Neue Serie: "How to Get Away with Murder": Lohnen sich Verbrechen doch?
„How to Get Away with Murder“: Eine US-Serie bei Vox zieht den Erfolg Wahrheit und Gerechtigkeit vor.
Annalise Keating ist eine brillante Strafverteidigerin und eine ebensolche Juraprofessorin. Ihre Siege vor Gericht verdankt sie auch ihrer Praxis, sich zu Beginn eines Studienjahrs aus den angehenden Juristen das beste Team zusammenzustellen. Sie rekrutiert es während ihrer Vorlesung „How to Get Away with Murder“ – Wie man mit Mord davonkommt. Keating geht es nicht um Wahrheit, nicht um Gerechtigkeit – einzig und allein geht es ihr um den Erfolg. Darum, dass die Frau, der Mann, dass sie den Gerichtssaal als freie Menschen verlassen können.
Die US-Serie stellt keine tapferen Anwälte ins Zentrum, die tapfer um die Freiheit zu Unrecht des Mordes angeklagter Menschen kämpfen, nein, es geht um die legalen wie illegalen Tricks, die Mordanklage zu atomisieren. Wie im Premierenfall, als eine Sekretärin beschuldigt wird, dass sie ihren Boss, die beiden hatten ein Verhältnis, ins Jenseits befördern wollte, weil der plötzlich nichts mehr von ihr wissen wollte. Annalisa Keating (Viola Davis) hat den Fall übernommen, die gesamte Studentenschar versucht, die Professorin mit einer gewinnbringenden Verteidigungsstrategie für den aktuellen Fall zu beeindrucken. Vier kommen durch: Wes Gibbins (Alfred Enoch, „Harry Potter“-Reihe) auf dem Weg vom Außenseiter zum Talent, Connor Walsh (Jack Falahee, „Twisted“), der seine sexuelle Attraktivität ausnutzt, um jungen Männern Informationen zu entlocken; die vor Ehrgeiz platzende Michaela Pratt (Aja Naomi, „Black Box“), der reiche Sohn Asher Millstone (Matt McGorry, „Orange is the New Black“) mit seinen elitären Beziehungen, schließlich die mehr schüchterne Laurel Castillo (Karla Souza, „Verano de Amor“), bei der sich Empathie und Analysefähigkeit verbinden.
Strafrecht schult die Raffinesse
Schnell zeigt sich: Strafrecht schult weniger den Charakter als die Raffinesse. Es geht um die Kunst der Manipulation. Keatings Rezept beim (ersten) Fall: „Schritt 1: Diskreditiere die Zeugen. Schritt 2: Präsentiere einen neuen Tatverdächtigen. Diese Person ist Mister Kaufmans eifersüchtiger Geschäftspartner. Schritt 3: Wir vergraben die Beweise. Wir füttern die Geschworenen mit derart vielen Informationen, dass sie, wenn sie sich zur Beratung zurückziehen, nur noch ein Gefühl haben. Nämlich: Zweifel.“ Am Ende ist ihre Mandantin frei.
Überstrahlt wird der ausgezeichnete Cast von Viola Davis, zweifach für den „Oscar“ nominiert. Knallhart zum Team, eisenhart in der Ansprache, Mitleid und Schwäche sind was für Feiglinge. Das könnte eine outrierte Anwaltsdrohne geben, Davis aber ist kraftvoll, wenn sie knallhart ist, sie ist evident, wenn sie eisenhart vorgeht. „How to Get Away with Murder“, kreiert und produziert von Shonda Rhimes, Peter Nowalk und Betsy Beers, versammelt komplexe Figuren – und hat einen weiteren Clou. Neben dem aktuellen Fall läuft – aufgezeigt durch zwischengeschaltete Zeitsprünge – ein weiterer (Mord-)Fall. Keatings Team versucht eine Leiche verschwinden zu lassen.
Wenn schon ein Tötungsdelikt ein spannendes Hin und Her zwischen Verteidigung und Anklage, ein Auf und Ab zwischen Schuld und Unschuld ist, so dreht diese US-Serie ein weiteres Mal an der Spannungsschraube. Eben eine vertrackte Mordgeschichte, in die Keatings Ehemann verwickelt scheint. Vorgeführt in Kino-Optik, mit riskanter Kamera und einem Cast, in dem nicht geschwächelt wird. „How to Get Away with Murder“ schaut tief in die Figuren hinein, entdeckt dort nicht nur das Wahre und Schöne. Jeder Mensch hat seinen Schatten.
Diese US-Serie hat auch ein Erfolgsgeheimnis: Sie verdammt nicht den Erfolg um jeden Preis. Weder rechtlich noch moralisch noch menschlich. Sie agiert in der Grauzone, dort, wo der Charakter eines Menschen zu Hause ist – nicht nur der eines Mörders. Joachim Huber
„How to Get Away with Murder“, Vox, Mittwoch, zwei Folgen, 20 Uhr 15
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