Ist ein Medienpreis für Rezo gerechtfertigt?: „Man sollte ihm dankbar dafür sein“
Warum ein Nannen-Preis für Rezo und sein Video „Die Zerstörung der CDU“ gerechtfertigt ist. Ein Gastbeitrag von Steffen Klusmann und Richard David Precht.
Ist das zeitgenössischer Journalismus? Oder ist das nicht alles viel zu subjektiv, zu sehr Meinung, Agitation, politischer Aktivismus? Natürlich haben wir uns das in der Jury des Henri-Nannen-Preises gefragt. Rezos Video „Die Zerstörung der CDU“ spaltet die Gemüter. In der Jury nicht anders als bei seinem Erscheinen im Mai 2019. Vielleicht, weil der Titel des Videos so provoziert, und vielleicht auch, weil vor allem der CDU angelastet wird, was sich genauso anderen anlasten lässt.
Nein, nicht dass vornehmlich die seit 14 Jahren regierende CDU von Rezo mit der Drahtbürste frisiert wird, hat die Jury überzeugt. Überzeugt für die Vergabe eines Nannen-Preises an Rezo hat seine frische, unverblümte, faktenreiche Analyse und Präsentation, mit der er mehr (vor allem junge) Menschen erreicht hat als die meisten politischen Zeitungen und Magazine des Landes zusammen.
[„Spiegel“-Chefredakteur Steffen Klusmann und der Philosoph und Autor Richard David Precht sind Mitglieder der Hauptjury Nannen-Preis 2020.]
Ob der von etablierten Politikern so oft heruntergespielte Klimawandel oder die verheimlichten und bagatellisierten Drohnenkriege der USA von der Militärbasis in Rammstein aus, ob Drogen- oder Bildungspolitik – Rezo legt den Finger sehr viel mutiger und direkter in Wunden als der etablierte Journalismus dies tut. Einige in der Jury fühlten sich erinnert an J’accuse, den offenen Brief des französischen Schriftstellers Émile Zola an den damaligen Präsidenten der Französischen Republik.
Was ist mit Augstein und Nannen?
Bleibt die Frage: Ist Rezo in seiner Anklage nicht viel zu subjektiv und bewertend? Gegenfrage: Waren Rudolf Augstein und Henri Nannen stets objektiv und um Ausgleich bemüht? Waren Marion Gräfin Dönhoff und Joachim Fest jemals weltanschaulich neutral? Rezos Urteile mögen mitunter überspitzt sein, seine Recherchen sind gleichwohl überzeugend. Und wer wird von sich sagen können, dass er so viel zur politischen Bildung der deutschen Jugend getan hat wie der Youtuber Rezo?
Regisseur Luchino Visconti ließ den Adeligen in seinem Filmepos „Der Leopard“ Staub ins Gesicht blasen, damit sie von den frischen Gesichtern der sizilianischen Bauern abstachen und alt und anachronistisch aussahen als Vertreter einer untergehenden Zeit.
Den Staub, den Rezo so vielen Politikern, aber auch manchem etablierten Journalisten ins Gesicht geblasen hat, sollte man nicht so einfach abklopfen. Man sollte ihm dankbar dafür sein.
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