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Wechsel an der "Bild"-Spitze: Kai Diekmann wird nach fast 15 Jahren von Tanit Koch abgelöst.
© dpa, Axel Springer
Update

Wechsel bei Axel Springer: Kai Diekmann gibt "Bild"-Chefredaktion ab

Nach fast 15 Jahren bekommt die "Bild" eine neue Chefredakteurin: Tanit Koch löst Kai Diekmann ab - der denkt aber noch längst nicht an Rückzug.

In Sachen Schlagfertigkeit steht die neue „Bild“-Chefredakteurin ihrem Vorgänger in nichts nach. Es heiße, sie spreche zu leise, sagte Tanit Koch einmal im „Medium Magazin“. Sie hingegen glaube jedoch eher „an die Schwerhörigkeit ihres Umfelds“ – und das dürfte künftig sehr genau hinhören bei dem, was sie sagt. Die 38-Jährige löst Kai Diekmann, 51, an der Spitze der „Bild“ ab. Erstmals in ihrer Geschichte wird die Boulevardzeitung damit von einer Frau geführt. Einen Rückzug von Diekmann bedeutet der Wechsel allerdings nicht. Im Gegenteil.

Ein "neues Kapitel" für die "Bild"

Kai Diekmann, der seit fast 15 Jahren die Redaktion leitet und damit so lange wie kein Chefredakteur zuvor, wird sich zwar aus dem Tagesgeschäft zurückziehen, aber als Herausgeber den Chefredakteuren der „Bild“-Angebote weiterhin vorstehen. Neben Koch zählen dazu Bild.de-Chefredakteur Julian Reichelt, „Bild am Sonntag“-Chefredakteurin Marion Horn und „B.Z./Bild Berlin“-Chefredakteur Peter Huth.

Es sei Zeit „für ein neues Kapitel“ bei der „Bild“-Zeitung, soll Diekmann am Donnerstag in der Redaktionskonferenz bei der Verkündung der Personalie gesagt haben, die viele Mitarbeiter offenbar überrascht hat. Die Entscheidung für den Wechsel habe Diekmann aber gemeinsam mit dem Springer-Vorstand getroffen, teilte eine Sprecherin mit. Springer-Chef Mathias Döpfner würdigte Diekmann als „langjährigsten und wohl auch erfolgreichsten Chefredakteur von ,Bild‘“. Die Zeitung habe sowohl „digital als auch international spannende Entwicklungsperspektiven“. Diese Potenziale solle Diekmann nun heben.

Diekmann bleibt der Chef der Chefs

Diekmann verliert durch den Wechsel an der Spitze keineswegs an Macht. Er wacht als Ober-„Babo“ weiter über das große Ganze in der „Bild“-Gruppe, kann aber unbelastet durch den täglichen Produktionsprozess die Ideen weiterentwickeln, die er während seines einjährigen Aufenthalts im Silicon Valley angestoßen hat – eine Zeit, die ihn nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch inspirierte. Anzug und Gel-Frisur wurden eingetauscht gegen Kapuzenpullover und einen Bart, der fast bis zum Bauchnabel wuchs.

Der Bart ist wieder ab, geblieben ist jedoch der Antrieb, das traditionelle Print-Geschäft zu digitalisieren. Kein anderer Verlag ist dabei so konsequent wie Springer: Mehr als 60 Prozent trugen die digitalen Aktivitäten in den ersten neun Monaten dieses Jahres zum Konzernumsatz bei, der insgesamt um 8,9 Prozent auf 2,37 Milliarden Euro gesteigert werden konnte. Anteil daran hat auch das 2013 gestartete Bezahlmodell „BildPlus“ mit nun fast 300 000 Abonnenten – dem gegenüber steht der Auflagenverlust bei der gedruckten „Bild“. Um fast zehn Prozent sank die verkaufte Auflage im dritten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorjahresquartal, sie liegt nun bei rund 2,2 Millionen Exemplaren.

Wie sieht eine moderne Boulevardzeitung aus?

Tanit Koch, bisher stellvertretende „Bild“-Chefredakteurin und Unterhaltungschefin, muss als neue „Bild“-Chefredakteurin deshalb auch zeigen, wie eine gedruckte Boulevardzeitung heute aussehen und erfolgreich sein kann. Diekmann war bisher „Bild“ – und ohne Zweifel wird er weiterhin „Bild“ sein. Doch wenn eine Marke so sehr verbunden ist mit einem Menschen, bieten sich nur wenige Spielräume für eine Neuausrichtung. Sicher wird die „Bild“ auch unter Tanit Koch weiter polarisieren, vielleicht aber mit weniger „Hau drauf“. Dass dies auch von der Verlagsspitze gewünscht sein dürfte, spricht dafür, dass Diekmanns Nachfolger nicht Bild.de-Chef Julian Reichelt geworden ist, auf Twitter und in Talkrunden bekannt für provozierende Auftritte. Am Donnerstag zeigte er sich auf einem Bild auf Twitter Arm in Arm vereint mit Tanit Koch – allerdings dürfte es interessant zu sehen sein, ob die beiden tatsächlich als das neue Dreamteam in die Geschichte der „Bild“ eingehen.

Wer eine Zeitung wie die „Bild“ führen will, muss allerdings über eine gewisse Hausmacht verfügen. Von Diekmann und auch von Döpfner ist Koch seit ihren ersten Tagen bei Springer gefördert worden, dort begann sie 2005 mit einem Volontariat im Politik- und Wirtschaftsressort der „Bild“. Sie absolvierte die Axel Springer Akademie, wo Diekmann bereits auf ihre Fähigkeiten aufmerksam wurde und sie 2007 als Büroleiterin engagierte. Anschließend war Koch in der „Welt“-Gruppe als Verantwortliche Redakteurin tätig und danach wieder in verschiedenen Positionen bei der „Bild“. Auch wenn sie viel von Diekmann gelernt haben dürfte, will und muss Koch nun eigene Akzente setzen – dafür ist Lautstärke allein nicht immer hilfreich. Auch leise Töne können ihre Wirkung haben. Man muss nur genauer hinhören.

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