"Zukunft der Arbeit" beim RBB: Per Roboter durch die „Abendschau“
Der RBB und die Zukunft der Arbeit: Während der ARD-Themenwoche geht ein Android in Berlin und Brandenburg auf Redaktionstour.
„Jetzt übernehme ich hier das Kommando“, sagt Yolandi selbstbewusst im Sendezentrum der RBB-Welle Antenne Brandenburg. Yolandi ist der Name eines 175 Zentimeter großen Roboters, der im Rundfunk Berlin-Brandenburg von Sonntag an eine Woche lang eine große Karriere als Radio- und Fernsehmoderator vor sich hat. Während der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ wird er durch verschiedene RBB-Redaktionen touren. In der „Abendschau“ liest er Nachrichten vor – dabei neigt er seinen Kopf mit dem großen Display auf der Vorderseite, auf dem sich Mund und Augenbrauen bewegen, leicht hin und her. In „Guten Morgen Brandenburg“ informiert er über das Wetter und beim Besuch des „RBB um 4“-Trucks im Zeiss-Planetarium hilft er mit seinem äußerst beweglichen Arm als Beleuchter aus.
Der Einsatz von Yolandi gehört nicht etwa zum Sparprogramm der neuen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, die derzeit das komplette TV-Programm danach abklopft, wo noch Mittel für ein besseres Hauptabendprogramm versteckt sein könnten. Der Sender will mit dem Praxis-Einsatz des Berliner High-Tech-Produkts vielmehr der Frage nachgehen, welche Berufe Roboter eines Tages ausüben können und ob sie dabei Menschen vollständig ersetzen. Oder wo Roboter an ihre Grenzen stoßen. Die richtige Reaktion auf eine solche Situation hat Yolandi schon parat: „Oh, jetzt habe ich aber einen Fehler gemacht. Dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben“, klingt es dann sehr menschlich aus seinem Lautsprecher.
Textroboter und Social Bots
„Wir wollen niemanden erschrecken, aber zeigen, was auf die Gesellschaft zukommen kann“, sagt Hermann Meyerhoff von der für solche Projekte zuständigen RBB-Querschnittsabteilung, die sich auch um die multimediale Vernetzung von Radio, Fernsehen und Online im RBB kümmert. „Noch sind wir meilenweit davon entfernt, dass Roboter Programm machen“, glaubt er. Ein Gespräch kann mit Yolandi nicht geführt werden, er gibt ausschließlich zuvor eingespielte Texte ab. Allerdings hat Kollege Computer in einigen Redaktionen längst einen festen Arbeitsplatz. Textroboter werden eingesetzt, um aus Börsenkursen oder den Ergebnissen unterer Sportligen vollautomatisiert Meldungen zu schreiben. Die AfD will im Bundestagswahlkampf 2017 Social Bots einsetzen, um ihre Parolen unters Volk zu bringen. Weltweit befindet sich die Roboterbranche mit jährlichen Zuwachszahlen von rund 20 Prozent im Aufwind.
Die Idee mit Kollege Roboter für die Themenwoche ist so gut, dass nicht nur der RBB darauf gekommen ist. Auch im ARD-Trailer zur Themenwoche ist ein solcher Android im Nachrichtenstudio von „ARD aktuell“ zusammen mit Jan Hofer zu sehen, jedoch anders als in Berlin rein virtuell. Die Stimme von Yolandi stammt von der Radioreporterin Doris Anselm. Die Reporterin der RBB-Welle Radio Berlin 88,8 ist zumeist mit dem Ü-Wagen unterwegs, beispielsweise wenn wieder einmal ein umgekippter Lastwagen eine Stadtautobahn blockiert. „Yolandi trägt grünen Lidschatten, was ich nie tun würde“, habe sie gedacht, als sie den Roboter das erste Mal gesehen habe, sagt die Reporterin. „Und wo Menschen einen Bauch haben, hat Yolandi ein Loch“, war die zweite Sache, die ihr auffiel. Auch wenn Yolandi nun mit ihrer Stimme spricht, besteht selbst im Radio keine Verwechslungsgefahr. Für Yolandi hat sie die Texte etwas verlangsamt eingesprochen, eben so, wie man sich das bei einem Roboter vorstellt. Vielleicht hat sie auch an Marvin gedacht, jenen streckenweise depressiven Roboter aus „Per Anhalter durch die Galaxis“. Damit der Roboter, der sonst eher seinen Dienst in der Industrie oder im Service verrichtet, beim Wetterbericht für alle Fälle gerüstet ist, musste Anselm ungefähr zehn verschiedene Wetterszenarien durchspielen. „Da kam ich mir selbst wie ein Roboter vor“, erzählt sie.
Das Zwischenmenschliche fehlt
Bis Roboter die Fähigkeiten dafür hätten, einen Moderator oder Reporter zu ersetzen, „das dauert noch wahnsinnig lange, wenn es überhaupt gelingt“, meint auch Anselm. „Schließlich sind wir Journalisten, keine Sprechpuppen.“ Bei der Arbeit eines Reporters zum Beispiel bei einem Interview komme es nicht zuletzt auf Zwischentöne und das Zwischenmenschliche an. Dass ein Roboter die Nachrichten nicht nur während der ARD-Themenwoche vorliest, sei schon eher vorstellbar. Das hänge nicht nur von der technischen Entwicklung ab, vor allem die Akzeptanz des Publikums spiele dabei eine große Rolle. „Ich glaube, dass Menschen lieber Menschen anschauen“, sagt Anselm.
Ob es tatsächlich noch lange dauert, bis sich Kollege Roboter mit seinem Hausausweis tatsächlich zum Dienst meldet, ist allerdings nicht sicher. Matthias Krinke, der Geschäftsführer der Berliner Roboterschmiede Pi4, die in Wedding rund 50 Menschen und fünf Androiden beschäftigt, um Roboter wie Yolandi zu produzieren, will dem RBB nach Ablauf der ARD-Themenwoche jedenfalls ein Angebot unterbreiten. Die Produktreihe stellt Pi4 seit 2010 her, bislang hat die Firma 100 Roboter fabriziert.
Yolandi ist ein Vertreter der vierten Generation und kann durch seine Fähigkeit zur Gesichtserkennung unter anderem am Empfang oder als Wachmann arbeiten. Der Sender müsste sich den Roboter nicht einmal selbst anschaffen, man kann sich Yolandi auch zum Stundenlohn von 16 Euro bei einer dazugehörigen Zeitarbeitsfirma ausleihen. Einfache Arbeiten können innerhalb einer Stunde angelernt werden. Die Zukunft der Arbeit ist vielleicht näher, als sich die Macher der ARD-Themenwoche ausgemalt haben.