Guido Cantz im Interview: „Niemand soll verletzt werden“
"Es ging nicht darum, jemanden zu diskreditieren oder Klischees auszupacken": Guido Cantz über 40 Jahre „Verstehen Sie Spaß?“, Humor und Rassismus.
Herr Cantz, verstehen die Menschen heute noch Spaß?
Mehr denn je. Ich glaube, dass der Alltag teilweise so ernst und egoistisch geworden ist, dass die Menschen froh sind, wenn sie unterhalten werden und lachen dürfen. Das erlebe ich in meinem Soloprogramm und auch vor der Kamera.
„Verstehen Sie Spaß?“ gibt es bald 40 Jahre, und die Menschen schalten am Samstagabend immer noch ein. Warum funktioniert diese Sendung nach wie vor?
Beim ganz jungen Publikum sind wir extrem erfolgreich, als jüngstes Format am Samstagabend im Ersten. YouTube hilft uns sehr, obwohl es eigentlich als große Konkurrenz zum Fernsehen betrachtet wird. Unser YouTube-Kanal hat über 600 Millionen Aufrufe und über 850 000 Abonnenten. Viele Kinder gucken unsere Filme dort noch mal an. Wir versuchen in der Show für jeden etwas dabei zu haben. Wir wollen die Familien zusammen vor den Fernseher holen. Das ist keine einfache Aufgabe, aber einfach kann jeder.
„Verstehen Sie Spaß?“ geht mit der Zeit?
Das Genre der versteckten Kamera ist weltweit immer noch sehr erfolgreich. „Verstehen Sie Spaß?“ ist dabei die Mama, ich finde es toll, dass wir in Würde altern. Wir haben uns letzten April frisch gemacht mit einem neuen Studio und einer großen LED-Wand. Wir haben uns verjüngt, was man auch an unseren Gästen sieht. Ich glaube, das Thema Schadenfreude und versteckte Kamera wird es in 30 Jahren immer noch geben. Die Zuschauer möchten wissen, wie ein Prominenter reagiert, wenn er nicht weiß, dass er gefilmt wird.
Gibt es Gags, die man vor 40 Jahren machen konnte, die heute nicht mehr denkbar wären – und umgekehrt?
Technisch kann man heute mehr umsetzen. Der „Verstehen Sie Spaß?“-Erfinder Kurt Felix hat zum Teil Filme mit nur einer Kamera gedreht. Heute drehen wir aufwändige Filme mit acht oder zehn Kameras und noch ein paar kleineren. Mit Knopflochkameras, die man besser verstecken kann, haben wir ganz andere Möglichkeiten, auch die Qualität ist eine andere. Eine gute Idee, die vor 40 Jahren funktioniert hat, funktioniert heute immer noch. Zum Beispiel ist Kurt Felix damals mit einem Schnittmuster zu Passanten gegangen und hat sie nach dem Weg gefragt. Die Leute haben ihm auf diesem Schnittmuster gezeigt, wo er langgehen muss, weil sie dachten, es wäre ein Stadtplan. Heute würden sie vielleicht auf ihr Handy gucken, aber der Witz würde trotzdem noch funktionieren.
Wie ist der Umgang mit Klischees?
Natürlich arbeitet Humor sehr oft mit Klischees, deswegen funktioniert er auch in vielen Fällen. Da muss man heute mehr aufpassen, zum Beispiel, welche Rolle ich in einer Maske spielen kann, das habe ich ja schon erlebt. Aber es wird immer Menschen geben, die sich auf den Schlips getreten fühlen.
Sie sprechen den Film vor zwei Jahren an, nach dem es Rassismus-Vorwürfe gab, weil Sie mit geschminkter dunkler Haut als vermeintlicher Studiogast in eine Show kamen.
Es ging nicht darum, jemanden zu diskreditieren oder Klischees auszupacken, sondern ursprünglich darum, den Moderator Röbi Koller zu verunsichern und zu überraschen. Die Person, die er vorher auf dem Foto gesehen hatte – ein weißer Südafrikaner, der in die Sendung kommen sollte – war nicht die Person, die auf die Bühne kam. Wir möchten die Menschen mit „Verstehen Sie Spaß?“ zum Lachen bringen und niemanden verletzen.
Ist es schwierig, Kinder mit Gags zu begeistern, die aus dem Fernsehen und Internet viel Action kennen?
Ich habe den Eindruck, dass Kinder weiterhin sehr fasziniert von der Sendung sind. Ihnen gefällt, dass Kinder Erwachsene oder Erwachsene sich gegenseitig hereinlegen. Ich achte darauf, dass wir eine gewisse Etikette und Erziehung beibehalten. Dem muss man Rechnung tragen, was Humor, Formulierungen und Filme angeht. Da sind wir im Vergleich zu anderen Formaten deutlich harmloser.
Sie moderieren „Verstehen Sie Spaß?“ seit mehr als acht Jahren. Wird Ihnen das manchmal langweilig?
In keinster Weise. Wir machen im Jahr vier große Shows und ein Best Of. Die Dreharbeiten sind immer wieder anders. Ich darf viele Rollen spielen, wir haben sehr unterschiedliche Gäste und auch Überraschungen für das Studiopublikum. Die Show ist sehr abwechslungsreich und macht mir viel Freude. Ich möchte sie gerne noch länger machen.