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Im Shitstorm: Claudia Neumann
© ZDF und Svea Pietschmann
Update

Fußball-EM im TV: Nach dem Shitstorm gegen die Reporterin: Claudia Neumann kontert

ZDF-Reporterin Claudia Neumann hat auf die beleidigenden Kommentare gegen sie erstaunlich gelassen reagiert. Live kommentieren wird sie, wie geplant, bei dieser EM nicht mehr. Wir fordern weiter eine Frauen-Quote.

ZDF-Sportreporterin Claudia Neumann, die erste weibliche Kommentatorin eines EM-Spiels der Männer, lassen Beschimpfungen von Feierabend-Bundestrainern kalt. "Ich stehe weiterhin kerzengerade im Wind und bin keineswegs gefährdet, mich vom Eiffelturm zu stürzen."

"Hey, Leute, es geht nur um Fußball!", sagt Neumann weiter, "was für ein Witz! Die meisten, die da schreiben, waren noch gar nicht geboren, als ich schon irgendwelche Fallrückzieher versenkt habe." Von diesen Leuten lasse sie sich "nicht meine Leidenschaft und meinen Beruf kaputtmachen". Außerdem werde sie von ihren Chefs beim ZDF "super begleitet".

Was war passiert? Wir schreiben das Jahr 2016. In zwei Jahren, im November 2018, feiert das Frauenwahlrecht in Deutschland sein 100. Jubiläum. Mit Claudia Neumann sitzt für das ZDF bei dieser Fußball-EM erstmals eine Frau auf dem Kommentatorenstuhl, und viele, sehr viele Menschen haben damit offenbar ein Problem. Das zeigt ein Blick in den Kurznachrichtendienst Twitter. Während Claudia Neumann im ZDF ein Spiel kommentiert, wie am Freitagnachmittag die Partie Italien gegen Schweden, bricht dort ein Shitstorm los.

So heiß war es gestern doch gar nicht. Bereits weit vor dem Anpfiff wird gezetert, geheult und gehasst, offenbar nur weil da eine Frau am Mikrofon sitzt. Klar, das Klagen über dümmliche Reporter-Kommentare ist so alt wie der Fußball im Fernsehen selbst. Wir, die Zuschauer, Kritiker und Fans, wissen es immer besser.

Aber bei Neumann geht es nicht um Geschwafel, Stanzen, irrige Sichtweisen oder etwaige Parteilichkeit, die meinetwegen auch männlichen Kommentatoren vorzuhalten wären. Dass da eine Frau ein Fußballspiel kommentiert, reicht aus, um Fußballfans auf die Palme zu bringen.

Das ZDF hat auf Facebook einige beleidigende Kommentare gegenüber seiner langjährigen Kommentatorin dokumentiert. Während des Spiels Italien gegen Schweden habe bei ZDF Sport ein Shitstorm getobt. Für manche Männer sei es scheinbar auch im Jahr 2016 noch zu viel, wenn eine Frau Fußball kommentiere, heißt es bei ZDF/Facebook. „Es wurden zahlreiche beleidigende Kommentare entfernt. Wenn Sie nicht sachlich an der Diskussion teilnehmen, werden wir Sie sperren“, schrieb die ZDF-Redaktion dazu: „Beleidigungen sind keine Meinung und werden entsprechend unserer Netiquette nicht geduldet!

ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz hat mit Schmähungen vonseiten der unverbesserlichen Fußballprolls gerechnet, über das Ausmaß sei er aber doch erschüttert. "Sie hat das Spiel kompetent kommentiert." Was ihn aufwühle, sei die "asoziale Kritik in den sozialen Netzwerken".

Es war von Beginn an klar, dass Claudia Neumann diese beiden Spiele kommentieren sollte, sagte ZDF-Sportchef Gruschwitz. Und ebenso sei es von "vornherein so geplant gewesen, das haben wir auch klar kommuniziert", dass es für Neumann bei diesen beiden Live-Einsätzen bleiben wird. Sie bleibt als Storymacherin in Paris - und wird auch wieder live Männerfußball kommentieren, wenn es sich anbietet. Darüber, so Gruschwitz, "wird es keine Diskussion geben".

Auch, wenn Neumann im Internet durchaus Zuspruch erhält. Es ist traurig, dass das Geschlecht einer Kommentatorin im Fernsehen überhaupt noch eine Erwähnung wert ist. Wo und wann leben wir denn? Und: Was folgern wir daraus? Im Grunde ist mir egal, wer ein Fußballspiel kommentiert. Oft schalte ich auch den Ton während es Spiels einfach leiser oder ganz ab. Dennoch fordere ich hiermit eine Kommentator-Quote: Die Hälfte aller EM- und WM-Spiele sollte von Frauen kommentiert werden. Alleine schon, damit all den Shitstormern bei Reporter-Einsätzen wie diesen irgendwann die Luft ausgeht.

P.S. Eigentlich müsste man Frau Neumann jetzt noch ein Extra-ZDF-EM-Spiel anbieten, um diesen Bashern eine Nase zu drehen. Aber dafür müssten natürlich die Kollegen Béla Réthy und Oliver Schmidt kürzer treten.

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