Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Politik: Krise in Thüringen, Eskalation in London
Während ARD & Co. um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages fürchten müssen, soll die BBC künftig über Abos finanziert werden
Das könnte sich zum Triumph der Alternative für Deutschland (AfD) auswachsen. Wenn sich nach dem Coup bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen gleich folgender anschließen würde: die Verzögerung, wenn nicht sogar Verhinderung der Erhöhung des Rundfunkbeitrages für ARD, ZDF und das Deutschlandradio. Zwar sitzen die Rechtspopulisten in keiner der 16 verantwortlichen Landesregierungen noch haben sie eine Mehrheit in einem der 16 Länderparlamente und doch haben sie mit dem mehr als nur ungeschicktem Vorgehen von aller anderen Parteien im Thüringer Landtag eine Situation mitkreiert, die den begonnenen Prozess eines Zuschlags beim derzeitigen Monatsbeitrag von 17,50 Euro in Frage stellt: Thüringen hat auf welche Zeit auch immer keinen Regierungschef.
Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow jedenfalls macht sich wegen der unklaren politischen Lage in Thüringen Gedanken mit Blick auf eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags. „Ich kann nur inständig hoffen, dass die Länder handlungsfähig sind, um einen verlässlichen Finanzrahmen zu geben, weil die Konsequenzen erheblich sein könnten, wenn sich zum Beispiel der Zeitplan nach hinten verschiebt“, sagte Buhrow im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
KEF gibt Beitragsempfehlung ab
Am kommenden Donnerstag gibt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarf der öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) ihre Empfehlung zur nächsten Rundfunkbeitragsperiode an die Länder ab. In einem vorläufigen Entwurf hatte sie eine Erhöhung von derzeit monatlich 17,50 Euro auf 18,36 Euro von 2021 bis 2024 vorgeschlagen. Es wird damit gerechnet, dass die Kommission bei der Größenordnung bleibt. Damit ist nur ein Schritt hin zu einem künftigen Beitrag getan. Nach der per Staatsvertrag vorgeschriebenen Prozesslogik haben die Länder in dieser Sache das letzte Wort. Die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten könnten bei ihrer Konferenz im März den empfohlenen Rundfunkbeitrag auf die Tagesordnung setzen. Für einen Beschluss darüber braucht es freilich Einstimmigkeit. In Thüringen herrscht derzeit eine Regierungskrise, nachdem der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Regierungschef gewählt worden war und Tage später zurücktrat. Er ist seitdem geschäftsführend ohne Minister im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist.
Rücklagen helfen
Tom Buhrow, im Hauptberuf Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) ist, sagte im dpa-Interview: „Es ist immer noch möglich, dass in Thüringen demnächst ein handlungsfähiger Regierungschef da ist und dann mit Verzögerung die Diskussionen stattfinden. Aber es macht die Lage insgesamt schwieriger, für die Länder und für uns. Wir müssen ja irgendwann auch unsere Wirtschaftspläne aufstellen.“ Die Frage, ob er es noch für möglich hält, dass ab 2021 ein neuer Rundfunkbeitrag gilt, beantwortete Buhrow mit: „Ja“. Muss er, ARD, ZDF und Deutschlandradio arbeiten längst nicht mehr auf dem Beitragsniveau von 17,50 Euro, sondern deutlich darüber, eben nahe den 18,36 Euro. Das kommt daher, dass sie dieses Plus aus ihren Rücklagen nehmen können, die sich aus der Umstellung von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag angesammelt haben. Dieses Geld ist aufgebraucht, eine Erhöhung auf 18,36 Euro würde den Beitragszahler zwar mehr kosten, die Budgets der Sender tatsächlich aber längst nicht im selben Umfang, sondern nur zu einem geringen Teil vergrößern.
Abo-Modell bei der BBC?
Sorgen, die man bei der BBC gerne hätte. Das Vorbild für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland steht unter erheblich stärkerem politischen Druck. Immer schon in einer heftigen Auseinandersetzung mit den konservativen Tories gefangen, sucht die Regierung von Boris Johnson die nächste Eskalation. Für ihn und seine Partei ist die BBC ein erklärter Feind. Nach übereinstimmenden Medienberichten plant Downing Street die Abschaffung der Rundfunkgebühr bis 2027, dem Jahr, in dem Erneuerung der Royal Charter – entspricht dem Rundfunkstaatsvertrag – ansteht. Die Gebühr könnte dabei der Hebel sein, um das (nicht gerade kleine) Portfolio aus zehn Fernsehkanälen, 61 nationalen und lokalen Hörfunksender und der Website herunterzustutzen.
Aktuell müssen Briten für den Fernsehempfang jährlich eine Lizenz von 154,50 Pfund (rund 185 Euro) bezahlen; der Radioempfang kostet nichts. Johnson und sein Staatsminister John Whittingdale, dezidierter Gegner der Gebühr, wollen das Lizenz- durch ein Abo-Modell ersetzen. Heißt: Es finanzieren nicht mehr alle fernsehenden, sondern nur noch die Briten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die ihn nutzen wollen. Klar ist, dass damit das Jahresbudget von jetzt 3,7 Milliarden Pfund schrumpfen würde. Und mit der Reduzierung der Programmleistung könnte Johnson gut leben, public value hin, öffentlicher Auftrag oder her.