Christine Urspruch als Dr. Klein: Klinik statt „Tatort“
Das ZDF schickt "Tatort"-Assistentin Christine Urspruch als Kinderärztin Dr. Klein ins Vorabendprogramm. Ihr Gegenspieler heißt Dr. Lang. Doch die Serie ist besser, als es diese Namensgebung vermuten lässt.
Ein Gespräch mit seinem Arzt auf Augenhöhe führen zu können, ist eine weit verbreitete Idealvorstellung. Allerdings ist es reichlich irritierend, wenn es sich bei den Patienten um kleine Kinder handelt, die der leitenden Oberärztin direkt in die Augen sehen können. Kinderärztin Dr. Valerie Klein ist in der gleichnamigen ZDF-Vorabendserie gerade einmal 1,32 Meter groß, und ihre Darstellerin ist im deutschen Fernsehen eine feste Größe: Christine Urspruch spielt im „Tatort“ aus Münster die Assistentin des verschrobenen Gerichtsmediziners Karl-Friedrich Boerne alias Jan Josef Liefers. In der Rolle von „Alberich“ – frei nach dem Zwergenkönig im Ring des Nibelungen – darf sie ihren Chef regelmäßig in die Schranken weisen, was ihr die Sympathie des Publikums sichert.
Die Rolle eines kleinwüchsigen Menschen muss Christine Urspruch nicht spielen. Sie weiß genau, was es bedeutet, wenn man wegen seiner Körpergröße übersehen oder doch zumindest falsch eingeschätzt wird. Die Zuschauer wollen nicht nur erleben, wie eine körperlich kleine Figur über ihre Größe hinauswächst, sondern wie sie ihr ignorantes Umfeld durch Charme und Können überragt. In „Dr. Klein“ hat Christine Urspruch dazu reichlich Gelegenheit, denn die ZDF-Serie wurde ihr von Hauptautor und Producer Torsten Lenkeit passgerecht auf den Leib geschrieben, ergänzt um einen roten Fiat 500 und einen oberärztlichen Widersacher mit Namen Dr. Lang. Der war ebenfalls auf den Leitungsposten scharf und lässt nun keine Möglichkeit aus, dumme Scherze über seine neue Chefin zu machen.
Arztserien gehen im TV immer
Arztserien gehen im Fernsehen bekanntlich immer, siehe „In aller Freundschaft“. Die neue Vorabendserie des ZDF erhebt für sich den Anspruch, alles ein wenig anders zu machen. Nicht nur Dr. Klein unterscheidet sich unübersehbar von ihren Kollegen, auch sonst steht Anderssein in jeder Beziehung auf dem Programm. Der Leiter des Krankenhauses Professor Eisner ist ein bekennender Schwuler. Dr. Kleins Ehemann Holger kümmert sich lieber um den Haushalt und die zwei Kinder und überlässt Valerie den beruflichen Aufstieg auf der Karriereleiter. Der kann ganz nach oben führen, das weiß sie von ihrem Vater, der zuvor die Klinik geleitet hat, nun aber an beginnender Demenz leidet. Dies ist zugleich der Grund, warum Varlerie mit ihrer Familie nach Stuttgart gezogen ist.
Arztserien im Krankenhausumfeld leben von den zwischenmenschlichen Querelen in der Parallelwelt der Klinik. Ihre Spannung beziehen sie aus den Schicksalen der schwer erkrankten Patienten. Dies gilt umso mehr, wenn das Leben von sehr jungen Menschen auf dem Spiel steht und jeder medizinische Eingriff zugleich über Leben und Tod entscheiden kann. So wie in der ersten Folge von „Dr. Klein“: Nach einem Fahrradunfall wird der kleine Leon mit einem Milzriss eingeliefert, doch bei der OP kommt es zu Komplikationen. Es fehlt das dringend benötigte Spenderblut.
Nicht minder nervenaufreibend wird es in der zweiten Folge. Ein neunjähriges Mädchen stürzt in einen Metallzaun. Doch die Eltern gehören einer Glaubensrichtung an, die ihnen die medizinische Behandlung verbietet. Bei solchen Vorlagen fällt es keinem Drehbuchschreiber schwer, zu Herzen gehende Geschichten zu erzählen.
Das Ensemble um Christine Urspruch ist gut gewählt
Zu einem Erfolg benötigt eine Serie wie „Dr. Klein“ insbesondere im schwierigen Vorabendprogramm jedoch mehr. Christine Urspruch kann dabei auf die Sympathie des Publikums bauen. Aber auch das übrige Ensemble ist gut gewählt. Miroslav Nemec („Tatort“ München), der den Klinikchef spielt, ist als Darsteller empathischer Figuren bekannt. Dr. Kleins Vater ist mit Karl Kranzkowski ebenfalls optimal besetzt. Und Simon Licht gibt selbst dem Widersacher einen positiven Touch. Kurt Sagatz
„Dr. Klein“, freitags um 19 Uhr 25 im ZDF