Hetze im Netz: "Bild" prangert Facebook-Hetzer an
Der Druck auf Facebook wächst: Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Facebook-Manager, die "Bild" stellt Facebook-Hetzer an den "Pranger" - und begibt sich damit in einen juristisch bedenklichen Bereich.
Widerlich sind sie alle, viele der Kommentare dürften wohl auch strafrechtlich relevant sein, wie etwa die Aufforderung neben dem Foto von Grünen-Politikerin Claudia Roth: "Grün-Faschistische Sau...hängt sie auf!!!" Oder: "Eine Kugel für jeden Musel und ihre Unterstützer!!". Oder: "Die sollen sich untereinander totschlagen. Dann haben wir wieder Ruhe vor diesem Pack."
Dies sind nur drei der insgesamt 42 Facebook-Kommentare, für die die "Bild"-Zeitung am Dienstag ihre komplette zweite und dritte Seite freigemacht hat. Veröffentlicht hat die Zeitung dazu auch die jeweiligen Nutzernamen und Profilfotos. "Ganz offen und mit vollem Namen wird in sozialen Netzwerken zu Gewalt aufgerufen und gehetzt", heißt es in dem Text dazu. Vor allem auf Facebook und Twitter. "So viel offener Hass war nie in unserem Land! Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten." Längst sei die Grenze überschritten von freier Meinungsäußerung oder Satire zum Aufruf zu schwersten Straftaten bis zum Mord. "Wir stellen die Hetzer an den Pranger", schreibt die "Bild" und fordert: "Herr Staatsanwalt, übernehmen sie!"
Ermittlungen gegen Facebook-Manager
Bereits im August hatte der deutsche Ableger der "Huffington Post" eine ähnliche Aktion gestartet und auf seiner Website Gesichter und Namen der "Hassfratzen" veröffentlicht, die auf Facebook Hass und Hetze gegen Flüchtlinge verbreiten. Auch Reporter von Spiegel TV konfrontierten im August Facebook-Hetzer und deren Arbeitgeber mit den Kommentaren. Die Aktion der "Bild"-Zeitung nun hat jedoch eine höhere Schlagkraft - auch, weil sie genau zu dem Zeitpunkt kommt, an dem die Hamburger Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen Manager des sozialen Netzwerks prüft wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. Ihnen wird vorgeworfen, Hass-Botschaften auch nach Hinweisen zunächst nicht gelöscht zu haben.
Erstattet wurde die Anzeige laut Spiegel Online vom Würzburger Anwalt Chan Jo Jun. "Facebook versucht immer so zu tun, als ob nichts getan werden könnte", sagte der Fachanwalt für IT-Recht der Nachrichtenagentur Reuters. "Dabei zeigen andere Fälle, dass Facebook sehr wohl Inhalte löschen kann, wenn sie es möchten."
"Wer Hass sät, wird Gewalt ernten."
Die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen aufgenommen, bestätigte eine Sprecherin. „Ob sich daraus ein konkreter Tatverdacht ergibt, ist allerdings noch völlig offen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Facebook äußerte sich nicht zu den Ermittlungen und verweist lediglich darauf, dass „Inhalte wie Hassrede, Aufruf zur Gewalt oder Gewaltverherrlichung gegen die Gemeinschaftsstandards“ verstoßen. Was Nutzer aber eben nicht daran hindert, diese trotzdem zu veröffentlichten. Und da Facebook auf das Prinzip der Selbstregulierung setzt, Kommentare also nur dann prüft und auch nicht zwangsläufig löscht, wenn diese von anderen Nutzern gemeldet wurden, bleiben die Hassparolen auf Facebook oft stehen.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fordert deshalb, dass Hasskommentare schneller und besser aus dem Netz entfernt werden – verlangen kann er eine solche Frist aber von Facebook nicht. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht die Betreiber von Internet-Plattformen wie YouTube, Facebook und anderen sozialen Netzwerken in der Pflicht, um Hassbeiträge im Netz einzudämmen. Der Staat könne aus guten Gründen nicht alles verbieten, was extrem oder abstoßend sei", schrieb er in einem Kommentar in der "Bild", der neben dem "Pranger" veröffentlicht wurde. Hier seien zunächst die Betreiber der Internetplattformen gefragt, hasserfüllte Kommentare und Beiträge zu löschen und zu untersagen.
Thomas de Maizière sieht Plattformen in der Pflicht
Doch auch wenn der „Bild“-„Pranger“ erneut zeigt, welche abstoßenden Kommentare auf Facebook veröffentlicht werden, hat er mehr als einen faden Beigeschmack. Denn "Bild" selbst muss sich vorwerfen lassen, eine fremdenfeindliche Stimmung im Land zu schüren. Die Springer-Zeitung muss sich deshalb an ihren eigenen Worten messen lassen, nämlich: "Wer Hass sät, wird Gewalt ernten."
Hinzu kommt: Die "Bild"-Zeitung begibt sich damit in einen juristisch bedenklichen Bereich. „Unabhängig davon welche Straftat möglicherweise durch ein Bürger begangen wurde, gilt immer noch die Unschuldsvermutung“, betont Medienanwalt Christian Solmecke. „Dieses Prinzip gehört zu den fundamentalen Grundlagen unseres Rechtsstaates und wird durch einen solchen undifferenzierten Internetpranger mit Füßen getreten."
Ich gestehe jedem Protestbürger zu, dass er seinen Frust kund tut in friedlichen Demonstrationen. Aber wenn auf so einer Demonstration Hetzer reden dürfen und Rechtsextreme mitlaufen und sich die anderen Demo-Teilnehmer nicht davon distanzieren, dann heißt das zwar nicht, dass sie zwangsläufig auch rechtsextrem sind, aber es ist mindestens ein Tolerieren!
schreibt NutzerIn Brotkrume
Vor allem komme die Verfolgung von Straftaten ausschließlich den zuständigen Behörden zu - und nicht der "Bild". Wer die Namen potentieller Straftäter veröffentliche, verurteile diese, bevor die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Ermittlungen aufgenommen hätten. „Solange die Bild-Zeitung die Sammlung der Screenshots als eine Sammlung von rechtswidrigen Hass-Kommentaren präsentiert, geht das Medium in seiner Berichterstattung zu weit“, findet Solmecke.
Büro von Claudia Roth erstattet Anzeige
Das Büro von Claudia Roth will nun Anzeige erstatteten gegen den Mann, der gefordert hatte: „Hängt sie auf!!!“ „Offen geäußerter Hass hat mit Meinungs- und Redefreiheit nichts zu tun", teilt ihre Sprecherin mit. "Er hat die Kraft, unser Zusammenleben zu vergiften und erzeugt Gewalt. Deswegen setzen wir überall dort, wo wir Kenntnis davon erhalten, ein klares Stoppschild.“
Der "Bild"-"Pranger" wird die Hetze im Netz nicht stoppen - die Zeitung darf sich aber dennoch fragen, zu welchem Klima sie mit ihrer Berichterstattung beitragen kann.
Sonja Álvarez