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Offline-Protest. Bei dieser Demonstration gingen Menschen gegen Ausländerhass, wie er auch häufig im Netz stattfindet, auf die Straße.
© dpa

Hetze in Online-Kommentaren: Niemand muss sich mit Hate Speech abfinden

Netz-Debatten sind oft von Drohungen und Hetze geprägt – und manchmal greift der Hass in die analoge Welt über. Allerdings kann man durchaus etwas gegen Hate Speech unternehmen.

Es sind Sätze, die von Hass und Ablehnung zeugen. Sätze, die zu Gewalt aufrufen. Sätze, die beleidigen, diffamieren und bedrohen. „Israel muss liquidiert werden“, „Juden vergasen!“ oder „Ausländer beuten die Sozialsysteme aus!“ – auf Facebook, in Tweets, unter Artikeln von Online-Medien oder in Diskussionsforen sind Sätze wie diese zu lesen.

Hate Speech – der Begriff beginnt sich nun auch in Deutschland für dieses Phänomen zu etablieren – ist ein Phänomen im Internet. Und mit der immer größer werdenden Zahl der Internet-User steigt auch die Zahl derer, die online Drohungen, Beschimpfungen und Hetze loswerden. In Zeiten von neu aufkeimendem Ausländerhass und brennenden Flüchtlingsheimen ist das Thema virulenter denn je.

Aus "geistiger Brandstiftung" wird Gewalt

Denn: „Häufig bleibt es nicht bei Hassreden, oft sind Worte die Vorstufe von Taten.“ Das schreibt Heiko Maas, Bundesjustizminister in seinem Vorwort für eine Broschüre zum Thema, die kürzlich von der gemeinnützigen Amadeu Antonio Stiftung herausgegeben wurde. „Dass aus ‚geistiger Brandstiftung‘ viel zu oft Gewalt wird, zeigt der sprunghafte Anstieg von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte“, so Maas weiter.

Dass aus geschriebenen Worten im Netz schnell Taten werden können, erlebte auch ein Nutzer von tagesspiegel.de, der dort häufig Artikel kommentierte und mitdiskutierte. Für seine politische Einstellung wurde er auch in anderen Online-Foren beschimpft und beleidigt. Vor einigen Wochen kam er nach Hause, seine Wohnungstür war mit einer politischen Parole beschmiert – wohl von denselben Leuten, die ihn zuvor auch im Netz beschimpft hatten.

Online-Debatten sind meinungsbildend

Wenn einzelne Menschen wegen ihrer politischen Meinung oder ganze Gruppen wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder Herkunft im Netz diffamiert, beleidigt oder bedroht werden, greift sie das in ihrer Würde an. Es verunsichert und verängstigt sie. Das aggressive Klima in Diskussionsforen führt dazu, dass sich mancher gar nicht erst beteiligt. „Online-Debatten sind auch meinungsbildend, wenn dort eine hasserfüllte Einstellung dominiert, kann das andere beeinflussen“, sagt Atila Altun, der die Community-Redaktion beim Tagesspiegel leitet.

Dabei ist Hate Speech nicht unbedingt nur von Kraftausdrücken und Beleidigungen geprägt. „Sie kann auch sehr subtil daherkommen, das sind oft rhetorisch begabte Leute“, sagt Altun. Auch die Amadeu Antonio Stiftung stellt in ihrer Broschüre fest, dass Hate Speech mehrheitlich in rationale Argumentation verschleiert ist – und damit antisemitischen, rassistischen oder sexistischen Gewaltexzessen eine Art Legitimation verleihe.

Fakten werden ausgeblendet

Erkennen lässt sich Hate Speech aber dennoch. So bezieht sie sich oft auf Verschwörungstheorien – beispielsweise die Annahme, der Islamische Staat werde von Israel bezahlt. Zudem enthält Hate Speech meist starke Verallgemeinerungen, Fakten werden ausgeblendet und aus der Gegenüberstellung von „Wir“ und „Die“ soll ein Handlungszwang konstruiert werden. Die Amadeu Antonio Stiftung nennt dafür einen Beispielsatz: „Wenn wir uns von denen weiter auf der Nase herumtanzen lassen, werden wir alle sterben.“

Im Internet finden sich ganze Hassgruppen zusammen – an beiden Rändern des politischen Spektrums. Sie verwenden Hate Speech, um ihre politischen Positionen zu verbreiten, ihre Gruppenidentität zu stärken und andere für ihre Ansichten zu gewinnen. „Je mehr Leute sich beteiligen, desto aggressiver wird ihr Verhalten und desto stärker scheint die Legitimation für ihre Ansichten“, sagt Altun. Auf tagesspiegel.de, so Altun, findet Hate Speech nicht statt – hier prüft die Community Redaktion alle Beiträge vor der Veröffentlichung.

Facebook ist sehr zögerlich bei der Ahndung von Hate Speech

Kommentare, die rassistisch, sexistisch oder homophob sind, werden gesperrt. Man habe sich für diese sogenannte „Vormoderation“ bewusst entschieden, um Hate Speech zu verhindern. Auf Facebook freilich ist das Löschen von hasserfüllten Beiträgen nur nachträglich möglich, das Netzwerk ist sehr zögerlich, was die Ahndung von Hate Speech betrifft.

Für Community-Redaktionen von Online-Medien ist es eine Herausforderung, auch die weniger offensichtlichen Anfeindungen und Diffamierungen zu erkennen. Häufig wird ihnen Zensur vorgeworfen, wenn sie bestimmte Beiträge sperren. „Hunderte, teilweise tausende Kommentare am Tag zu lesen, ist eine starke Belastung. Und wenn man den immer gleichen Vorwürfen und Anfeindungen ausgesetzt ist, löst das zumindest Kopfschütteln aus“, sagt Torsten Beeck, Social-Media-Chef bei Spiegel Online.

Hate Speech ist oft justiziabel

Doch wie begegnet man Hate Speech nun am besten? Dafür gibt es nicht die eine richtige Antwort. Die Hetzer zu ignorieren und ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, das ist vor allem sinnvoll, wenn eine Diskussion ohnehin kaum möglich ist. Aussagen, die auf falschem Wissen basieren, kann man versuchen, mit Fakten zu begegnen. Manchen Betroffenen hilft es auch, die Beleidigungen öffentlich zu machen – wobei dies wiederum den Hass von Neuem befeuern kann.

Community-Manager Altun betont, dass viele Äußerungen, die in den Bereich Hate Speech fallen, tatsächlich justiziabel sind – vor allem, wenn sie in den Bereich Volksverhetzung fallen. Es kann sich also lohnen diese anzuzeigen, so dass die IP-Adressen der Verfasser ermittelt und ein Strafverfahren eröffnet wird.

Die Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung finden Sie hier.

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