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Das Spiel "Cyborg Dating" schickt zwei Menschen durch die Stadt.
© A Maze

International Games Week: Nicht ohne meine Brille

Datingfieber oder Grabesruhe – virtuelle Realitäten sind unbegrenzt. Auf dem Festival "A Maze" während der International Games Week in Berlin kann man sie erkunden.

Die Bombe tickt, und das Entschärfungsteam wird nervös. Das liegt auch daran, dass nur einer der Experten sie überhaupt sehen kann. Er trägt eine Virtual-Reality-Brille, die ein 3D-Bild des Bombenverstecks erzeugt: ein enger Raum mit einem Schaltfeld voller verwirrender Funktionen. Seine Kollegen tragen keine solcher Brillen, sondern brüten über einem Handbuch mit kryptischen Codes. Sie sind darauf angewiesen, dass der Experte die Situation vor Ort präzise beschreibt: Nur so können sie gemeinsam die Bombe entschärfen.

Keep Talking and Nobody Explodes ist eines von 65 Spielen, die beim Festival A Maze gezeigt werden. A Maze ist Teil der International Games Week, die vom 21. bis 26. April in Berlin stattfindet. Auf dem Programm stehen unter anderem auch die Entwicklerkonferenz Quo Vadis, die Verleihung des Deutschen Computerspielpreises sowie Theaterabende und Konzerte. A Maze versteht sich als Bühne für independent games, für Spiele unabhängiger Entwickler also, die nicht im Auftrag großer Firmen arbeiten, sondern ihre Ideen weitgehend ungefiltert umsetzen. "Wir sehen Games nicht als Produkt", sagt der Festival-Organisator Thorsten S. Wiedemann. "Es geht um Leidenschaft, um Emotionen, um Subjektivität". Neben der Ausstellung bietet A Maze auch zahlreiche Workshops für Gamedesigner.

Als jährliches Festival spiegelt A Maze die Trends der Indie-Szene. Viele Entwickler begeistern sich derzeit besonders für Virtual Reality. Zwar gibt es VR-Brillen schon seit Jahrzehnten, doch erst jetzt scheint ihr Durchbruch bevorzustehen: Neue Geräte sind bereits auf dem Markt, weitere sollen bald folgen. Brillen-Hersteller wie Oculus VR haben ihre Prototypen früh für externe Entwickler freigegeben und damit eine Flut von Virtual-Reality-Games ausgelöst. Allein schon unter den 20 Finalisten des A-Maze-Wettbewerbs findet sich ein halbes Dutzend Spiele mit VR-Unterstützung. Noch mal so viele laufen außer Konkurrenz im Rahmenprogramm.

Realität einbinden oder abtrennen?

Spannend sind diese virtuellen Spielwelten vor allem deshalb, weil niemand absehen kann, wie sie sich weiterentwickeln. Schon jetzt gibt es Konzepte mit völlig gegensätzlicher Stoßrichtung: Die einen lassen Spieler immer tiefer in digitale Welten abtauchen und schirmen sie hermetisch von der Außenwelt ab, um die Illusion nicht zu zerstören. Die anderen sorgen für permanente Rückkopplung mit der physischen Welt und beziehen daraus ihren Reiz – so wie das Bombenentschärfungsspiel, das beide Welten voneinander abhängig macht.

Über all dem schwebt die Frage, wie Virtual Reality unser Leben verändern wird. Schließlich soll VR nicht nur bei Spielen zum Einsatz kommen, sondern auch in Lehre und Forschung, im Gesundheitswesen oder im Tourismus. Geht es um menschliche Kommunikation, so sind die Kritiker schnell auf dem Plan und befürchten eine zunehmende Isolierung des Individuums. Auch aus der Games-Branche kommt Kritik: Der Chef der Spielefirma Take 2 Interactive nannte Oculus Rift eine "asoziale Technologie", die bestenfalls für Hardcore-Spieler geeignet sei – nicht aber für jene, die gerne im Familien- und Freundeskreis spielen.

Ein "Taphobos"-Spieler in seinem halb-virtuellen Sarg.
Ein "Taphobos"-Spieler in seinem halb-virtuellen Sarg.
© A Maze

Die Beiträge zu A Maze thematisieren genau diese Nahtstelle von Eigen- und Fremdbezug. Und das bisweilen auf sehr drastische Weise. In Taphobos etwa werden Spieler lebendig begraben: Sie legen sich in einen offenen Sarg und schnallen eine Oculus-Brille über, die das Innere desselben zeigen – Quentin Tarantino lässt grüßen. Der Wettbewerbsbeitrag Pixel Rift zieht gleich zwei virtuelle Ebenen ein: Ausgerüstet mit einem VR-Headset schlüpft man in die Rolle eines Computerspielfans, der sich von Kindesbeinen bis ins Erwachsenenalter seinem Lieblingsspiel (Pixel Rift) widmet – und dabei so gut wie möglich die Ablenkungen des Alltags ignoriert, ob das nun zornige Lehrer oder störende Eltern sind. Besonders originell ist die Verzahnung von virtueller und physischer Welt im Wettbewerbsbeitrag Cyborg Dating. Ziel des Spiels ist – der Name lässt es erahnen – ein gelungenes Date zwischen zwei Teilnehmern. Dafür wird einer der Spieler mit einer klobigen VR-Brille ausgestattet, dem Google Cardboard. Sein Gegenüber benutzt schlicht ein Smartphone. Der nach außen blinde Spieler-Cyborg wird von seinem Partner durch den öffentlichen Raum geführt, etwa durch eine Fußgängerzone – dabei sieht er durch seine Brille einen digitalen Wald, der sich mit den GPS-Koordinaten des Smartphones wandelt. Auf ihrem Zwei-Welten-Spaziergang erhalten die Dating-Partner Gesprächsvorschläge, der Guide kann für den Cyborg gar einen "romantischen Nachthimmel" aktivieren. Als "finale Herausforderung" sieht das Spiel einen realen Kuss vor: Angesichts des sperrigen Cardboard keine einfache Aufgabe.

Bei A Maze konzentrieren sich nicht alle VR-Spiele auf menschliche Interaktion. Trip the Light Fantasticist ein meditativer Erkundungsflug durch ein Fraktaluniversum, im Biometrie-Spiel Deep beeinflusst die Atemfrequenz das Aussehen einer Unterwasserlandschaft. Die VR-Spiele des Wettbewerbs konkurrieren um den Other Dimensions Award, daneben werden aber noch eine Reihe weiterer Preise vergeben. Hauptpreis ist der mit 3.000 Euro dotierte Most Amazing Game Award, während der WTF?! Award besonders provokanten und experimentellen Spielen vorbehalten ist. Dazu zählt gewiss auch das Spiel Line Wobbler, das die Macher als "eindimensionalen Dungeon Crawler" bezeichnen.

Neben Virtual Reality macht A Maze auch noch andere Trends sichtbar. Etwa lokale Multiplayer-Games, die nicht zuletzt dank erfolgreicher Indie-Produktionen wie Nidhogg oder Towerfall Ascension eine Renaissance erleben. Oder auch Indie-Spiele mit sozialkritischer Botschaft wie der Obdachlosigkeits-Simulator namens Outcasted, den das Cologne Game Lab beisteuert. Zugleich erscheinen immer mehr Indie-Games, die sehr persönliche Erfahrungen verarbeiten, etwa die Geschichte einer missbräuchlichen Beziehung (Curtain). "Genau daran wächst das Medium Computerspiel", sagt der Festivalleiter Wiedemann. "Menschen sehen es als Chance, ihr Leben nach außen zu tragen – ähnlich wie in Film und Literatur."

A Maze läuft vom 22. bis 25. April auf dem Gelände von Urban Spree in Berlin. Details zum Festival gibt es hier.

Mit freundlicher Unterstützung von Zeit Online.

Achim Fehrenbach

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