TV-Serie Newtopia: Kunstdorf, Kühe und Kommunismus in Königs Wusterhausen
Heute startet "Newtopia". Mitten in Brandenburg hat Sat.1 die nächste künstliche Welt der Fernsehüberwachung gebaut. Darin beginnen 15 Menschen ein neues Leben - zumindest für ein Jahr. Ein Besuch am Drehort.
Der Schauplatz für das neue Fernsehabenteuer von Sat.1 lässt sich von außen nur erahnen. Abseits der Hauptstraßen und damit mitten im Wald in der Nähe der kleinen Ortschaft Zeesen, rund 40 Kilometer südlich des Berliner Zentrums, umschließt ein blickdichter und doppelter Zaun ein rund zwei Hektar großes Gelände. Davor patrouillieren Wachschützer, zusätzlich sollen Dutzende Überwachungskameras ein unbefugtes Eindringen und Verlassen des Areals verhindern. Am Dienstag öffnete sich das auf nostalgisch gemachte Eingangstor erst- und wohl auch letztmalig für die Presse. Denn am 23. Februar sollen hier sieben Frauen und acht Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren einziehen und ein Jahr lang ein neues Leben unter dem Namen „Newtopia“ ausprobieren. Anfangs lief das Projekt noch unter „Utopia“. Doch dieser Name ist in Deutschland mehrfach geschützt, also ließen sich die Produzenten „Newtopia“ einfallen.
Zielgerichtet schlägt der Erfinder des Formats John de Mol, von dem Produktionen wie „Big Brother“ und „The Voice of Germany“ stammen, den Weg zur Scheune ein. „Die Bewohner dieser Siedlung erleben hier entweder ihr vollkommenes Glück oder das totale Chaos“, sagt er mit Blick auf einen künstlich angelegten Teich inklusive Forellen. Es ist so eine Art Dschungelcamp in der brandenburgischen Landschaft, gleich bei Königs Wusterhausen. „Sie kennen sich ja alle nicht und müssen mit einem Startkapital von insgesamt 5000 Euro auskommen.“ Ein Prepaid-Handy mit 25 Euro Guthaben von 25 Euro dient dem Kontakt nach draußen. Dann begrüßt er die beiden Kühe, die mit der Hand gemolken werden müssen. Nebenan gackern 25 Hühner, sodass es wenigstens Frühstückseier geben wird.
Doch es fehlt noch der Strom, ebenso sind die Wasseranschlüsse bislang nur vorbereitet worden. „Entweder die Bewohner bauen alles selbst, oder sie lassen Fachleute von außen kommen“, erklärt Matthias Wolf, Projektleiter der Produktionsfirma Talpa Germany. „Dafür ist das Geld gedacht. Wahrscheinlich bestellt die Gruppe am ersten Abend einen Pizzaservice, denn es gibt ja in der Scheune noch keine Kochgelegenheit.“ Ebenso sucht man in dem vom Filmstudio Babelsberg auf uralt gestylten und 400 Quadratmeter großen Gebäude vergeblich irgendwelche Schlaf-, Wasch- oder Sitzgelegenheiten. Dafür könnten sich die 15 „Pioniere“, wie sie von den Produzenten genannt werden, mit alten Zeitungsschlagzeilen aus den ersten Kriegsmonaten 1939 oder mit Jubel-Beiträgen über den „sozialistischem Wettbewerb“ aus dem „Neuen Deutschland“ an den Wänden beschäftigen. Während der Olympischen Spiele 1936 wurden von hier aus die Radiosendungen produziert. Danach folgte ein streng abgeschotteter Sendebetrieb zu DDR-Zeiten.
15 Kandidaten aus rund 8000 Bewerbern
Die „Newtopianer“ sollen zusammen ein neues Leben organisieren. Die 15 Kandidaten haben sich gegen rund 8000 Bewerber (!) durchgesetzt. Sat 1 übernimmt für ein Jahr alle laufenden Kosten wie Miete oder Unterhaltszahlungen. Dafür müssen sich die Teilnehmer aber ständig einer der 105 Kameras auf dem Gelände aussetzen. Denn ihr Treiben wird ein Jahr lang ununterbrochen im Internet übertragen und montags bis freitags ab 19 Uhr für eine knappe Stunde im Sat-1-Programm gezeigt. Die Zuschauer sollen sich nicht nur an der bunt zusammen gewürfelten Truppe amüsieren, sondern selbst aktiv werden. Sie können jeden Monat darüber mitentscheiden, wer das Kunstdorf verlassen soll, um einem Nachrücker Platz zu machen. Die Vorauswahl für dieses Ausscheiden treffen die Bewohner aber selbst. Freiwillig darf niemand das Gelände verlassen, Notfälle natürlich ausgeschlossen. Sollte am Ende ein Gewinn erwirtschaftet sein, wird er geteilt. Wie, das wird sich zeigen.
In den Niederlanden und in der Türkei erwies sich das Format als Erfolgsgarant, in den USA wurde es abgesetzt. Über die Kosten des Projektes schweigt der Münchner Sender. Doch der Aufwand im Wald ist gewaltig. In den letzten Monaten ist ein Sendekomplex mit 138 Containern entstanden, in dem das gesamte „Newtopia“-Programm hergestellt wird. Mehr als hundert Mitarbeiter werden auf dem Gelände ein ganzes Jahr lang beschäftigt sein, das Areal der „Pioniere“ dürfen sie aber nicht betreten.
„An uns verdienen sie nichts“, meint die Architektin Sandra Kavelly. „Sie können nur Geld einnehmen, wenn sie Eier, Milch oder andere Produkte am Tor verkaufen. In Holland haben die Bewohner aber auch Geld bei Führungen oder mit Beherbergungsplätzen für Radfahrer und Wanderer eingenommen.“ Das werde bestimmt hier auch so sein.
Die Bewohner von Zeesen oder aus dem nahen Königs Wusterhausen dürften bisher vom Projekt „Newtopia“ noch nicht viel gehört haben. Jedenfalls wusste am Dienstag kaum jemand auf den Straßen Bescheid. Das Gelände, so hieß an der nahen Tankstelle nur, sei schon immer ein Sperrgebiet gewesen.