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Whatsapp, Signal oder Telegram? Die Auswahl an Messengern ist groß.
© picture alliance/dpa/dpa-tmn

Media Lab: Die Ursache heißt Polarisierung

Bei Telegram treffen sich dann Gleichgesinnte, die nicht mehr am gesamtgesellschaftlichen Meinungsaustausch teilnehmen und häufig unwidersprochen bleiben.

Der Netzwerkdienst Telegram ist ins Gerede gekommen. Nach Morddrohungen gegen deutsche Politiker werden die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Betreibers in den Vereinigten Arabischen Emiraten und die eingeschränkten Möglichkeiten der Durchsetzung deutscher Gesetze beklagt.

Telegram ist ein hybrider Netzwerkdienst, der sowohl private Unterhaltungen und Chatgruppen als auch öffentliche Kanäle anbietet, denen man anonym beitreten kann. Der Russe Pavel Durov gründete den Dienst 2013 als besonders gegen staatliche Eingriffe gesicherte Plattform mit hohen Datenschutz- und Nachrichtenverschlüsselungsstandards. In Russland war Telegram von 2018 bis 2020 verboten.

In Vorderasien galt das Netzwerk als Rekrutierungsplattform für die Terrorgruppe Islamischer Staat. In Europa und den USA wird Telegram für die Radikalisierung politischer Extremisten und die Verbreitung von Verschwörungstheorien verantwortlich gemacht.

In den USA haben die Politikwissenschaftlerin Samantha Walther und ihr Kollege Andrew McCoy am Institut für Terrorismusbekämpfung (Washington DC) mit einschlägigen Schlüsselwörtern insgesamt 125 Kanäle auf Telegram identifiziert, die sie unterschiedlichen extremistischen Bewegungen zuordnen konnten.

Rechtsextreme Gruppen und Corona-Leugner sind unter den Extremisten in der Mehrzahl, haben die größten Zuwachsraten und verbreiten in ihren Kanälen Misstrauen gegen journalistische Medien und die großen Netzwerkplattformen wie Twitter oder Facebook.

Nach Ansicht der Autoren ist Telegram für diese Entwicklung allerdings nicht der Auslöser und das Problem. Sie sehen den Grund für den Erfolg dieser „alternativen“ Medien in der zunehmenden Polarisierung der gesellschaftlichen Positionen. Rechtskonservative Akteure werden von den konventionellen Plattformen verdrängt und dort aus dem öffentlichen Dialog ausgeschlossen.

Unter anderem bei Telegram treffen sich dann Gleichgesinnte, die nicht mehr am gesamtgesellschaftlichen Meinungsaustausch teilnehmen, immer extremere Positionen entwickeln und häufig unwidersprochen bleiben.

Joachim Trebbe

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