Gegen die Kunstfreiheit?: Netflix blockiert Comedy-Sendung nach Kritik aus Saudi-Arabien
In der Show "Patriot Act with Hasan Minhaj" macht sich der Comedian über Saudi-Arabien und den Kronprinzen lustig. Prompt blockt Netflix die Ausgabe.
Wie stark müssen Comedians eigentlich auf Zensur achten, wenn Sie in arabischen Ländern auftreten? Bislang ließ sich diese Angelegenheit immer recht einfach klären. „Die Organisatoren sagen mir vor jeder Show, worüber ich auf keinen Fall reden soll“, hat der US-palästinensische Komiker Dean Obeidallah mal dem „Spiegel“ gesagt. Tabu seien in der Regel Witze über den Herrscher und über Religionen – über den Islam, aber auch über Christentum oder Judentum.
Nun, mit dem Siegeszug der weltweit verfügbaren Streamingdienste hat sich die Sache mit den Organisatoren etwas verkompliziert, oder besser, verschärft. Das musste jetzt der US-amerikanische Comedian Hasan Minhaj am eigenen Leibe erfahren. Der US-Streaming-Dienst Netflix hat nach einer Beschwerde aus Saudi-Arabien eine Sendung aus seinem Angebot in dem Königreich entfernt. Dies berichtete die „Financial Times“.
Die Sendung handelt von der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi und dem militärischen Engagement Saudi-Arabiens im Jemen. Konkret gehe es um eine Episode der Comedy-Reihe „Patriot Act mit Hasan Minhaj“. „Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, unsere Beziehungen zu Saudi-Arabien zu überdenken. Und ich meine das als Muslim und als Amerikaner“, sagt der US-Komiker darin.
Und weiter: Kronprinz Salman habe bis zum Tod Khashoggis vielen als Reformer gegolten. „Ich kann es nicht fassen, dass es die Tötung eines Journalisten der ,Washington Post’ braucht, damit jeder sagt: ,Oh, er ist glaube ich nicht wirklich ein Reformer.’ Währenddessen dachte sich jede muslimische Person, die du kennst: ,Ach, was ihr nicht sagt. Er ist der Kronprinz von Saudi-Arabien.’“
Netflix bestätigte der „Financial Times“ den Blockade-Schritt. Zwar unterstütze der Dienst die künstlerische Freiheit auf der ganzen Welt. Er müsse sich aber an lokale Gesetze halten. Saudische Behörden hätten die Löschung des Videos verlangt, da dieses gegen ein Gesetz gegen Cyberkriminalität verstoße, hieß es. Auch in Saudi-Arabien sei es aber weiterhin über den Youtube-Kanal des Senders zu erreichen.
Der Schritt war von Menschenrechtlern kritisiert worden. „Netflix' Behauptung, die künstlerische Freiheit zu unterstützen, bedeutet nichts, wenn es (Netflix) sich den Forderungen von Regierungsbeamten beugt“, schreibt die Leiterin der Nahost- und Afrika-Abteilung von Human Rights Watch, Sarah Leah Whitson, auf Twitter. Saudi-Arabien selbst glaube nicht an Freiheiten für seine Bürger, „nicht künstlerisch, nicht politisch, nicht humoristisch“.
Die Führung Saudi-Arabiens war in den vergangenen Monaten wegen des Mordes an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi international in die Kritik geraten. Der Kolumnist der „Washington Post“ wurde Anfang Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul von aus Saudi-Arabien angereisten Tätern getötet. Eine Reihe von Indizien rückte Thronfolger Mohammed bin Salman, den Sohn des Königs, in die Nähe der Tat.
Und nun in die komödiantische Verwertungskette eines Hasan Minhaj. Dessen Streaming-Blockade in Saudi-Arabien dürfte auch andere weltweite Show & Fiction-Verteiler wie Amazon Prime Video aufhorchen lassen. Der Streamingdienst war am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zum Thema künstlerische Freiheiten erreichbar, ebenso wie Dieter Nuhr. Netflix streamt seit 2016 mit „Nuhr in Berlin“ das erste deutsche Comedy-Programm für den weltweiten Markt, darin Theorien zu Gender-Normen und Urinstinkten, (noch) ohne Bezug zu Saudi-Arabien oder zu anderen Ländern, in denen Netflix gestreamt wird und in denen es mit der Meinungs- und Kunstfreiheit nicht ganz so weit her ist.
Der Kabarettist sagte dem Tagesspiegel 2016, er habe es immer so gehalten, dass er seinen Humor auf die Bühne gebracht und dann erwartet habe, dass es andere Leute gibt, die ihn teilen. „Ich glaube nicht mehr, dass wir in nationalen Blasen leben, in denen Humor nicht mehr verstanden wird, wir sind alle geprägt von amerikanischen Comedians, durch Kinofilme oder die Stand-up-Programme.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass das an der Grenze haltmacht.
An den Grenzen Saudi-Arabiens vielleicht schon. Immerhin hält sich Hasan Minhaj nicht vor Ort auf. Im Libanon wurde dem Kollegen Dean Obeidallah gesagt, es sei dort fast alles erlaubt. Nur: Niemand würde ihn beschützen, wenn er über die Hisbollah scherzt. (mit dpa)