Hass und Hetze im Netz: „Löschen allein reicht nicht“
Eine "Task-Force" soll dafür sorgen, dass Hasskommentare schneller aus dem Netz verschwinden. Im Interview spricht "Task-Force"-Mitglied Uwe-Karsten Heye über erste Erfolge und warum Facebook und Google noch stärker in die Pflicht genommen werden müssen.
Herr Heye, Sie sind Vorstandsvorsitzender der Initiative „Gesicht zeigen!“ und Mitglied der „Task-Force“, die Bundesjustizminister Heiko Maas im September initiiert hat, um effektiver gegen Hasskommentare im Netz vorzugehen. Hat die „Task-Force“, zu der auch Facebook und Google gehören, dieses Ziel bereits erreicht?
Nein, dafür muss man erst mal abwarten, ob Facebook und Google ihre Zusagen einhalten, alle Hasskommentare zu eliminieren, die sich nicht mit deutschem Recht vertragen. Alles, was da an entsprechenden Schrecklichkeiten vorzufinden ist, will Facebook auf seinen Seiten künftig innerhalb von 24 Stunden löschen. Google tut dies bereits.
Woher kommt aus Ihrer Sicht überhaupt der wachsende Hass im Netz?
Darauf gibt es sicher nicht nur eine Antwort. Was wir derzeit aber erleben, ist eine Abwesenheit von Verfolgungsdruck gegen rechtsextreme Straftaten, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Es gab allein in diesem Jahr mehr als 500 Angriffe mit möglicherweise rechtsextremen Hintergrund auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, nur ein einziger ist vor Gericht gekommen und verurteilt worden. Es gibt offensichtlich einen institutionellen Rassismus, der sich seit den Ermittlungen zum Nationalsozialistischen Untergrund NSU nicht verändert hat. Die zuständigen Behörden sind auf dem rechten Auge nicht nur blind, sondern sie haben das rechte Auge zugeklebt.
Sie sehen also einen Zusammenhang zwischen Hass und Hetze auf Seiten wie Facebook und der dramatischen Zunahme von Anschlägen auf Flüchtlinge?
Ja, da gibt es einen sehr engen Zusammenhang. Wenn diejenigen, die Hass und Hetze im Netz verbreiten, sich nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung fürchten müssen, ist es nicht verwunderlich, wenn diesen verbalen Aufforderungen dann auch Taten folgen. Wir werden mit der „Task-Force“ deshalb auch nur weiterkommen, wenn auch andere Stellen wie das Bundesinnenministerium in die Arbeit miteinbezogen werden.
Würde denn der Umkehrschluss bedeuten: Weniger Hass im Netz führt zu weniger rechtsextremen Anschlägen?
Das weiß ich nicht, aber es könnte weniger Anreize dafür geben, wenn es in der Gesellschaft eine noch klarere Haltung gegen diese Art von Fremdenhass und Alltagsrassismus gibt. Dafür ist auch ein Fach Medienkunde in den Schulen notwendig, damit Kinder und Jugendliche wissen, wie sie Hass und Hetze im Netz begegnen können.
Reicht Ihnen denn das Zugeständnis von Facebook und Google, Hasskommentare künftig nach deutschem Recht und innerhalb von 24 Stunden zu prüfen?
Ich glaube, dass Facebook und Google sehr wohl verstanden haben, dass wir aufgrund unserer Geschichte hier in Deutschland eine sehr besondere Situation haben, von der wir nicht wollen, dass sie sich wiederholt. Dafür ist es aber notwendig, in Bewegung zu geraten und Haltung zu zeigen gegen jede Form von rechtsextremer Hetze. Dazu soll die „Task-Force“ ein Beitrag sein.
Facebook veröffentlicht allerdings weiter keine Zahlen darüber, wie effektiv es gegen Hasskommentare vorgeht. Erwarten Sie da eine größere Transparenz?
Wie die das machen, ist mir völlig wumpe, Hauptsache, sie setzen ihre Methoden so um, dass Hasskommentare innerhalb von 24 Stunden eliminiert sind. Mit der notwendigen Sensibilität und mit einer völlig klaren Vorstellung davon, was das deutsche Recht fordert, nämlich, dass jede Art von Volksverhetzung hier nicht möglich sein darf. Und ich glaube, das ist von Facebook und Google jetzt sehr klar verstanden worden.
Im März soll erneut überprüft werden, wie gut die von der „Task-Force“ vereinbarten Maßnahmen greifen.
Ich erwarte bis dahin, dass die Ankündigung von Google und Facebook umgesetzt wird, die Kommentare effektiver zu löschen. Das allein wird im Kampf gegen Hass und Hetze aber nicht reichen. Sondern wir alle müssen sehr viel intensiver darüber nachdenken, ob durch die Digitalisierung nicht auch eine Art von sozialer Distanz entsteht zwischen den Menschen – und wie man diesen Folgen so begegnet, dass wir nicht eine kalte Gesellschaft werden.
- Das Gespräch führte Sonja Álvarez.