"Tatort" aus Dortmund: Kollaps im Pott
Im Dortmunder „Tatort“ ist Jörg Hartmann als Kommissar Faber Dealern auf der Spur - gezeigt wird ein ziemlich düsteres Bild der Ruhrgebietsstadt.
An der Migrationsthematik kommt derzeit niemand vorbei. Auch nicht am Sonntagabend. Der „Tatort“ beginnt mit einer Szene auf einem Spielplatz in der Dortmunder Nordstadt. Ein Mädchen, es ist die sechsjährige Emma, spielt selbstverloren im Sand. Die Kamera schwenkt ein paar Meter weiter, dorthin, wo eine kleine Plastiktüte den Besitzer wechselt. Ganz offensichtlich wird an diesem Spielplatz gedealt. Die Mutter des Kindes scheint das nicht zu stören, sie ist mit ihrem Smartphone beschäftigt. Erst spät registriert sie, wie eine junge dunkelhäutige Frau mit ihrem Kind streitet. „Hau ab“, verscheucht die Mutter die Afrikanerin. Kurz danach liegt die sechsjährige Emma reglos im Sand, die herbeigerufenen Sanitäter können ihr Leben nicht retten. Offenbar hat sie die bunten Kokain-Kugeln aus einer im Sand versteckten Tüte für Bonbons gehalten und verschluckt. „Kollaps“ heißt dieser „Tatort“. Der Organismus des kleinen Mädchens ist nicht das Einzige, was in den nächsten 90 Minuten kollabieren wird.
„Das Thema ist hochaktuell und brisant, und der Film erzählt, wohin unsere Asyl- und Flüchtlingspolitik führen kann“, sagt Jörg Hartmann, der im Dortmund-„Tatort“ den Chef des vierköpfigen Ermittlerteams spielt. Nach seiner Meinung bleibt den vor Elend, Mord und Totschlag zu uns flüchtenden Menschen nur das Abrutschen ins kriminelle Milieu, wenn ihnen in Deutschland Ausbildung und Arbeit verwehrt sind. Eine klare Haltung des Schauspielers, die zugleich von der Figur seines Hauptkommissars Peter Faber geteilt wird.
Wer ist für den Tod des Mädchens verantwortlich?
Dabei weiß doch gerade dieser Polizist, wie es sich anfühlt, wenn einem das eigene Kind durch ein Verbrechen genommen wird. Peter Faber hätte somit allen Grund, seine Wut und seinen Ärger gegen die Drogendealer zu richten, bei denen es sich – wie sich schnell herausstellt – um ein Geschwisterpaar aus dem Senegal handelt. Emmas Vater Roland Siebert (Sönke Möhring) und sein Freund Dieter Lahnstein (Werner Wölbern) haben hingegen eine ganz klare Vorstellung, wer für den Tod des Mädchens verantwortlich ist und wie man mit solchen Tätern umgehen sollte. Die heile Welt der Modellbahn-Freunde ist jedenfalls zerstört, „durch 8000 Bulgaren, dazu Rumänen, Schwarzafrikaner, Kurden, Albaner“, wie sich Lahnstein beschwert. „Die einen klauen, die anderen dealen. Ein gesellschaftlicher Tsunami, der unaufhaltsam auf uns zurollt“, sagt dieser besorgte Bürger, der auf jede Pegida-Demonstration passen würde. Das tote Mädchen wird im Verlauf der Ermittlungen hingegen immer unwichtiger.
Das Buch zu dieser Folge stammt erneut von Jürgen Werner. Er hatte die Idee für das Dortmunder Team und aus seiner Feder stammten die ersten fünf Folgen. Auch für Dror Zahavi ist es nicht der erste Dortmund-„Tatort“, er führte bereits bei „Auf ewig dein“ Regie.
Das Kollaps-Motiv zieht sich durch den ganzen Film
Das Kollaps-Motiv ging Autor Werner offensichtlich nicht aus dem Kopf: „Ein sechsjähriges Mädchen kollabiert, in einem Dortmunder Park, aufgrund einer Überdosis Kokain. Dadurch kollabiert das Leben der Eltern. Martina Bönischs Leben kollabiert, nach der Trennung von ihrem Mann, auf ganz unerwartete Weise. Das Verhältnis zwischen Daniel Kossik und Faber wird auf eine neue Ebene gestellt, die man auch als eine Art Kollaps bezeichnen kann. Nur Nora gelingt es im Moment ohne Kollaps ihr Leben einigermaßen zu meistern“, beschreibt er die Anlage seines „Tatort“.
Die „Tatort“-Folge selbst ist keinesfalls kollabiert, auch wenn etwas weniger Binnenspannung im Ermittlerteam und Sorgerechtsstreitigkeiten um Martina Bönischs Kinder der Handlung nicht geschadet hätten. Dafür sind die Dialoge insbesondere zwischen Faber und der von Anna Studt überzeugend gespielten Kommissarin ebenso bissig wie unterhaltsam.
Sorgen machen muss man sich hingegen nach sieben Dortmund-„Tatorten“ um den Ruf der westfälischen Metropole. Insbesondere die Nordstadt wird ein ums andere Mal als No-Go-Area geschildert. Ganz so schlimm ist es dann aber doch nicht, sagt Drehbuchautor Werner: „Dortmund ist eine tolle Stadt, da bricht gar nichts zusammen. Da kann der ,Tatort‘ düster sein wie er will“, versichert er. Doch das muss er vermutlich sagen, um es sich mit den Dortmundern nicht zu verscherzen.
Die Frage ist: Wie werden das die Zuschauer sehen? Der Schauspielerin Anna Schudt ist die Folge insgesamt viel zu düster. „Ganz ehrlich: Als Zuschauer würde ich da abschalten. Das brauche ich nicht am Sonntagabend“, sagte sie der „Rheinischen Post“.