Dialog in der Corona-Krise: Lassen wir uns nicht mundtot machen!
Die neue ARD-Chefin Patricia Schlesinger will den Dialog befördern. Das ist dringend notwendig, weil die Meinungskorridore immer enger werden. Ein Kommentar.
Digitalisierung, Diversität, Dialog, mit diesen drei D’s und der inkludierten Forderung nach deren Vermehrung hat RBB-Intendantin Patricia Schlesinger das Aufgabenfeld für ihren ARD-Vorsitz umrissen. Keine Frage, dass die öffentlich-rechtlichen Angebote den Aufbruch des Publikums ins Online-Universum zu ihrem Aufbruch machen müssen. Keine Frage, dass eine diverse Gesellschaft sich in den Mitarbeitenden wie in den Mitwirkenden personell wie programmlich niederschlagen muss.
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Der dritte Punkt – der Dialog – ist der schwierigste. Nicht nur die Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfahren Beleidigung, Belästigung, Bedrohung, wenn sie zur Corona-Pandemie reportieren, berichten, kommentieren. Das hat auf allen Seiten zu Freund-Feind-Denken geführt. Schlesinger macht mit Blick auf die Berichterstattung zu Recht darauf aufmerksam, dass „wir vielleicht zu spät auf jene Menschen eingegangen sind, die Impf-Vorbehalte haben“.
Sehr enger Meinungskorridor
An diesem und sicherlich nicht nur an diesem Thema lässt sich feststellen, dass ein Meinungskorridor sehr eng werden, sich auf ein striktes Pro und ein strenges Contra reduzieren kann. Damit verzwergen sich auch die digitale, die diverse, die dialogische Welt. Meine Überzeugung ist: Bei vier Milliarden Impfungen auf der Welt – eine Zahl von Karl Lauterbach – ist die Wirksamkeit des erfolgreichsten Gegenmittels gegen die Pandemie unbestritten und unbestreitbar.
Der Widerspruch der Impfgegner, Impfskeptiker wird da sofort laut. Genau: der Widerspruch. Wer ist bereit, egal auf welcher Seite, egal bei welchem Thema, ob beim Impfen oder bei der Atomenergie, sich einzugestehen, dass seine Argumentation mit Widersprüchen beschwert ist?
Absage an Ambivalenz
Wir alle wollen erkennbar nicht mehr in einer Welt der Ambivalenz von Erkenntnis und Einsicht leben. Ambivalenz heißt Widerspruch, Widersprüche sind notwendiger Gegenstand des Interesses, wenn sie Motor des Fortschritts sein sollen. Besserwisserei und Moral sind es nicht.
Vielleicht sind es die Medien, voran die reichweitenstarke ARD, die den Dialog aus Einlassung und Einspruch wieder in Gang bringen sollten. Zu spät ist es nie.