Jörg Thadeusz interviewt Politiker: „Nicht jeder AfDler ist Nazi“
Im Vorfeld der Bundestagswahl spricht der rbb-Journalist mit Politikern von der AfD bis zur SPD. Und zwar unterwegs im Auto.
Herr Thadeusz, vom 15. August an heißt Ihr Talkformat für sechs Wochen bis zur Bundestagswahl nicht „Thadeusz“, sondern „Fahrbereitschaft“. Was muss sich der RBB-Zuschauer darunter vorstellen?
Die Fahrbereitschaft des Bundestages gibt es ja tatsächlich. Bei Gesprächen mit Taxifahrern, die zur Fahrbereitschaft gehören, habe ich gelernt, dass die Fahrer viel erfahren. Und anderes, als im politischen Gesprächsfernsehen üblich. Im glücklichsten Fall zeigen sich die Fahrgäste persönlicher, als sie es tun, wenn man ihnen einen TV-Scheinwerfer ins Gesicht richtet und fragt: „Was jetzt?“
Sie fahren und fragen, Politiker antworten. Jeder kennt Autofahrer, die sind schon mit Geradeausfahren überfordert. Jörg Thadeusz aber ist ein Multitasking-Monster?
Ich habe als Sanitäter drei Jahre lang Menschen gefahren, die schlechter beieinander waren, als es meine Fernsehgäste – hoffentlich – sind. Dabei war es mir nicht nur möglich, sondern auch nötig, das Gespräch nicht abreißen zu lassen. Womöglich bin ich älter geworden und muss mich verkrampft auf das Straßengeschehen konzentrieren. Dann wird die Sendung aber immerhin ein sehenswertes Debakel, das ganz viele gehässige Posts von Facebook-Besserwissern provoziert.
Auf Youtube gibt es die Blaupause. Sie fahren „Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis und dabei entspinnt sich ein nicht nur launiges Gespräch. Nun werden bei der „Fahrbereitschaft“ Politiker neben Ihnen sitzen. Wie intim wird das?
Das Gespräch mit Linda Zervakis war unser eigener Versuch, was im Auto möglich ist. Mit Linda war es ein Rausch. Mit Politikern wird es selbstverständlich nicht freundschaftlich, sondern eben politisch. Wenn wir mit Politikern wider Erwarten in die Nähe dieser Unverkrampftheit kommen, gelingt uns gutes Fernsehen. Also etwas seit den Abschieden von Kulenkampff und Gottschalk nicht mehr Gekanntes. So sehr die Parteiprogramme auch „kicken“ mögen: Menschen wählen Menschen, die gewählt werden wollen. Darum wird es gehen.
Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt ist der erste Fahrgast. Was, wenn sie ständig den Verkehr kommentiert, den Weg besser weiß, Ihren Fahrstil unterirdisch findet. Wie mental stark sind Sie?
Da meine Andropause bevorsteht, weine ich ohnehin schon häufiger. Oft aus nichtigem Anlass. Kürzlich erst, weil mein Kater einen Vogel mit Ast in den Hausflur legte. Eine abscheuliche Gewalttat.
Dagegen ist eine Begegnung mit Katrin Göring-Eckardt ein warmherziger Trost. Ich finde ihre Partei sehr anstrengend. Aber jenseits der Inhalte gehören für mich Spitzen-Grüne wie Renate Künast oder Claudia Roth zu meinen Lieblingsprominenten. Frau Göring-Eckardt ist sehr charmant und gefährlich klug. Eine schläfrige Frage und ich werde mich zu dem Vogel legen wollen.
Geben Sie die Route für die 30-minütige Fahrt vor? Mit dem AfD-Vertreter geht es dann an Berlins schönsten Nazi-Bauten vorbei, mit der Linken-Kraft zum Stasi-Gefängnis nach Hohenschönhausen? Oder darf der Gaste die Fahrroute bestimmen?
Die Fahrgäste dürfen selbstverständlich Wünsche äußern. Aber ich halte den Holzhammer generell für kein besonders raffiniertes Interview-Instrument. Nicht jeder AfD-Mensch ist ein Nazi. Nicht jeder Linke möchte wieder eine Mauer bauen. Ich esse gelegentlich sehr scharf. Und verspreche mir von den Vertretern der extremen Positionen eine angenehme Würze.
Wie viel wird bei der „Fahrbereitschaft“ getrickst? Fahren Sie wirklich oder befindet sich das Auto auf einem Hänger und Sie kurbeln mächtig am Lenkrad?
Wir setzen uns gleich in ein Studio und lassen einen prekär bezahlten Praktikanten eine Leinwand hinter uns vorbeikurbeln. Bis es zu einem solchen Skandal kommt, werden wir das Auto mit moderner Kameratechnik ausstatten und durch die Gegend fahren. Wie es der großartige James Corden in seinem „Carpool Karaoke“ im US-Fernsehen tut. Oder, wie es der nicht minder fabelhafte Hanno Settele bei seiner „Wahlfahrt“ im ORF-Fernsehen getan hat. An Settele werde ich mir ein Beispiel nehmen. Aber seine typisch österreichische Coolness ist wahrscheinlich für einen Piefke wie mich unerreichbar. Noch dazu im bitterernsten Kern Preußens.
Gewissensfrage: Darf der Fahrgast zwischendurch auch aussteigen?
Nicht während der Fahrt. Aber sobald das Fahrzeug seine endgültige Parkposition erreicht hat – selbstverständlich. Wobei es mir lieber wäre, wenn Frau Göring-Eckardt sagen würde: Fahren Sie bitte immer weiter und halten sie erst an, wenn wir das Meer rauschen hören. Wahlkampf ist schließlich anstrengend.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität