Ex-"Tatort"-Darsteller Günter Lamprecht: "Mir fehlt die Verantwortung beim Umgang mit der Waffe"
Fünf Jahre lang stand Günter Lamprecht für den „Tatort“ aus Berlin. Beim Jubiläum ist er wieder dabei - auch wenn er viele aktuelle Episoden durchaus kritisch sieht. Ein Interview.
Herr Lamprecht, im ersten „Tatort“ 1970 spielten Sie einen DDR-Grenzer, im 1000. haben Sie einen Gastauftritt und zwischen 1991 und 1995 waren Sie der Berliner „Tatort“-Kommissar Franz Markowitz. Was macht für Sie den Reiz des „Tatort“ aus?
Bevor ich 1989 den Berliner „Tatort“ als Nachfolger von Heinz Drache angeboten bekam, war ich schon in verschiedenen Rollen im „Tatort“ aufgetreten. Zuerst wollte ich gar nicht ran an diese neue Aufgabe. Doch dann kam die Wende und ich fand es spannend, dass wir plötzlich auch in Ost-Berlin drehen konnten. Da wimmelte es ja nur so an Eigentumsdelikten, die oft in Mord und Totschlag endeten.
Im 1000. „Tatort“ haben Sie als Kommissar außer Dienst sogar das Schlusswort, das Sie auch an die „Tatort“-Zuschauer richten. Welche Bedeutung hat die ARD-Krimireihe für die Fernsehnation?
Als der „Tatort“ vor 46 Jahren anfing, waren wir immer bemüht, die Polizeiarbeit genau zu beachten. Für meine Rolle als Berliner „Tatort“-Kommissar bin ich nachts bei Einsätzen mitgefahren. Mir war das sehr wichtig, weil ich einige Drehbücher mitgeschrieben habe. Ich wollte sehen, wie die Beamten wirklich am Tatort arbeiten und wie sie reden. Es fehlt mir heute immer mehr die Ernsthaftigkeit, die Verantwortung zum Beispiel beim Umgang mit der Waffe. Die Komödie lässt grüßen.
Ständig geschossen und geballert
Was ist daran auszusetzen?
Es wird ständig geschossen und geballert. Beim Markowitz hatten wir vorher ausgemacht, dass er nicht schießen wird. Wenn im Drehbuch eine Situation vorgesehen war, in der ich eine Waffe gebraucht hätte, dann hatte ich die nicht mitgenommen oder sogar in der Schublade vergessen. Durch mein eigenes Attentat wurde dann meine Haltung noch verstärkt. Ich bin heute ein absoluter Waffengegner.
Was ist bei diesem Amoklauf, in den Sie und Ihre Lebensgefährtin 1999 hineingeraten sind, passiert?
Wir waren mit einem Theaterstück „Vaterliebe“ , in dem es auch um Kommissar Markowitz ging, auf Tournee. Die Aufführung in Bad Reichenhall war die letzte in einer Serie von 40. Am Tag danach, es war Allerheiligen, sollte ich eine weitere Spritze gegen die Schmerzen in meinem Knie bekommen. Vor dem Krankenhaus stieg ich aus dem Auto und bekam einen Volltreffer und drehte mich durch den Schuss einmal um die eigene Achse, ging zu Boden. Claudia Amm wollte mich retten, kam mir zu Hilfe und wurde dann noch schlimmer zusammengeschossen. Ich konnte uns beide mit Müh und Not noch unter den Wagen ziehen. Der 16-jährige Amokschütze hatte auf alles geschossen, was sich bewegte, und hat mehrere Menschen getötet. Das bleibt im Kopf, das bleibt im Bauch.
Wie hat sich Ihr Blick dadurch verändert?
Ich war entsetzt über einige Zeitungsberichte, in denen es sinngemäß hieß: „Jetzt sieht der ,Tatort‘-Kommissar mal, wie das so ist“. Nach dem Amoklauf habe ich im Krankenhaus nachts häufig ferngesehen. Auf 42 Leichen bin ich an einem Morgen gekommen, die ich nachts im Fernsehen gezählt hatte. Die Menschen werden einfach so abgeknallt, getötet, das ist respektlos. An die wunderbare Zeit als Kommissar Markowitz denke ich dennoch immer gerne zurück.
Zu wenig Psychologie
Die Quoten des „Tatort“ gehen jedenfalls weiter aufwärts. Was macht ihn so erfolgreich?
Da ist sicherlich auch eine Gewohnheit eingetreten. Man weiß: Sonntagabend ist „Tatort“. Und die Zuschauer freuen sich, wenn im „Tatort“ geballert wird und richtig was los ist. Sie wollen ihren Mord am Sonntagabend. Mit ist allerdings die fortschreitende Verrohung unerträglich geworden. Die psychologischen Aspekte wie im gerade gezeigten „Tatort“ mit Axel Milberg kommen hingegen zu kurz.
Der 1000. „Tatort“ ist aber nicht Ihr letzter Einsatz im Fernsehen.
Für die Serie „Babylon Berlin“ habe ich am vergangenen Wochenende im Rathaus Schöneberg gedreht. Als oller Berliner habe ich dabei großes Heimweh verspürt. „Und wehmütig bin ich immer noch“ lautet schließlich auch der Titel meiner Biografie.
Das Gespräch führte Kurt Sagatz.