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Moderator Michel Friedman hat für die Deutsche Welle ein Interview mit dem türkischen Minister für Jugend und Sport geführt. Der Minister ließ das Videomaterial konfiszieren. wogegen die Deutsche Welle klagt.
© dpa

Deutsche Welle streitet mit türkischem Minister um Interview: Michel Friedman lässt das Fragen nicht

Michel Friedman hat seine "zweite Chance" genutzt, nachdem er wegen Affären um Kokain und Prostituierte zur öffentlichen persona non grata geworden war

Die Vermutung ist statthaft, dass Akif Cagatay Kilic nicht wusste, auf wen er sich da einließ am 5. September. Im Büro des türkischen Ministers für Sport saßen sie sich gegenüber, Kilic und Michel Friedman. Der arbeitet für die Deutsche Welle, im Wechsel mit dem britischen Fernsehjournalisten Tim Sebastian moderiert er die Sendung „Conflict Zone“ für das englischsprachige DW-Programm. Der Name ist Verpflichtung, Sebastian und Friedman liefern sich einen Überbietungswettbewerb im „Hard Talk“. Das alles wusste Kilic nicht oder er schätzte es falsch ein. Die Fragen zu Verhaftungen nach dem Putschversuch, zur Lage der Presse und zur Stellung der Frau in der Türkei brachten Kilic derart in Bedrängnis, dass er das Videomaterial konfiszieren ließ. Jetzt klagt die Deutsche Welle auf Herausgabe.

Friedman zeigt keine Befriedigung

Michel Friedman ist klug genug, keinerlei Genugtuung oder Befriedigung zu zeigen. Schnell könnte sich das Bild vom Helden der westlichen Medienwelt verdunkeln – und die „zweite Chance“, die Friedman für sich reklamiert und genutzt hatte, wieder vertan sein. Damals, 2003, war der Jurist und CDU-Politiker, der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, der Publizist und Moderator („Vorsicht! Friedman!“ in der ARD) von allen Ämtern zurückgetreten. Ein Strafbefehl wegen illegalen Kokainbesitzes, der Verdacht, osteuropäische Prostituierte ins Hotelzimmer bestellt zu haben, machten aus der öffentlichen, sowieso umstrittenen Figur eine öffentliche Persona non grata. Friedman war von ganz oben nach ganz unten gestürzt.
An Scharfsinn, Intellekt und Ehrgeiz hatte der heute 60-Jährige nichts eingebüßt. An Eloquenz und großbürgerlicher Eleganz ebenso wenig. Also begann er für verschiedene Springer-Zeitungen zu reportieren, zu kolumnisieren, im Oktober 2004 startete beim Nachrichtensender N 24 die Talkshow „Studio Friedman“. Da hatte er schon die Fernsehmoderatorin Bärbel Schäfer geheiratet (das Paar hat zwei Söhne), 2010 promovierte der promovierte Jurist ein zweites Mal, jetzt in Philosophie.

Die Öffentlichkeit vergisst nicht

Den Gesellschaftslöwen Michel Friedman gibt es nicht mehr, den angriffslustigen, nicht sympathieheischenden (TV-)Moderator gibt es weiterhin. Aber mehr auf den Hinterbühnen als auf der Vorderbühne des deutschen Fernsehens. Ein ARD-Talker Friedman ist so wenig vorstellbar wie die Rückkehr von Jörg Kachelmann an die Wetterfront im Ersten. Die Öffentlichkeit vergibt vielleicht, aber sie vergisst nicht.

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