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WTF? „BuzzFeed“ präsentiert seine Meldungen in albernen Kategorien. Das Ressort „Wtf“ („What the fuck“) steht dabei für Kuriositäten - Millionen Menschen klicken drauf.
© Röhlig

"BuzzFeed" auf Rekordkurs: Mediales Junkfood mit Katzenbonus

Die Plattform „BuzzFeed“ ködert Leser mit süßen Katzenvideos – und will jetzt eine seriöse Nachrichtenseite werden. Das finden die etablierten Medien gar nicht lustig.

Jonah Peretti hat sich viel vorgenommen. Er werde es mit jedem traditionellen Medienunternehmen aufnehmen, das im letzten Jahrhundert den Markt beherrscht hat, ließ der 40-Jährige im September seine Mitarbeiter in einem langen, in neun Kapitel gegliederten Text wissen. Den veröffentlichte er nicht im Intranet seiner Firma, sondern auf dem sozialen Karrierenetzwerk „LinkedIn“, „damit zukünftige Mitarbeiter das auch lesen können“, wie er schrieb. Und damit auch der Rest der Welt. Denn die will Paretti verändern – zumindest die, die mit Medien, Nachrichten und dem Internet zu tun hat.

Peretti ist der Gründer von „BuzzFeed“, einer Onlineplattform mit Sitz in New York, die eine seltsame Mischung aus Katzenvideos, Keksrezepten und aktuellen Nachrichten bringt – Tratsch und Trends. Vorher hatte Peretti das Nachrichtenblog „Huffington Post“ mit aufgebaut, das in den USA als linksliberales Gegengewicht zu republikanischen Medien wie Fox News gilt und von dem es seit Oktober einen deutschen Ableger gibt.

"BuzzFeed" gilt als Vorbildmodell für virales Marketing

Doch während die deutsche „HuffPost“ noch vor sich hindümpelt, schießen die Nutzerzahlen von „BuzzFeed“ hierzulande wie eine Rakete in die Höhe. Vor einem Jahr in Deutschland noch so gut wie unbekannt (nicht mal einen deutschen Wikipedia-Eintrag gibt es bisher), gilt es mittlerweile als Vorzeigemodell für erfolgreiches virales Marketing. Und sorgt für Unruhe.

Mitte Dezember brachte das Portal gar Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner auf die Palme, weil es angekündigt hatte, in Zukunft komplett auf negative Buchkritiken zu verzichten. Das sei für ihn „eine unfassbare Einschränkung“ und gleichzeitig für klassische Medienhäuser aber auch ermutigend: „Das können wir besser.“

„15 Gründe, warum man einen Drink braucht“

Menschen, die eher traditionelle Nachrichtenportale oder gar Zeitungen bevorzugen, stellt der Erfolg von „BuzzFeed“ in der Tat vor Rätsel. Die Startseite besteht zu einem großen Teil aus sogenannten Listicles, Artikel in Listenform mit eher unbedeutenden Inhalten wie „15 Gründe, warum man einen Drink braucht“ oder „Neun wissenschaftliche Begriffe, die wir nicht mehr in der Werbung sehen wollen“. Garniert wird das Ganze mit Anleitungen über die Zubereitung von Süßigkeiten und mehr oder weniger putzigen Tierbildern und -videos. Auch die Ressortbezeichnungen irritieren: Qietschgelbe Buttons in der Oberleiste mit Bezeichnungen wie LOL (Lautes Auflachen), cute (niedlich) oder OMG (Oh mein Gott) führen zu weiteren mehr oder weniger witzigen Bildchen und Filmchen mit allerlei Nonsens Marke „Die witzigsten Hochzeitspatzer“.

Die drolligen Videos werden tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt

Dieses mediale Junkfood sind die Teaser, die Anreißer, die die Nutzer auf die Seite locken sollen. Denn diese Listicles und drolligen Tiervideos werden tausend- und millionenfach über soziale Netzwerke, vor allem Facebook, Twitter und Instagram, geteilt und weitergereicht, wodurch die User irgendwann auf der Ursprungsseite, nämlich „Buzzfeed“, landen.

Mit dieser Art des viralen Marketings hat „BuzzFeed“ enormen Erfolg. Schrieb Paretti im September noch von 85 Millionen Usern, die seine Seite besucht hätten, waren es im November bereits 130 Millionen. Das sind mehr als seit der Gründung des Portals im Jahr 2008 in allen Jahren zusammen. Und drei- bis viermal so viel wie die Onlineangebote etablierter Zeitungen wie der „Guardian“ oder die „New York Times“ in ihren besten Monaten. „BuzzFeed Video“, einer der drei größten Inhaltehersteller auf Youtube, vermeldete mit mehr als 110 Millionen Videoviews ebenfalls einen Rekord. Auch im Bereich des Social Advertising, also bei Werbebotschaften auf sozialen Netzwerken, ist die Seite Nummer eins und schreibt schwarze Zahlen.

Jetzt gründet "BuzzFeed" ein Investigativressort

Doch das ist nicht das Einzige, das den traditionellen Medienhäusern Kopfzerbrechen bereitet. Denn Peretti investiert jetzt auch verstärkt in Nachrichten und baut gerade eine investigative Abteilung auf. Dazu wirbt er ausgewiesene Journalisten von traditionellen Zeitungen ab, wie zum Beispiel die Nachrichtenredakteurin Lisa Tozzi von der „New York Times“. Sie sei eine „ideale Kombination aus abgebrühter Nachrichtenjournalistin und gerissener Social-Media-Nutzerin“, sagte „BuzzFeed“-Chefredakteur Ben Smith vor ein paar Monaten in einem Interview mit „The Atlantic“.

Das Ziel: Eine der größten Websites der Welt zu werden

Genau das sind die Qualitäten und Fähigkeiten, die „BuzzFeed“ von seinen Mitarbeitern verlangt. Denn im Zeitalter von Social Media sei die Herstellung von Texten nurmehr die eine Hälfte journalistischen Arbeitens, so Peretti in seinem Statement an die Welt. Die andere Hälfte müsse darauf verwendet werden, diesen Inhalt auch über den richtigen Kanal an die Leser zu bringen. „Wir werden weiter die talentiertesten Reporter und Schreiber der Welt engagieren, wir werden unsere Nachrichtenberichterstattung weiter entwickeln, die Infrastruktur und das Team für investigativen Journalismus im großen Umfang aufbauen und unsere Leser über die Inhalte informieren, die für sie und ihre Welt von Bedeutung sind“, verkündet er. Und prophezeit: „Nächstes Jahr um diese Zeit sollten wir eine der größten Seiten im Web sein.“

Nachdem kürzlich bereits in Brasilien, Frankreich und Spanien Dependancen gelauncht wurden, sollen 2014 international weitere Märkte erschlossen werden. Deutschland steht laut Peretti noch nicht auf der Liste, mit „Upcoming.de“ hat sich Ende Oktober aber bereits eine Art Klon gegründet. Die Seite gehört zur niederländischen Telegraaf Media Group, die nach eigenen Angaben „eine Schlüsselrolle in der Medienrevolution von heute und morgen“ spielt und bereits ein niederländisches Upcoming betreibt. Die deutsche Seite ist noch ziemlich mager und besteht vor allem aus begrenzt spannenden Listicles wie „13 Zeichen, dass heute Beyoncétag ist“ oder „13 Katzen, die ihre (Computer-)Mäuse lieben“. Und auch auf Facebook, dem zentralen Trafficbringer, haben sich noch keine 800 Leute gefunden, denen das gefällt.

Schwer zu sagen, ob Plattformen wie „BuzzFeed“ die Zukunft des Journalismus sind. Aber die Medienhäuser, denen die jungen Leser und User wegbrechen, tun gut daran, sich mit den „Social Media“-Ködern von „BuzzFeed“ zu beschäftigen. Auch wenn die frustrierende Erkenntnis daraus heißen könnte, dass manche Leser lieber zuerst auf die Katzenbilder oder seltsame Spaßlisten klicken als auf den Experten-Kommentar zur Situation im Nahen Osten.

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