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"Blondie" Jessica will Ricardo bei "Verbotene Liebe" erobern.
© ARD

Sexismus im Fernsehen: „Jetzt kommen Sie mir nicht mit Frauenkram!“

Langsam verebbt die Sexismus-Debatte in den Talkshows, doch in Familienserien, Soaps, Krimis und Dokus finden sich genug sexistische Bemerkungen und Rollenklischees. Die Geschlechterverhältnisse im deutschen Fernsehen sind nach wie vor zementiert.

„Sie würden eine wunderbare Kühlerfigur abgeben“, sagte Manfred Krug 1986 als Hamburger „Tatort“-Kommissar Paul Stoever zu einem Fotomodel, das in der Folge „Leiche im Keller“ an seinem Auto lehnte. Was damals ein charmantes Kompliment war, würde heute als Chauvi-Spruch à la Brüderle wahrscheinlich aus jedem Drehbuch fliegen. Während die Sexismus-Debatte in den Talkshows langsam verebbt, soll folgende Stichprobe unter den zugegebenermaßen subjektiven Suchkriterien „sexistische Bemerkungen“ und „Rollenklischees“ ein Licht auf die alltägliche Darstellung von Frauen und Männern im deutschen Fernsehen geben. Die Beschränkung auf die öffentlich-rechtlichen Sender (neben ARD, ZDF und den dritten Programmen auch Arte und 3sat) ergibt sich aus deren gesellschaftlichem Auftrag und ihrer Gebührenfinanzierung. Was nicht heißt, dass man sich über sexistische Klischees beim Privatfernsehen oder auch in der Werbung (!) nicht aufregen sollte.

Vormittags geht es bei den Serien-Wiederholungen „Sturm der Liebe“, „Rote Rosen“ und „Verbotene Liebe“ ums Heiraten oder um Krankheiten. Die Geschichten leben von erfolgreichen Chefärzten und hübschen Zimmermädchen, reichen Gräfinnen und jungen Pfarrern. Die ganze Welt ein Klischee, das Leben ein Traum. Wirklich fündig werden wir abends bei einer Karnevalssitzung und einem schlüpfrigen Postbotenwitz. Danach dreht es sich beim ZDF noch einmal um die Brüderle-Debatte. Vom designierten Spitzenkandidaten der FDP Rainer Brüderle heißt es bekanntlich, er habe die „Stern“-Journalistin Laura Himmelreich bedrängt.

Maybrit Illner spricht in ihrer Talkshow zum Thema „Schote, Zote, Herrenwitz – ist jetzt Schluss mit lustig?“ unter anderem mit dem bekennenden Macho Wolfgang Kubicki von der FDP, Claudia Roth von Bündnis90/Die Grünen und Ralf Hoecker, einem jungen Medienanwalt. Brisant wird es, als Hoecker Claudia Roth eine „hinterfotzige“ Argumentation vorwirft, da sie Brüderle mit „Grabschergeschichten“ in den gleichen Topf werfe. „Vorsicht!“, warnt sie ihn mit zornigem Blick und weist darauf hin, dass auch ohne strafrechtlich relevante Vorgänge Frauen sich entwürdigt fühlen könnten.

Im Anschluss daran kommt bei „Markus Lanz“ die „Stern“-Chefredaktion zu Wort. Hatte bei Günther Jauch Chefredakteur Thomas Osterkorn den Text der Reporterin Himmelreich verteidigt, saß nun sein Kollege Andreas Petzold (der Frau Himmelreich zweimal aus Versehen „Frau Brüderle“ nannte) in einer Runde mit Kabarettist Werner Schneyder, dem Sänger Heino und der Schauspielerin Christine Kaufmann. Von Letzterer hatte Lanz ein Zitat im Zettelkasten, in dem sie von ihren „hautfreundlichen Hobbys: Reisen und Sex“ spricht. Das mit den hautfreundlichen Leidenschaften stimme, sagte Kaufmann, die beiden Beispiele seien aber von einer Journalistin hinzugefügt worden. Angesprochen auf ihre Nacktfotos im „Playboy“, zuletzt 1999, meinte sie: „Damals war ich ja noch etwas rund, mittlerweile sehen meine Brüste aus wie Hundeohren.“ So freundlich und damenhaft wie sie das sagt, muss einem um die Würde der Frauen wirklich nicht bange sein.

Arme Polizeipraktikantin

Selbstbewusste, emanzipierte Frauenfiguren scheinen im fiktionalen Fernsehen Konjunktur zu haben. An der traditionellen Rollenverteilung „weibliche Opfer vs. männliche Täter“ hat sich offenbar allerdings nur wenig geändert. So wird bei der ZDF-Serie „Notruf Hafenkante“ die Polizeiobermeisterin Franzi (Rhea Harder) von einem Stalker entführt und am Ende von ihrem großen, starken Kollegen (Frank Vockroth) gerettet. Ähnliches bei „Soko Köln“, wo die Polizei-Praktikantin erst für Castingshows schwärmt und dann bei einer riskanten Recherche vom Kollegen befreit wird. Überhaupt: die Praktikantinnen. In einer anderen „Soko“-Folge wird eine kecke junge Frau von ihrem Chef gewarnt, dass sie durchaus kündbar sei.

„Geschlechterverhältnisse werden nach wie vor als hierarchische inszeniert“, sagt die Sozialpsychologin Gitta Mühlen Achs von der Universität München zu Frauenbildern im Fernsehen. Karrierefrauen wie etwa Maria Furtwängler als „Tatort“-Kommissarin, die trotz Doppel- und Dreifachbelastung immer fit und schick aussähen, seien da kein Fortschritt. Auch nicht die Kochshows überall. Meistens kochen die Männer. Ist es da mal nicht Zeit für eine Frauen-Koch-Quote? Was die Vorabendserien angeht, ist neben der Praktikantin, der Exfrau oder der Schwiegermutter auch die Figur der Sekretärin, besser: Assistentin, weiterhin beliebt. In der ARD-Serie „Der Dicke“ mit Dieter Pfaff gibt es eine junge Türkin, die nicht nur geschäftstüchtig sondern auch computerversiert ist. Also ein expliziter Gegenentwurf zur blonden Kaffeekocherin. Ein echter Blondinenwitz hingegen ist die Figur der Jessica in der ARD-Soap „Verbotene Liebe“. Die Nichte von Butler Justus und die Assistentin von Gräfin von Lahnstein will hoch hinaus, achtet dabei aber vor allem auf ihre lackierten Fingernägel.

Als Moderator Frank Plasberg in „Plasberg persönlich“ (WDR) beim Thema Fußballleidenschaft zu Kabarettist und VfL-Bochum-Fan Frank Goosen sagt, er habe ja „sogar zwei Söhne“, interveniert Bärbel Höhn von Bündnis 90/Die Grünen mit „He!“ Daraufhin sagt Plasberg: „Jetzt kommen Sie mir nicht mit dem Frauenkram“. Höhepunkt des TV-Wochenendes ist aber Til Schweiger, als er am Sonntag als Gast in der WDR-Show „Zimmer frei“ sagt, Titten seien natürlich wichtig. Gefragt wurde im Zusammenhang mit seinen Kinofilmen nach der Bedeutung von „Titeln“. Wie er da rot wird und lacht. Da möchte man allen Machos auf der Welt verzeihen. Ein schönes Beispiel für einen bornierten Blödmann ist Fritz Wepper in der äußerst erfolgreichen ARD-Serie „Um Himmels Willen“ als chauvinistischer Bürgermeister, der es auf das Kloster der Nonnen abgesehen und stets einen blöden Spruch auf den Lippen hat. Als er in seinem Autohaus eine Bewerberin als Verkäuferin mit der Begründung „Wie die aussieht, wie die rumläuft!“ ablehnt, sagt Schwester Hanna (Janina Hartwig): „Sie sind so sexistisch!“

Fazit nach einer Woche Fernsehgucken – unter besonderem Verdacht: Das Thema „Was ist typisch weiblich/männlich?“ ist als Subtext in vielen Formaten präsent. Den Grund für so manches Klischee liefert Andrea Abele-Brehm, Professorin für Sozialpsychologie: „Stereotype dienen dazu, schneller Informationen über eine Person zu verarbeiten und den Aufwand fürs Denken möglichst gering zu halten.“

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