Netflix-Serie "Skylines": "Keine Banker in Neukölln"
Die Netflix-Serie "Skyliners" dreht sich um Hip-Hop und Kapitalismus, gedreht wurde sie in Frankfurt. Interview mit Autor Dennis Schanz
Herr Schanz, die Tagline zu „Skylines“ könnte sein: „Jinn, ein begabter Hip-Hop-Produzent, der gerade bei einer großen Firma unterschrieben hat, gerät in die Fänge des organisierten Verbrechens.“ Worum geht es wirklich?
Das Kernthema der Serie ist die Verschränkung zwischen Business und Privatem – was passiert, wenn Business persönlich wird oder wenn private Beziehungen zu Geschäftsbeziehungen werden? Die Konflikte, die daraus entstehen, haben mich interessiert. Und für mich sind beides, also die Hip-Hop- und die Finanzwelt, Teile des Businessaspekts unserer Gesellschaft, und damit Teile des Kapitalismus. Ich erzähle das über die Verknüpfung zwischen Rap und organisierter Kriminalität. Dazu kommen die privaten Verbindungen zwischen einigen der Protagonisten.
Warum spielt die Geschichte in Frankfurt?
Ich hatte die Geschichte in Berlin angefangen – aber der Businessfokus passte am besten nach Frankfurt. Wenn man dort am Bahnhof aussteigt, ist man sofort von den Schattenseiten des Kapitalismus umringt. Drogen, Dealer, alles ist käuflich. Daneben liegt aber das Bankenviertel mit seinen glänzenden Hochhäusern. Frankfurt ist also eine hervorragende Bühne für menschliche Dramen, die sich ums Geschäftemachen drehen.
Spielte auch eine Rolle, dass Berlin angeblich „überdreht“, und dass mit Serien wie „4 Blocks“ oder „Beat“, die ähnliche Welten streifen, die Konkurrenz groß ist?
Ich bin gebürtiger Berliner und hätte bestimmt noch ein paar neue Ecken gefunden. „Beat“ oder „4 Blocks“ erzählen andere Kerngeschichten. Aber in Frankfurt stecken das Drama und der Konflikt schon im Stadtbild, das fasziniert mich! Wenn man dort mit Menschen aus dem Milieu spricht, betonen die immer, dass die vielen Banker, die man den ganzen Tag aus den Taxen steigen sieht, in gewisser Weise die andere Welt, den Reichtum personifizieren – und die eigene Sehnsucht danach steigern. In Berlin sind die Szenen stärker getrennt. In Neukölln sind keine Banker unterwegs, die soziale Mischung ist eine andere.
Ist „Skylines“ eine Kritik am Kapitalismus?
Eher eine Reflexion davon, was uns gerade umgibt. Der Business-Ansatz, das Streben nach Selbstverwirklichung und Erfolg, die Frage der Unabhängigkeit und Loyalität – das hat alles mit unserem kapitalistischen System zu tun.
Die Gewalt in „Skylines“ fügt sich logisch ein und passt zur düsteren Ästhetik – wie vermeidet man das Glorifizieren von Gewalt, die man zum Erzählen braucht?
Das haben wir einerseits unserem Regisseur Max Erlenwein und unserer Regisseurin Soleen Yusef zu verdanken, die eben nicht draufhalten, wenn jemandem die Hand zertrümmert wird. Es ist ja eine Entscheidung, wie nah man rangeht oder was man der Imagination überlässt. Gleichzeitig finde ich, dass es in einer solchen Geschichte schon brutal werden darf.
Wie verhindert man Klischees?
Wir wollten auf gar keinen Fall Klischees, beispielsweise aus Musikvideos, reproduzieren. Wenn man in jeder Figur die Vielschichtigkeit sucht, jeder Figur mehrere Ebenen mitgibt, kann es gar nicht mehr klischiert werden. Dann kann ein Charakter auch wie ein muskelbepackter Schrank aussehen, trotzdem merkt man an seiner Sprache oder seinem Handeln, dass mehr dahintersteckt. Max Erlenwein hat sehr darauf geachtet, dass zum Beispiel Erdal Yildiz als Ardan, der Antagonist und Bruder des Labelchefs, mit seinem Karohemd zunächst ganz harmlos wirkt, man ihm nichts ansieht. Wir wollten etwas Interessanteres haben als das übliche Mobster-Klischee. Das Vermeiden von Klischees als Selbstzweck, davon halte ich nichts. Aber von Klischees Abstand zu nehmen, um damit etwas anderes zu erzählen – damit schafft man sich neue Potenziale.
Außerdem sehen wirklich viele Menschen aus dieser Szene so aus, wie Sie es zeigen.
In dem Label unserer Serie zum Beispiel tragen fast alle Trainingsanzüge, sie haben einen bestimmten Dresscode. Aber wir haben gemeinsam mit unserer Kostümbildnerin ganz feine Unterschiede erarbeitet. Einer trägt Hosenträger, weil ihm jeder Dresscode egal ist, ein anderer trägt die Trainingsanzüge nur, weil er damit sich selbst die Nähe zu dieser Szene beweisen will. Zwischen Klischee und Authentizität ist ein schmaler Grat, da muss man genau hingucken.
In der klassischen Gangsta-Rap-Szene dominieren Männer. Wie erzählt man trotzdem relevante Frauenrollen?
Ich wollte auf keinen Fall den Fehler begehen, starke Frauenfiguren als Selbstzweck reinzuschreiben. Die Figuren müssen organisch zustande kommen. Das war bei Peri Baumeister als Polizistin so. Lisa Maria Potthoffs Figur, die Label-CFO zum Beispiel hat eine wichtige Rolle in der Firma, verhält sich aber in Gesprächen oft passiv. Ich fand, dass sie im Spiel mit den anderen sehr stark rüberkommt, sie ist fast die Einzige, die offen redet, die droht, nicht mehr mitzumachen. Wir haben damit gearbeitet, dass man als Zuschauer mit ihr gemeinsam merkt, wie sie immer mehr in die Opposition geht - das fand ich besser und dramatischer, als sie von Anfang an als zupackenden Charakter zu inszenieren. Unser Anspruch an alle Figuren, Männer wie Frauen, war es eh immer, vor allem ihre Vielseitigkeit zu zeigen.
Mangel an Humor?
Trotz des sehr humorbegabten Edin Hasanovic in einer Hauptrolle spielt Humor kaum eine Rolle in Ihrer Geschichte.
Bestimmt liegt das auch an mir, ich bin eher ernst. Einige witzige Momente gibt es, die dann entstehen, wenn eben diese beiden Welten zusammentreffen. Vor allem Max Erlenwein war es wichtig, das humorvolle Potential der Story auszuschöpfen und auch Soleen Yusef hat ein paar schöne, lustige Momente herausgearbeitet, finde ich.
Wie ist Ihre erste Serie entstanden?
Ich hatte die Ursprungsidee 2015, als ich mich bei dem Weiterbildungsprogramm „Serial Eyes“ an der DFFB bewarb. Die Story habe ich dann dort weiterentwickelt, sie am Ende gepitcht. Es gab einen Entwicklungsauftrag von einem Sender. Mit unserer Firma StickUp haben wir einen Writers Room zusammengetrommelt und dann Finanzierungs- und Koproduktionspartner gesucht und gefunden. Produziert haben wir gemeinsam mit „Komplizen Film“, Maren Ades Produktionsfirma. Es ist auch deren erste Serie.
Kurz vor dem Start von "Skylines" auf Netflix warf Ihnen die kleine Frankfurter Plattenfirma „Skyline Records“ vor, sowohl ihren Namen als auch die Geschichte des Labelchefs geklaut zu haben. Wie gehen Sie damit um?
Weil dieses Label es direkt zu einer rechtlichen Thematik gemacht hat, liegt der Fall nun bei Netflix. Netflix hat der Gegenseite mitgeteilt, dass sie deren Ansprüche zurückweisen, weil sie unbegründet sind. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
Das Gespräch führte Jenni Zylka.
"Skyliners", Netflix, sechs Folgen ab Freitag
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