ZDF-Dokumentation zum Zweiten Weltkrieg: Pflicht und Abbitte
Für eine Doku zum Zweiten Weltkrieg arbeitete das ZDF mit einem polnischen Sender zusammen. Hintergrund: Die Debatte zu "Unsere Mütter, unsere Väter".
Der Einmarsch deutscher Soldaten erschien dem 13-jährigen Andrzej Wajda „wie ein Angriff von Außerirdischen in einem Fantasyfilm“. Eine andere Welt sei damals eingezogen, sagt der polnische Filmregisseur. Wajda und der sieben Jahre jüngere Roman Polanski sind die prominentesten Zeitzeugen in der zweiteiligen ZDF-Dokumentation „Zweiter Weltkrieg“, die sich zum Jahrestag des 1. September 1939 mit dem Kriegsausbruch („Der erste Tag“) und der folgenden deutschen Besatzungszeit in Polen („Das erste Opfer“) beschäftigt. Polanski erlebte als Kind die Bombardierung Warschaus, lebte später mit seiner Familie im Krakauer Ghetto. Seine Mutter wurde in Auschwitz vergast. Wajdas Vater war polnischer Offizier und wurde 1940 als Gefangener in einem sowjetischen Lager erschossen.
In Polen gab es heftige Kritik am ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter"
Das Besondere an diesem Zweiteiler: Das ZDF und der polnische Sender TVP produzierten ihn gemeinsam und strahlen ihn zeitgleich in beiden Ländern aus. Eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg ist bei TV-Dokumentationen nicht unüblich. Doch hier liegt die Annahme nahe, dass zur Vorgeschichte auch der Wirbel um den ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ zählte. Diese im März 2013 gesendete Geschichts-Fiktion hatte dem ZDF in Polen heftige Kritik eingebracht – insbesondere weil die Filme den Anschein erweckten, Antisemitismus sei eher aufseiten der polnischen Heimatarmee zu finden gewesen. Stefan Brauburger, Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, räumt ein, dass die Debatte um den historischen Quoten-Hit ein „zusätzlicher Impuls“ gewesen sei. Das ZDF hat Übung in Fernseh-Diplomatie. Schon in den Neunzigern produzierten die Mainzer „Der verdammte Krieg“ gemeinsam mit einem russischen Sender. Nun fragte man beim öffentlich-rechtlichen TVP in Polen an. Das Drehbuch sei im „Zickzack-Verfahren“ an beiden Standorten entstanden, sagt Brauburger. Die polnische Version ist jeweils 15 Minuten länger, habe aber keine andere inhaltliche Ausrichtung.
Wie zum Beweis tummelt sich im ersten Teil mit Ian Kershaw, Sönke Neitzel, Richard Overy, Bogdan Musial, Jochen Böhler und Pawel Machcewicz gleich ein halbes Dutzend Historiker vor der Kamera. „Der erste Tag“ von Christian Frey ist die Jahrestags-Pflichtübung, die die Vorgeschichte seit dem Münchner Abkommen 1938, die Zuspitzung in den letzten Augusttagen und die Geschichte des ersten Septembers in Danzig erzählt. Neben Wajda und Polanski gibt es weitere Zeitzeugen, deren Geschichten zweifellos interessanter sind, als viele der szenischen Inszenierungen vermuten lassen. Immerhin: Die oft gezeigten Wochenschau-Bilder werden durch unbekannte private Filmaufnahmen ergänzt und flüssig montiert.
Der zweite Film von Peter Hartl („Das erste Opfer“) hat seine eigene Handschrift. Er verzichtet auf Experten-Interviews und vertraut den exemplarisch ausgewählten Lebensgeschichten. Tatsächlich wirkt es so, als leiste das ZDF hier ein bisschen Abbitte für den Eindruck, den „Unsere Mütter, unsere Väter“ in Polen hinterlassen hat. Mit Niklas Frank, einem Täter-Sohn; mit polnischen Zeitzeugen aus gebildetem Haus; mit Deutschen, die sich nicht als Opfer sehen, sondern ihr eigenes Handeln hinterfragen; mit Partisanen, die sich heute um Versöhnung bemühen; mit – von Deutschen – verfolgten Juden. Und mit Gustav Hintz, der als junger Mann seine Heimat verlor, in Polen Zwangsarbeit leisten musste und hier so etwas wie das Schlusswort spricht: „Wir wussten, dass uns recht geschah. Ich war glücklich, dass Deutschland den Krieg verloren hat.“
„Zweiter Weltkrieg: Der erste Tag“, ZDF, 2. September, 20 Uhr 15
„Zweiter Weltkrieg: Das erste Opfer“, ZDF, 9. September, 20 Uhr 15
Thomas Gehringer
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