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Die Todeszelle im einem Gefängnis in Texas. Die meisten US-Bundesstaaten sehen die Todesstrafe vor. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Befürworter.
© dpa

Todesstrafe: Deutschlands Jurastudenten sind für die harte Linie

Jeder dritte Befragte ist nach aktuellen Zahlen für die Todesstrafe, mehr als die Hälfte für Folter unter bestimmten Bedingungen. Die Befürworter haben sich in den vergangenen Jahren verdreifacht.

Berlin - Ein Drittel der Jurastudenten will die Todesstrafe zurückhaben. Auch Folter könne unter bestimmten Bedingungen angemessen sein, findet sogar die Hälfte der Befragten. Und auch ganz allgemein besteht heute ein größerer Drang zu harten Strafen als früher. Das alles geht aus einer Studie des Erlanger Strafrechtsprofessors Franz Streng hervor.

Streng legt seinen Erst- und Zweitsemestern seit 1989 immer den gleichen Fragebogen vor; manchmal aktualisiert er ihn. Die Folterfrage kam 2002 hinzu. Damals entführte der Jurastudent Magnus Gäfgen den Bankierssohn Jakob von Metzler und ermordete ihn; Frankfurts Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner griff zu einer drastischen Methode, um Gäfgen schnell zu einer Aussage zu nötigen und so vielleicht das Leben des Jungen zu retten: Er ließ durch einen Kollegen Folter androhen. Dafür wurden beide verurteilt.

Kriminologe Streng macht seinem Namen in dieser Hinsicht keine große Ehre, ihn erfüllt die Strenge seiner Studenten eher mit Besorgnis. „Ich finde das ziemlich beunruhigend“, sagte Streng dem Tagesspiegel. Er habe auch nicht nur seine eigenen Studenten befragt; es könne also nicht an Positionen liegen, die er womöglich selbst vertreten habe. Über die Jahre waren es 3133 Befragte der Unis Erlangen und Konstanz. Bis 1997 seien die Antworten gleichbleibend gewesen, ab dann ging das verlangte Strafmaß deutlich nach oben.

Ein Beispielsfall: Beziehungsdrama, Trennung, Totschlag im Affekt. 1979 fragte Streng niedersächsische Richter, bei welcher Strafhöhe sie anfangen würden nachzudenken. Es waren circa sechs Jahre. Ab 1989 stellte er die gleiche Frage erstmals seinen Erlanger Studenten. Auch sie kamen auf etwa sechs Jahre. So blieb es über Jahre, bis ab 1997 die Werte – auch in den anderen Fragen – anstiegen. 2012 lautete die Antwort: neuneinhalb Jahre. Auch die Zahl der Ausschläge nach oben nahm zu, bis hin zur Forderung nach lebenslänglich.

„Im Jahr 1977 waren elf Prozent für die Todesstrafe, jetzt sind es fast 32 Prozent“, sagt Streng. Auch die Begründungen für eine hohe Strafe verschöben sich: Die Sicherung der Allgemeinheit vor dem Täter sei heute das Wichtigste, nicht so sehr die Resozialisierung des Täters. Auch der Vergeltungsgedanke habe Zuspruch gewonnen.

Je mehr Ängste vor Kriminalität vorhanden seien, desto höher sei die Straferwartung, aber auch die derzeit insgesamt geringe Kriminalitätsfurcht habe nicht verhindern können, dass die Straferwartung anstieg.

„Das macht mir Sorgen“, sagt Streng. Er wünscht sich, dass alle, die in der Strafjustiz zu tun haben, also Richter, Staatsanwälte und auch Verteidiger, eine Zusatzausbildung in Kriminologie machen müssten. „Dann wüssten sie, was sie von Strafe erwarten können – etwa könnten sie die vielfach problematischen Auswirkungen hoher Strafen und im Einzelfall auch deren Verzichtbarkeit besser erkennen.“ Die lebenslange Freiheitsstrafe ist in unserem Strafrecht die Höchststrafe; bei Gefährlichkeit des Täters folgt schlimmstenfalls anschließend die Sicherungsverwahrung. Die Todesstrafe ist abgeschafft, bestimmt das Grundgesetz in Artikel 102 – eine Reaktion auf den massenhaften Vollzug der Todesstrafe durch die Nazis.

Selbst lebenslänglich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht wirklich lebenslang dauern – 1977 stellte das Gericht Maßstäbe auf, unter denen eine lebenslange Haftstrafe verfassungsgemäß ist. Eine Fortdauer der Haft bis zum Tode und ohne Möglichkeit, wieder freizukommen, hat das Gericht als verfassungswidrig eingestuft. 15 Jahre müssen verbüßt sein, bevor der Gefangene vorzeitig auf Bewährung entlassen werden kann. Durchschnittlich verbringen „Lebenslängliche“ rund 20 Jahre in Haft.

Doch die Haltung der Studenten zu dieser Strafform hat sich stark gewandelt. In einer Untersuchung von 1977 forderte noch jeder dritte, dass die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft werden sollte, und nur 6,7 Prozent hielten sie für eine im Einzelfall zu milde Strafe. 2012 hingegen sprach sich nur noch jeder fünfzigste Student für eine Abschaffung aus, demgegenüber sah fast jeder dritte die lebenslange Freiheitsstrafe als zu milde an.

Freilich haben die Befragten die Anwendung so archaischer Strafen oder Methoden an strenge Bedingungen geknüpft. Die Todesstrafe würden sie in Betracht ziehen bei Sexualmorden und grausamen Morden, wobei der Fragebogen Optionen wie Kriegsverbrechen oder auch Straftaten an Kindern nicht vorsah.

Die Folter stellt für die Hälfte der Befragten im Extremfall einen gangbaren Weg dar: Zur Rettung eines Menschenlebens sahen in einer Zusatzuntersuchung, die zwischen 2002 und 2010 durchgeführt wurde, 22,1 Prozent die Folter als zulässiges Mittel an; weitere 29,2 Prozent bejahten das für die Abwehr schwerster Gefahren für die Allgemeinheit, zum Beispiel den Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Terroristen. Weniger als die Hälfte, nämlich 42 Prozent, lehnte die Folter komplett ab, was auch der Rechtslage entspricht. Es gilt sowohl ein grundgesetzliches Verbot der körperlichen oder seelischen Misshandlung festgehaltener Personen als auch ein entsprechendes Verbot auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention. So bleibt zu hoffen, dass die Studenten auf dem Weg in höhere Semester dazulernen. Immerhin liegt sowohl in Folter als auch in der Todesstrafe ein Verstoß gegen den Verfassungssatz, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist.

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