Dunja Hayali im Porträt: Journalistin mit Migrationsvordergrund
Am Samstag wurde Dunja Hayali mit der "Goldenen Kamera" geehrt. Ihre Dankesrede war bemerkenswert. Hier veröffentlichen wir noch einmal ein Porträt aus dem Dezember 2015.
Am Samstag ist Dunja Hayali mit der "Goldenen Kamera" ausgezeichnet worden. In ihren Dankesworten plädierte sie auch für mehr Toleranz im Umgang mit widerstreitenden Meinungen und verurteilte den um sich greifenden Hass in der öffentlichen Debatte - auch jenen, der gegen den Journalismus gerichtet ist. Lesen Sie hier ein Porträt der Journalistin aus dem Dezember, das an Aktualität nichts eingebüßt hat.
Es gibt Zuschauer, die schreiben dem ZDF komische Fragen: „Haben Sie keine echten Deutschen mehr im Angebot?“, heißt es dann zum Beispiel. Vor allem wenn man früh morgens den öffentlich-rechtlichen Sender einschaltet, kann es vorkommen, dass man in wenige biodeutsche Gesichter schaut. Die Sprecherin der „heute“-Nachrichten heißt dann Pinar Tanrikolu. Die Moderatoren des Morgenmagazins sind Mitri Sirin und Dunja Hayali. Einigen Bürgern macht dieser Anblick Sorgen.
Dabei ist vor allem Dunja Hayali, die deutsche Journalistin mit irakischen Eltern, wohl das bekannteste deutsche Fernsehgesicht – mit Migrationshintergrund. Oder wie es Dunja Hayali umgedreht und etwas provokativ nennt „Migrationsvordergrund“. Man wird schnell auf eine Herkunft reduziert, die bei der journalistischen Arbeit meist keine Rolle spielt, manchmal sogar hilfreich sein kann. Dunja Hayali kann davon ein Lied singen.
Abschalten fällt schwer
Sie lässt sich in einem Kreuzberger Café, unweit ihrer Wohnung, in einen Sessel fallen. Um 18 Uhr sollte sich die Moderatorin des Frühstücksfernsehens eigentlich bettfertig machen. Mit ihrer Hündin Emma war sie aber noch im Görlitzer Park. Sie sieht mit ihrem schwarzen Kapuzenpulli sehr sportlich aus. Mit einem Ingwertee versucht sie sich etwas aufzuwärmen, um ein wenig über ihr Leben und ihre Arbeit erzählen zu können.
Dunja Hayali fällt es seit Wochen schwer abzuschalten. Es sind aufregende Zeiten für die 41-Jährige. Pro Tag erreichen die studierte Sportwissenschaftlerin Dutzende Hassmails. Manche fordern sie auf, „Deutschland unverzüglich mit all den neuen Flüchtlingen zu verlassen“, andere Zuschriften sind lediglich vulgär. „Was ist Deutsch? Warum sind einige Menschen so voller Hass? Wie kann ich diese Bürger verstehen?“, viele Fragen kursieren unter Hayalis mit Gel gestylter Kurzhaarfrisur.
Um zu verstehen, machte sie sich neulich also auf den Weg nach Erfurt, zu einer AfD-Demonstration. Der kurze Beitrag, der im „Morgenmagazin“ ausgestrahlt wurde, zeigte die üblichen rechtspopulistischen und rechtsextremen Parolen. „Dabei haben wir diese Menschen noch vor sich selbst geschützt, die schlimmsten Aussagen haben wir nicht reingeschnitten.“ Der Beitrag brachte Hayali automatisch auch den Vorwurf der „Lügenpresse“ ein. Die Journalistin und ihr Sender reagierten damit, dass sie das Rohmaterial, 26 Minuten lang, ins Netz gestellt haben; in der Kategorie „Beste Moderation Information“ ist er mittlerweile für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.
Ihr Job ist es, sich Realitäten anzunähern
Zweifelt Hayali manchmal an der Art, wie sie als Journalistin arbeitet? „Mein Job ist es, sich Realitäten anzunähern, versuchen sie abzubilden und einzuordnen, den Finger in die Wunde zu legen.“ Es war Hayali, die sich persönlich die Pegida-Demos in Dresden anschauen wollte, am Ende führte sie ihr proaktiver Ansatz von Journalismus zur rechtspopulistischen AfD. Das veröffentlichte Rohmaterial ist zumindest großes Kino einer Reporteri, die Mechanismen der Fremdenfeindlichkeit tatsächlich verstehen möchte. Hayali lässt die aktuelle Asyldebatte auch privat nicht kalt. Sie engagiert sich als Person der Öffentlichkeit für Flüchtlinge und als Botschafterin des Vereins „Gesicht zeigen!“, der gegen Rechtsextremismus in Deutschland kämpft.
Die Themen Flucht und Asyl werden auch im „Morgenmagazin“ behandelt, „wir haben aber formale Grenzen.“ Wenn ein Beitrag maximal drei bis vier Minuten dauern darf, könne man nicht ausführlich über ein Thema berichten. Außerdem gehört es zum Konzept der Frühsendung, den teilweise noch schläfrigen Zuschauern leichte Kost zu präsentieren.
Die Tassenverlosung ist mittlerweile liebgewonnene Folklore. Aber klar ist ja auch, dass andere Parts beim „MoMa“ wie Interviews und Gespräche, sie mehr interessieren. Aber die Mischung macht es. Im Fernsehen brauchen sie knackige Formulierungen, das merkt man an einigen Sätzen, die Dunja Hayali ausspricht: „Niemand ist frei von Vorurteilen “ oder „Im TV sollte die Gesellschaft als Ganzes repräsentiert sein“. Als Journalistin will Hayali aber auch mal über Schlagwörter und Verdichtungen hinaus berichten, mehr mit Menschen außerhalb des Studios reden.
In der vergangenen Sommerpause von „Maybrit Illner“ experimentierte das ZDF mit einer abendlichen Talkshow für Dunja Hayali. Der „Donnerstalk“ war eine Mischung aus kurzen Reportagen mit der Moderatorin und ergänzenden Gesprächen mit Studiogästen. Einige Fernsehkritiker lobten Hayali als „Journalistin mit Haltung“ in den siebten TV-Himmel, andere schrieben, sie stehe für Gruseltalk nach dem Pippi-Langstrumpf-Motto „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“. Schon wieder kommt der Verdacht auf, dass hier mehr auf ihre Herkunft denn auf ihre Arbeit geschaut wurde. Den „Donnerstalk“ bezeichnet Hayali als Test, bei dem sie wertvolle Erfahrungen gesammelt habe. Kommt da noch was?
Der Wecker klingelt um 3 Uhr 45
In den Wochen, in denen Hayali das „Morgenmagazin“ moderiert, klingelt ihr Handy-Wecker um 3 Uhr 45 in der Früh. „Ich schaue dann auf mein Smartphone und sehe 100 neue Facebook-Nachrichten“, erzählt sie. Danach versucht die Journalistin, oft noch ein paar Minuten im Bett zu dösen, um dann doch direkt zur Facebook-App zu gehen. Die aufgeheizte Debatte lässt sie auch mitten in der Nacht nicht los.
Nein, Dunja Hayali ist keine leidenschaftliche Frühaufsteherin. Wie sie etwas schlapp im Sessel sitzt und an ihrem Ingwertee nippt, ist es eigentlich ein Wunder, dass sie wenige Stunden später munter und fröhlich wieder Tassen verschenkt. Seit 2010 moderiert sie, mit Freude und im Team, wie sie sagt, das „Morgenmagazin“. Seit nun bald fünf Jahren raubt ihr die Morgensendung den natürlichen Biorhythmus.
Sie habe mehrere Anfragen von anderen Sendern bekommen, sagt sie und schiebt nach, dass sie ihrem „Heimatsender“ ZDF treu bleiben werde. Bald müssen sich die ZDF-Zuschauer anscheinend auf mehr Migrationsvordergrund zur besten Sendezeit einstellen.