schleichwerbung wurden die Zeitschriften „Petra“ und „Gala“ , das Automagazin „Off Road“ und das Internetangebot Mädchen.de gerügt. Insgesamt sprach der Presserat zwölf Rügen aus.

Der Deutsche Presserat tritt für die Einhaltung ethischer Standards und Verantwortung im Journalismus ein sowie für die Wahrung des Ansehens der Presse. Als Selbstkontrolle verteidigt der Presserat die Pressefreiheit gegen Eingriffe von außen. Insgesamt behandelte der Presserat, der viermal im Jahr tagt, 115 Beschwerden. 61 wuden begründet und 38 als unbegründet erachtet.

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