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Aus der Geschichte mit Jan Böhmermann kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr heraus, meinte der Satiriker Klaus Staeck am Sonntag in einer RBB-Talksendung.
© REUTERS

Talk zu Jan Böhmermann: Merkel in der Falle

RBB-Talk zum "Schmähgedicht": Die Diskutanten sehen vor allem die Kanzlerin unter Druck. „Mit dieser Geschichte geht sie nach Hause, egal wie es für Böhmermann ausgeht“, sagt Satire-Grafiker Klaus Staeck.

Jan Böhmermann hat Sendepause. Sein „Neo Magazin Royale“ wird erst wieder am 12. Mai ausgestrahlt und auch die Hörer der RadioEins-Sendung „Sanft und sorgfältig“, die der Satiriker zusammen mit Olli Schulz moderiert, findet vorerst nicht statt. Als Thema ist Böhmermann und sein „Schmähgedicht“ jedoch omnipräsent; die RBB-Welle lud am Sonntag zum Satire-Show-Talk „Freiheit für Böhmermann“, der zunächst im Radio und in der Nacht zusätzlich vom RBB-Fernsehen ausgestrahlt wurde. Aufgezeichnet wurde die Sendung ausgerechnet im ausgebuchten Tipi am Kanzleramt, also nur wenige Meter vom Amtssitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel entfernt, die mit ihrer Genehmigung für ein Gerichtsverfahren gegen Böhmermann wegen Majestätsbeleidigung die Diskussion um das „Schmähgedicht“ über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan noch einmal angeheizt hat.

Für die „taz“-Journalistin Ebru Tasdemir, die die Hass-Mail-Show „Hate Poetry“ mitinitiiert hat, ist Böhmermanns TV-Beitrag eindeutig als Parodie zu erkennen. „Böhmermann hat sich von den Beleidigungen klar distanziert, er hat die Grenze selber gesetzt“. Aber auch wenn der TV-Moderator „zu 100 Prozent kein Rassist ist“, habe er mit dem von ihm selbst als verbotene Schmähkritik bezeichnetem Gedicht dem Rassismus Tür und Tor geöffnet. „Aus dem Zusammenhang gerissen, ist das zum Glück verboten“, sagte sie mit Verweis auf die deshalb untersagte Demo vor der türkischen Botschaft.

Beleidigung oder Gesamtkunstwerk?"

Für Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, ist es keine Frage, dass Böhmermanns TV-Beitrag Satire ist. „Es ist total doof und trotzdem habe ich gelacht. Das ist kein Zeichen für Qualität, aber es geht nicht um eine Qualitätsfrage, sondern darum: ist das eine Beleidigung oder ist das eingebettet in ein Gesamtkunstwerk?“

Klaus Staeck wurde wegen seiner satirischen Plakate 41 Mal verklagt, hat aber kein Verfahren verloren. „Bei mir war die Gürtellinie immer die Grenze“, sagte er beim Tipi-Talk. Zum Fall Böhmermann sagte Staeck, der auch Jurist ist: „Ich beneide die Richter nicht. Wo ist die Grenze?“ Fest stand für ihn, dass „der Kotau von Merkel eine Einladung an Erdogan war, gegen Böhmermann zu klagen.“ Nach ihrer Einlassung, das „Schmähgedicht“ sei „bewusst verletzend“, sitze sie nun in der selbst gestellten Falle, aus der sie nicht mehr herauskommt. Die Ermächtigung sei der zweite Fehler gewesen. „Mit dieser Geschichte geht sie nach Hause, egal wie es für Böhmermann ausgeht.“

Noch schnell alle Majestäten und Despoten beleidigen. Florian Schroeder beim RadioEins-Talk zu Böhmermann. Foto: SWR
Noch schnell alle Majestäten und Despoten beleidigen. Florian Schroeder beim RadioEins-Talk zu Böhmermann. Foto: SWR
© SWR/Tom Oettle

Merkel habe ihr Gespür für Stimmungen verloren, darüber war sich die Runde einig. „Nicht, dass sie morgen abtritt, in diesen Gesang stimme ich nicht ein. Aber jeder Stern sinkt einmal. Und die Leute stolpern immer über Kleinigkeiten“, sagte Staeck, der die Verantwortung aber auch bei der Allgemeinheit sieht.

Markus Feldenkirchen, Leiter der Meinungsredaktion des „Spiegel“, sieht diese Mitschuld an der Eskalation, die ohne den Hintergrund der Flüchtlingskrise und den damit verbundenen gesellschaftlichen Druck nie entstanden wäre, ebenfalls. Er kritisiert besonders, dass Viele über Böhmermanns Beitrag urteilen, ohne ihn gesehen zu haben, nachdem das ZDF die Passage aus der Mediathek genommen hat.

Und wie geht es weiter: Lorenz Maroldt empfiehlt „ein bisschen Coolness“, um die Staatsaffäre zu beenden. Auch Merkel sei im Ausland mit Hitler-Bärtchen gezeigt worden. Klaus Staeck widerspricht: „Bloß nicht beruhigen, Unruhe ist die erste Bürgerpflicht.“ Noch nie sei so viel über Satire gestritten worden, freute sich der Provokateur.

Der Satiriker und Moderator der SWR-Sendung „Spätschicht“ Florian Schroeder macht sich seinen eigenen Reim. „Wie sollen wir Satiriker es bis zur Abschaffung des Paragraph im Jahr 2018 schaffen, all die Majestäten und Despoten rechtzeitig zu beleidigen?“ sagte er in seinem Auftritt in der RadioEins-Sendung. Kurt Sagatz

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