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Mit einer „Kanzlernacht“ – so die Eigenwerbung – geht Bild TV am Sonntag auf Sendung.
© Springer

„Bild“ startet linearen TV-Sender: „Knallhartes wirtschaftliches Kalkül“

Am Sonntag geht Bild TV auf Sendung. Der Medienforscher Horst Röper über Werbegelder, Live-Berichterstattung und Kampagnenjournalismus.

Herr Röper, seit 15 Jahren gehören Sie der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD, ZDF und Deutschlandradio an. Sie kennen sich also mit den immensen Kosten aus, die beim Fernsehmachen entstehen. Am Sonntag startet Bild TV als linearer TV-Sender. Warum tut sich Springer das an?
Springer wittert ein Geschäft, das von anderen Privaten nicht wahrgenommen wurde. Ob nun RTL, Sat1 oder auch ProSieben, die Privaten haben eine Lücke entstehen lassen, die Springer nun glaubt, mit einem Angebot wie Bild TV füllen zu können. Allerdings strebt auch RTL wieder in diesen Informationssektor.

Also locken die Werbegelder?
Bei Springer ist das sicherlich knallhartes wirtschaftliches Kalkül. Man sieht im Werbemarkt ein Kontingent, das man abschöpfen will. Die Welt ist heute nicht mehr monomedial durchdrungen, da sieht man neue Chancen.

Wie nachhaltig sind die Pläne von Springer, gehen sie über die Informationsnachfrage durch die Corona-Pandemie und den Bundestagswahlkampf hinaus?
Die Pläne dürften Bestand haben, aber nicht auf dem Niveau, das Springer und andere derzeit für erreichbar halten. Die Möglichkeiten im Boulevardsektor sind für einen Titel wie „Bild“ sicherlich sehr schnell umzusetzen. Allerdings sind Informationsangebote, wenn man einmal von Talkshows und ähnlichen Formaten absieht, sehr teuer.

Das dürfte man bei Springer sehr genau wissen.
Richtig, Springer hat so etwas ähnliches ja schon einmal versucht, während der Anfänge von Sat1. Da gab es zusammen mit anderen deutschen Zeitungsverlagen in Hamburg sogar schon eine eigene Nachrichtenredaktion. Das Unternehmen ist jedoch kläglich gescheitert.

Horst Röper ist Medienforscher und hat das Dortmunder Formatt-Institut gegründet. Bis zum Ende der Jahres gehört er zudem der Rundfunkkommission Kef an.
Horst Röper ist Medienforscher und hat das Dortmunder Formatt-Institut gegründet. Bis zum Ende der Jahres gehört er zudem der Rundfunkkommission Kef an.
© privat

Sie rechnen also damit, dass Bild TV größer einschlägt.
Springer wird mit Bild TV sicher ein höheres Ziel haben. Sie werden auch größere Margen erreichen müssen, wenn sie betriebswirtschaftlich erfolgreich sein wollen.

Laut Programmchef Claus Strunz soll Bild TV kein Chronistensender sein, der jedes Thema covert. Es wird eine Hauptsendeschiene von 9 bis 14 Uhr geben und während des Bundestagswahlkampfs einen Prime-Time-Talk ab 20 Uhr 15. Was für ein Programm erwarten Sie?
Zuerst einmal ein sehr boulevardeskes Programm, weil es da große Synergien zu den anderen Teilen des Konzerns gibt. Wenn Sie allerdings ein größeres Publikum ansprechen wollen, müssen Sie auch bei größeren Ereignissen wie zum Beispiel der Flut-Katastrophe vor Ort sein. Eine Mittagsendung können Sie nicht mit alten Hüten und irgendwelchen C-Promis fahren. Dafür werden entsprechende Teams und Journalisten benötigt. Als reines Unterhaltungsprogramm geht die Rechnung nicht auf.

Beim Zitate-Ranking liegt Bild regelmäßig weit vorn, das gilt auch für Exklusiv-Geschichten nicht nur aus dem Boulevard-Bereich.
Das ist etwas anderes. Da frage ich einen A-Promi oder Bundesminister und bekomme den auch wegen der Reichweite von „Bild“ an die Strippe. So kriege ich meine News, die auch von anderen zitiert wird. Das kostet – anders als die Ereignisberichterstattung fürs Fernsehen – nur wenig.

Konkurrenz belebt das Geschäft - in beide Richtungen

Welche Konkurrenz erwächst durch Bild TV etablierten TV-Formaten wie „Tagesschau“, „heute-journal“ oder RTL News?
Ich rechne mit einer ernsthaften und hoffentlich belebenden Konkurrenz. In welcher Form, wird man abwarten müssen. Möglicherweise sehen sich bald auch etablierte Nachrichtensendungen genötigt, Sport und Boulevardthemen stärker aufzugreifen. Insgesamt aber sind die etablierten Nachrichten im Moment noch hoch überlegen, auch weil sie das Know-how und die Man-Power haben. Die privaten Nachrichtensender haben seinerzeit auch nicht dazu geführt, dass „Tagesschau“ und „heute“ massiv Zuschauer verloren haben.

Was unterscheidet Bild TV von Spiegel TV, Stern TV, NZZ Format?
Bild TV wird sich unter anderem bei Tagesaktualität und Themenauswahl anders aufstellen. Blaulicht, Rotlicht, das wird bei Bild TV eine größere Rolle spielen, Wirtschaftsberichterstattung hingegen weniger.

Welche Fehler sollte Springer vermeiden?
Sie sollten nicht erwarten, dass sie mit reinen Horrorgeschichten ohne nachrichtlichen Kern, wie sie „Bild“ mitunter verbreitet, reüssieren können. Man wird darauf Wert legen müssen, eine gewisse Solidität auszuprägen. Die Versuchung ist groß, auf Scoops zu setzen. Aber auch da muss man aufpassen.

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Und wie verhält es sich mit dem oft kritisierten Kampagnenjournalismus von „Bild“?
Den wird Bild TV unter Julian Reichelt mutmaßlich genauso stützen wie er es im Printbereich schon lange tut. Reichelt scheint weiterhin ein sehr einflussreicher Typ zu sein, sowohl im Konzern als auch mit Blick auf die Marke „Bild“. Er moderiert schließlich schon bei „Bild Live“ und wird auch bei Bild TV nicht außen vor sein.

Bild hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als die Hälfte seiner Auflage (2,75 auf 1,24 Millionen verkaufte Exemplare) verloren. Wie wichtig ist Bild TV mit Blick auf diese Entwicklung?
Es wird sicherlich crossmediale Werbeeffekte geben. Anfangs wird der Printbereich eher den TV-Sektor unterstützen. Aber ich warne davor, das zu überschätzen. Auch Sat1 wurde anfangs von den beteiligten Zeitungsverlagen noch und nöcher beworben. Der gewünschte Effekt blieb jedoch aus.

Das Programm von Bild TV: Von Crime bis Sport

Bild TV ist ein werbefinanzierter Voll-Programmsender, der via Kabel, Satellit, IPTV und Internet übertragen wird. Produziert wird das Programm von WeltN24 (dort hat Springer sämtliche TV-Aktivitäten gebündelt).

Programmchef von Bild TV ist Claus Strunz, die Gesamtverantwortung liegt bei Julian Reichelt.

Im Zentrum des Programms steht „Bild Live“ (wochentags 9–14 Uhr). Am Abend (21 Uhr 45) läuft „Die richtigen Fragen. Breaking-News- Unterbrechungen sind jederzeit möglich. Weitere Schwerpunkte sind Politik, Sport (insbesondere Fußball), Unterhaltung („Klatsch und Tratsch aus der Welt der Stars“), Crime und Dokus (u.a. von WeltN24, aber auch eigene Reportagen).

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