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Wollen wir darauf wirklich verzichten? „Der Bergdoktor“ Martin Gruber (Hans Sigl, rechts) heilt Menschen im ZDF durch bloßes Handauflegen.
© ZDF und Erika Hauri

Auftrag und Struktur von ARD, ZDF und Deutschlandradio: Nimm die Axt! Oder gleich die Kettensäge?

CDU, AfD oder Vaunet: Zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mangelt es nicht an Vorschlägen.

So was kommt von so was. Bei der Online-Beteiligung zur geplanten Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland sind mehr als 2600 Eingaben eingegangen. Die große Resonanz zeige, „dass unser Mediensystem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als wesentliche Säule den Menschen nicht gleichgültig ist“, erklärte die Koordinatorin der Rundfunkpolitik der Bundesländer, Heike Raab (SPD).

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Die Auswertung durch die Rundfunkkommission wird dauern. Zu ihren ersten Vorschlägen zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konnten Sender, Verbände, Parteien sowie Unternehmen und Personen aus der Medienwirtschaft ebenso Stellung nehmen wie Bürgerinnen und Bürger.

Auftrag der Öffis

In der ersten Phase der angestrebten Reform geht es um den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Flexibilisierung des Programmangebots und die Fortschreibung des Online-Auftrags. Fragen der Finanzierung sind nicht Gegenstand der jetzigen Vorschläge. Sie sollen in einem zweiten Schritt geklärt werden.

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, insonderheit die CDU-Fraktion, die sich nicht zuletzt seit der gescheiterten Blockade der Erhöhung des Rundfunkbeitrages als das gallische Dorf in Rundfunk-Deutschland versteht, hat in diesem Kontext für Wirbel und Verwirrung gesorgt. „Wir unterstützen den Vorschlag von Staatsminister (Rainer) Robra, langfristig den Sender ,Das Erste‘ als eigenständigen Kanal abzuschaffen“, zitierte die „Mitteldeutsche Zeitung“ (Dienstag) den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Markus Kurze. Er sagte der Zeitung demnach: „Als nationaler Sender bliebe das ZDF übrig.“ Die Schließung des Ersten sei eine langfristige Vision. „Wir wissen, dass wir das politisch derzeit nicht umsetzen können. Aber das ist unser Fernziel.“

Keine Abschaltung des Ersten

Die CDU-Fraktion teilte dagegen mit, dass auf ihrer Klausurtagung nicht beschlossen worden sei, das ARD-Hauptprogramm abzuschalten. Von einer „jetzigen Abschaltung des Ersten“ sei niemals die Rede gewesen, sie sei auch nicht beschlossen worden. „Kern des Vorschlages war es, dass das Erste als Schaufenster der Regionen und das ZDF als bundesweiter Sender dient.“ Kurze sagte schließlich, seine Wortwahl sei unglücklich gewesen. Er habe „umwandeln“ gemeint. Wenn die CDU Sachsen-Anhalt in den öffentlich-rechtlichen Wald geht, dann hat sie gerne die Axt dabei. Der Unterschied zur Alternative für Deutschland (AfD) ist dabei graduell, aber nicht generell. Auch die Rechtspopulisten gehen in den Wald, allerdings mit der Kettensäge.

Joachim Paul, Mitglied im Bundesvorstand, erklärte laut AfD-Homepage: „In Deutschland setzt sich nur die AfD für eine komplette Streichung des Rundfunkzwangsbeitrags und eine Verschlankung des Senderkomplexes ein.“ Der Grundfunk soll laut Paul auf ein Zehntel seiner Größe verkleinert und zu einem schlanken Heimatfunk umgebaut werden, der für die Bürger kostenlos ist und durch eine Kulturumlage der großen privaten Medien bezahlt wird. „Dieser Grundfunk soll als Schaufenster der Regionen das senden, was sich für die Privaten nicht rechnet: Kultur, Politik, Bildung, Dokumentation, Sport und Unterhaltung aus Deutschlands Regionen“, erklärte Paul. Die Programme von ARD, ZDF und Deutschlandradio mal eben um 90 Prozent reduzieren, das wäre allerdings ein Kettensägenmassaker.

Begeisterung über Nadine Dorries

Joachim Paul hob mit seiner Forderung explizit auf die Ankündigung der britischen Kulturministerin Nadine Dorries der Tory-Regierung ab, für die öffentlich-rechtliche BBC mittelfristig die Beitragsfinanzierung abzuschaffen und durch neue Finanzierungsmöglichkeiten wie beispielsweise ein Abo-Modell zu ersetzen. „Damit wurde in Großbritannien das begonnen“, jubelte Paul, „was in Deutschland noch tabu ist: nämlich eine Reform von ARD, ZDF und Co. an Haupt und Gliedern.“ Dass das Projekt der Tory-Ministerin nur ein Ablenkungsmanöver des durch „Partygate“ schwer unter Druck geratenen Premiers Boris Johnson ist, dass ein öffentlich-rechtliches Pay-TV den Marktgesetzen folgen und damit den „Public Value“-Kerngedanken aufgeben muss, das wollte Kettensägen-Paul nicht in seine Überlegungen einbeziehen. Die AfD muss, wenn sie über ihre Gefolgschaft Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, vom Fordern zum Nachdenken, respektive vom Nachdenken zum Fordern kommen.

Aber die AfD ist nicht alleine. Die bisher öffentlich gewordenen Stellungnahmen sind von Parteipolitik und Partikularinteressen durchsetzt. Vaunet, der Verband Privater Medien, sieht trotz einiger positiver Ansätze zur Auftrags- und Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „erheblichen Nachbesserungsbedarf“. In der Stellungnahme heißt es, „die beabsichtigte Schwerpunktsetzung auf Kultur, Bildung und Information sowie die Vorgabe, dass Unterhaltung nur dann Teil des Auftrags sein soll, wenn sie einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht“, seien vielversprechende Signale.

Verbot von Werbung

Dann, sprich im Unterholz, muss der Gesetzgeber ran: vollständiges Verbot von Werbung und Sponsoring im Fernsehen von ARD und ZDF, im Radiobereich die Reduzierung des Werbeumfangs auf 60 Minuten pro Tag. Zudem lehnt Vaunet eine Flexibilisierung des Auftrags ab. ARD und ZDF müssten nach den Vorstellungen der Rundfunkkommission nur noch ARD, ZDF, die Dritten, 3sat und Arte veranstalten, was mit Kika, Phoenix oder ZDFinfo passiert, bliebe ihnen überlassen. Vaunet fordert, überraschend strukturkonservativ, eine Muss-Beauftragung und „bilaterale Gespräche“.

Die Gremienkonferenz der ARD hat sich den Entwurf ebenfalls angeschaut und kommt zu dem Schluss, er gebe „einen verlässlichen Rahmen für eine kontinuierliche Schärfung des öffentlich-rechtlichen Profils im weiteren Prozess der digitalen Transformation“. Er schaffe damit wichtige Voraussetzungen für eine zukunftsfeste Entwicklung. Konkreter wird das Papier nicht, nur in einem Punkt wird die GVK energisch: „Unterhaltung steht als integraler Bestandteil des substanziellen Kernbereichs des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrags nicht zur Disposition.“ Jede Verengung, beispielsweise auf einen elitären Unterhaltungsbegriff, sei abzulehnen.

Die Vorschläge, Stellungnahmen, Forderungen zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegen jetzt auf dem Tisch der Rundfunkkommission. Nach Angaben der Vorsitzenden, der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), soll die finale Ausarbeitung möglichst im Sommer kommen. Es wird Zeit, dass die Diskussion auf belastbarer Grundlage stattfindet.

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