Frauen-Offensive: Jessy Wellmer ist die neue „Sportschau“-Moderatorin
Am Samstag moderiert Jessy Wellmer zum ersten Mal die traditionsreiche "Sportschau". Klischees zu Frauen im Sportfernsehen? Nicht mit ihr.
Eigentlich dürfte das 2014 kein Thema sein: Der Sport im Ersten soll weiblicher werden. Die ARD-Sportchefs beschlossen im Mai, dass in den Sportübertragungen nun vermehrt Moderatorinnen und Interviewerinnen eingesetzt werden sollen. Von einer Frauen-Offensive war die Rede. Die Diskussion darüber, dass das mit der Weiblichkeit im Sport überhaupt noch betont werden muss, geht an Jessy Wellmer ein wenig vorbei. „Zurzeit bin ich in so einem Weiter-weiter-Modus“, sagt die Moderatorin, „auf zur nächsten großen Tat“. Am Samstag hat die 34-Jährige, die bislang „nur“ den RBB-„Sportplatz“, Bundesliga-Fußball auf RadioEins und den Sportblock im ZDF-„Morgenmagazin“ moderierte, ihren ersten größeren Einsatz im Ersten – als neue Moderatorin der „Sportschau“.
Ein paar Tage vorher in einem Berliner Café am Savignyplatz. Die ARD-Offensive und ihre Folgen. Viel Stress die letzten Tage, Einschulung des Sohnes, Presserummel, Abschied beim ZDF, Vorstellung beim WDR – Jessy Wellmer hat kaum eine ruhige Minute, kommt aber strahlend und gut gelaunt zum Gespräch. Kein bisschen nervös vorm „Sportschau“-Start? „Es gibt ein gewisses Flattern, eine Grundnervosität“, sagt sie. Die hatte sie aber auch bei ihrer „Sportplatz“-Premiere im RBB am Sonntag.
Misstrauen gegenüber Sportmoderatorinnen
Vor 15 Jahren war das mit den Frauen an dieser Stelle im Fernsehen anders. Noch immer würden die Zuschauer weiblichen Sportmoderatorinnen stärker misstrauen als männlichen Kollegen, sagte die damals 33-jährige Anne Will. 1999 wurde Will nach 40 Jahren erste „Sportschau“-Moderatorin. Wo das karrieremäßig hinführte, ist bekannt. „Für mich ist das jetzt kein Meilenstein mehr, wirklich nicht“, sagt Jessy Wellmer. „Ich arbeite seit sechs, sieben Jahren mit … ja, mit mehr Männern, klar.“
Es seien aber immer auch vier, fünf Frauen in der Redaktion. Gut, es könne schon sein, dass der Mann an sich versucht, so eine Kernkompetenz bei sich zu behalten, beim Thema Fußball und Sport. „Ich habe aber nicht das Bedürfnis, ständig meine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen.“
Dass Wellmers erste Sonntags-„Sportschau“ auf einen Samstag fällt, hat mit dem bundesligafreien Wochenende zu tun. Es gibt also schon mal kein Spiel mit Schalke 04. Da wird ja gern die Carmen-Thomas-Geschichte hervorgekramt, der Versprecher der Moderatorin im „sport-studio“ mit „Schalke 05“. Hat sich Jessy Wellmer schon mal versprochen? „Nein. Es gab einen technischen Fehler im ,Morgenmagazin’. In der Hintergrundgrafik wurden die Vereinslogos von Vfl Bochum und Barcelona verwechselt. Einige Zuschauer haben das mit mir in Verbindung gebracht. Das passiert in Live-Sendungen.“
Sportreporterin war nicht ihr Kindheitstraum. Jessy Wellmer kommt aus einem sportbegeisterten Elternhaus in Güstrow, wollte aber Psychologie studieren. Kurz vorm Einschreiben entschied sie sich für ein Studium an der Universität der Künste. Was mit Medien oder Werbung. Erst beim RBB-Volontariat wurde ihr gesagt: Du gehörst vor die Kamera.
Und nun die „Sportschau“. Vielleicht auch mal am Bundesliga-Samstag, der reine Männersache ist. Selbstbewusst genug ist Jessy Wellmer. „ Ich bin nicht die langhaarige Blondine mit Kleidergröße 34, die zufällig auch Sport moderiert.“ Sie nehme auch keine Angebote zu Interviews in Talkrunden an, wo noch eine Frau gesucht wird. Und Sachen wie: „Wir suchen die schönste Sportmoderatorin“ lehnt sie auch ab. Das bediene voll das Klischee. Diese Wahl würde sie gewinnen.
„Sportschau“, ARD, Samstag, 18 Uhr