Polizeiruf: Mit Gartenschere im Liebeswahn
Ein Mann in Unterwäsche, die Zunge in einem Gestell fixiert. Der Rostocker „Polizeiruf 110“ macht manchem Hollywood-Horror-Streifen Konkurrenz. In "Liebeswahn" verarbeitet Regisseur Thomas Stiller wahre Begebenheiten.
Die Einstiegsszene erinnert an den Horrorfilm „Saw“. Ein Mann sitzt gefesselt und in Unterwäsche bekleidet auf einem Stuhl. Die Beleuchtung ist spärlich, man erkennt einen Keller mit einer Werkbank im Hintergrund. Der Mann atmet hektisch, vor seinem Mund befindet sich ein Gestell, das seine Zunge fixiert. Die Kamera schwenkt zu einer zweiten Person, das Gesicht ist unter der Kapuze verborgen. Es kommt zum Kampf, der Mann kann sich befreien, aber zuvor wird ihm die Zunge herausgeschnitten. Ihm gelingt die Flucht, aber in einem Taxi bricht er blutüberströmt zusammen. Der Taxifahrer kann die Polizei nur noch über den Tod des Mannes informieren.
Der „Polizeiruf 110“ aus Rostock mit dem Titel „Liebeswahn“ beginnt dort, wo der Kölner „Tatort“ am vergangenen Sonntag endete: mit einer Szenerie des Schreckens. Angesichts der brutalen Einstiegsszene stellt sich die Frage, warum „Franziska“ wegen Jugendschutzbedenken erst nach 22 Uhr gezeigt werden konnte, der „Polizeiruf 110“ mit Anneke Kim Sarnau als LKA-Beamtin Katrin König und dem von Charly Hübner dargestellten Kriminalkommissar Alexander Bukow zur ganz normalen ARD-Sonntagskrimizeit beginnen darf.
Das Opfer von Rostock verbrachte die letzten Stunden seines Lebens offenbar unter größten Qualen. Immerhin ist nicht der ganze Film von dieser Atmosphäre der Angst geprägt. Wie sich bei den Ermittlungen herausstellt, hat es Jahre zuvor in einer anderen Hansestadt einen ähnlichen Fall gegeben. „Selbst für Hamburger war das extrem brutal“, erinnert sich der pensionierte Kommissar, den König und Bukow aufsuchen. Die Frage ist nur: Warum wurde dem Kollegen dieser Fall seinerzeit entzogen, um wenig später eingestellt zu werden?
Entfernung der Zunge zur Bestrafung?
Der Fall stellt die Ermittler vor zahlreiche Fragen. Um wen handelt es sich bei dem Toten? Wurde dem Opfer die Zunge zur Bestrafung entfernt? Könnte es sich bei den Tätern um die „nicht eben zimperliche“ Russenmafia gehandelt haben? Neben dem Kriminalistischen spielt in den „Polizeirufen“ aus Rostock auch das Private eine gewichtige Rolle. Bereits in der letzten Folge hatte sich gezeigt, dass es um die Ehe von Kommissar Bukow und seiner Frau Vivian (Fanny Staffa) nicht zum Besten bestellt ist. Dass der Haussegen bei den Bukows schiefhängt, ist nur als glatte Untertreibung zu bezeichnen. Die Entfremdung nimmt nun immer dramatischere Formen an, auch wenn der Kommissar sämtliche Anzeichen standhaft zu ignorieren scheint. Stärker als im „Polizeiruf“ aus Rostock ist es kaum noch möglich, die private und die berufliche Welt miteinander zu verschränken. Es bleibt spannend, wie sich dieser Aspekt in den weiteren Folgen entwickeln wird. Und ob es gelingt, hier wieder in eine etwas ruhigere Spur zu kommen.
Thomas Stiller, der bei „Liebeswahn“ für Buch und Regie verantwortlich ist, hätte durchaus mehr Vertrauen in den Kriminalfall haben können. Die Ermittlungen führen in die Sado-Maso-Swingerszene. „Was ist aus dem guten alten Kuschelsex geworden“, fragt sich Kommissarin König, als sie feststellt, wie viele Frauen offenbar daran Gefallen finden, sich fesseln zu lassen. Der „Polizeiruf“ selbst ist jedenfalls packend genug. Und Fälle wie diesen gibt es tatsächliche: „Ich habe vor Jahren mal eine Headline in einer Zeitung gelesen: ,Mann mit Gartenschere Zunge abgeschnitten.‘ So etwas bleibt dann lange in meinem Hirn kleben, und irgendwann findet es Eingang in meine Filme“, sagt Stiller über die „Liebeswahn“-Folge.
Kommissar Bukow ist ein Fels in Brandung, ein Kollege, auf den man sich in jeder Situation verlassen kann. Charly Hübner ist als Schauspieler zugleich ein Kerl von einem Mann, der es sich sogar leisten kann, den imposanten Bauch selbstbewusst im T-Shirt zu präsentieren. Die Arbeitsteilung mit Krimi-Partnerin Anneke Kim Sarnau funktioniert zudem unverändert ausgezeichnet, hier ist keinerlei Unwucht festzustellen, auch wenn der Film selbst eher guter Durchschnitt ist.
„Polizeiruf 110: Liebeswahn“, ARD, Sonntag um 20 Uhr 15
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