zum Hauptinhalt
Leere Worte: US-General McMohan (Brad Pitt, l.) bekommt beim Kampf gegen die Taliban keine Unterstützung vom afghanischen Präsidenten Karsai (Ben Kingsley).
© Netflix

Streaming-Film "War Machine": Netflix schickt Brad Pitt in den Afghanistan-Krieg

Im Konkurrenzkampf der Streamingdienste läutet Netflix die nächste Runde ein. Der Film „War Machine“ mit Brad Pitt als US-General kritisiert Obamas Afghanistan-Politik scharf.

Selbst die Experten müssen sich erst daran gewöhnen, dass Filme mit dem Budget eines Hollywood-Blockbusters für den TV-Bildschirm produziert werden. „Ich persönlich sehe nicht ein, warum die Goldene Palme an einen Film vergeben werden sollte, der dann nicht auf der großen Leinwand gesehen werden kann“, sagte der Juryvorsitzende des Filmfestivals in Cannes, Pedro Almodóvar, vor einigen Tagen über die beiden Wettbewerbsfilme von Netflix. Während diese Aussage noch unter den Palmen von Cannes diskutiert wird, bereitet Netflix den Start des ersten Films mit Superstar Brad Pitt in der Hauptrolle vor. „War Machine“ heißt der 120-Minuten-Film, den Netflix-Abonnenten ab Freitag sehen können und der auch in den weiteren Rollen mit Schauspielern wie Tilda Swinton und Ben Kingsley ausgezeichnet besetzt ist.

Netflix hat dem Vernehmen nach 60 Millionen Dollar für den Film ausgegeben. Die Erwartungen sind entsprechend groß. Die Streamingdienste liefern sich derzeit einen erbitterten Wettbewerb um die Gunst der Video-on-Demand-Nutzer und vor allem der potenziellen Neukunden. Das Hauptaugenmerk bei den Neuveröffentlichungen liegt bislang auf Serien. Der Film „War Machine“ ist jedoch mehr als Neukunden-Werbung. Netflix verbindet damit zugleich harsche politische Kritik am US-Einsatz in Afghanistan im Speziellen und dem Umgang Amerikas mit seinen Soldaten im Allgemeinen.

"War Machine" soll 60 Millionen Dollar gekostet haben

Der Krieg in „War Machine“ tobte 2009 am Hindukusch. David Michôd, der sowohl das Drehbuch geschrieben hat als auch Regie führte, erzählt darin die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Vier-Sterne-Generals Glen McMohan. Weil er im Irak als Special-Operations-Commander erfolgreich war, soll er nun in Afghanistan die Taliban-Aufstände niederringen. Der „Gleneral“, wie seine Untergebenen ihn ehrfürchtig nennen, reist mit großen Idealen nach Afghanistan. „Wir sind hier, um aufzubauen und um die Zivilbevölkerung zu schützen und zu unterstützten. Wir können ihnen nicht zugleich helfen und sie zugleich töten“, trichtert er seinen Soldaten ein. Doch die Realität der Truppe sieht anders aus: Wie soll zwischen den Afghanen unterschieden werden, denen man helfen kann, und denen, die die Soldaten zu töten versuchen?, fragen sie.

Um die Kritik am US-Militär nicht zu überziehen, hat Netflix „War Machine“ als Parodie verpackt. Brad Pitt spielt McMohan breitbeinig, hemdsärmelig und mit grollendem Bass als einen Anführer, der keinen Zweifel kennt und sich wenn nötig auch selbst die Hände schmutzig macht. Doch in Afghanistan holt ihn die Realität ein. Unterstützung findet er weder bei der lokalen Führung – Ben Kingsley als afghanischer Präsident Hamid Karsai schaut lieber TV-Seifenopern, statt seiner Verantwortung gerecht zu werden – noch durch die Washingtoner Politik. Präsident Obama hält große Reden über die Afghanistan-Politik, findet jedoch keine Zeit für ein persönliches Gespräch mit dem dortigen US-Oberbefehlshaber, der sich längst in einer Mission Impossible befindet. In den USA dürfte der Film zu einigen Diskussion führen, aber auch deutsche Zuschauer lernen einen neuen Brad Pitt kennen.

McMohan hieß im wahren Leben McChrystal

Für den Film hat sich Netflix vom Buch „The Operators“ des US-Journalisten Michael Hastings inspirieren lassen. Offenbar sollte erst Obamas Amtsende abgewartet werden, bevor die Geschichte verfilmt wurde. Hastings hatte 2010 im „Rolling Stones“-Magazin eine mehrteilige Reportage veröffentlicht, wonach der damalige US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, Stanley A. McChrystal, und sein Stab ausgiebig über Präsident Obama, seinen Vize Joe Biden, den Afghanistan-Sonderbeauftragten Richard Holbrooke sowie zahlreiche andere Verantwortliche hergezogen haben sollen. Für McChrystal bedeutete der Bericht die sofortige Abberufung, sein Team wurde gefeuert. Als später Zweifel an den Berichten aufkamen – Hastings soll Passagen frei erfunden haben –, entschuldigte sich Obama bei McChrystal, er erhielt einen Lehrauftrag und eine Beraterfunktion und behielt im Ruhestand den Vier-Sterne-Rang. Im Jahr 2013 starb Journalist Hastings im Alter von 33 Jahren unter nie ganz geklärten Umständen bei einem Autounfall.

Für „War Machine“ spielt dieser Teil der realen Geschichte keine Rolle. Im Taliban-Gebiet gelten andere Gesetze, selbst die Mathematik folgt hier anderen Regeln. „Wie viele Aufständische bleiben übrig, wenn von zehn zwei getötet werden?“, fragt McMohan einige Politiker. „Nicht acht, sondern 20, denn jeder Getötete hat Freunde und Verwandte, die nun zu überzeugten Aufständischen werden“, hat der Mustersoldat inzwischen gelernt.

„War Machine“, US-Spielfilm, 120 Minuten, Netflix, ab Freitag

Kurt Sagatz

Zur Startseite