Journalismus in den USA: Jeff Bezos und Donald Trump machen "Washington Post" erfolgreich
Vor fünf Jahren übernahm der Amazon-Chef Jeff Bezos die „Washington Post“. Inzwischen arbeitet die Zeitung profitabel.
Da kommen drei Dinge zusammen – „Washington Post“, Jeff Bezos und Donald Trump. Und heraus kommt ein Journalismus, der sich wahrlich sehen lassen kann. Es war vor fünf Jahren am 5. August 2013, als Besitzerfamilie Graham ihren Deal mit einem der reichsten Männer der Welt bekanntgab: Der Gründer des Internetriesen Amazon, Jeff Bezos, übernahm für 250 Millionen US-Dollar die „Washington Post“ mit sinkendem Umsatz und sinkender Auflage.
Inzwischen ist die „Post“ nach eigenen Angaben wieder profitabel, die Reichweite im Netz steigt, und US-Präsident Donald Trump ärgert sich über Enthüllungsartikel. „Democracy Dies in Darkness“ (Die Demokratie stirbt in der Finsternis) lautet seit 2017 das Motto der „Post“. Nur die Rivalin „New York Times“ hat seit 2013 mehr der begehrten Pulitzer-Journalismuspreise gewonnen.
Jeff Bezos, mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar Nummer eins auf der vom „Forbes“-Magazin erstellten Rangliste der reichsten Menschen der Welt, hat die „Post“ als Privatmann übernommen, sein Amazon-Imperium war bei dem Deal außen vor.
Mitarbeiter des Traditionsblattes hören Sticheleien, wie kürzlich bei einem Medienkongress in Washington: Dank eines so schwerreichen Eigentümers könne doch jeder eine gute Zeitung machen. Das mag nach Frust klingen, tatsächlich ist die Lage des professionellen Journalismus in den USA durchaus prekär.
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Die Zahl der angestellten Zeitungsjournalisten in den USA ist einer Studie zufolge in den vergangenen zehn Jahren um 45 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Angestellten in Zeitungsredaktionen sei von 71.000 im Jahr 2008 auf 39.000 im Jahr 2017 gesunken, heißt es in der am Montag veröffentlichten Studie des Pew Research Center. Die US-Zeitungsbranche hatte in den vergangenen Jahren stark unter sinkenden Auflagen und Werbeeinnahmen zu leiden, es folgten Entlassungswellen.
Anders bei der „Washington Post“. Seit Bezos das Blatt übernommen hat, geht es dort aufwärts – ganz im Gegensatz zu den Prognosen von US-Präsident Donald Trump, der kürzlich twitterte, die „Washington Post“ und die „New York Times“ werde es in sieben Jahren nicht mehr geben. Und es ist gerade die Präsidentschaft des erratischen Trump, die den Zeitungen und ihren elektronischen Ablegern zusätzliche Leser zutreibt.
Investigativer Journalismus der Marke „Washington Post“ oder „New York Times“ blüht unter Trump geradezu auf. Fast alle Skandale um den Präsidenten wurden von liberalen Medien oder mit deren Hilfe in Gang gesetzt. Die Vierte Gewalt spielt ihre Macht eindrucksvoll aus. Während die USA auf dem weltweiten Index der Pressefreiheit weiter sinken, profitieren Qualitätsmedien auch wirtschaftlich von der Trump-Show.
Die Technik-Abteilung kann mit Silicon Valley mithalten
Die „Washington Post“ übersprang im September vergangenen Jahres die Schallmauer von einer Million Online-Abos. Die „New York Times“ legte im ersten Amtsjahr Trumps bei der Online-Ausgabe nach Darstellung des Pew Research Centers um 42 Prozent zu, das „Wall Street Journal“ demnach um 26 Prozent. Und die Midterm-Wahlen im November stehen erst noch bevor.
„Ich verstand nichts von Zeitungen, aber ich verstand etwas vom Internet“, hatte Bezos 2014 gesagt. Er baute den Verlag um, ohne sich in redaktionelle Entscheidungen einzumischen. Zu den 700 Mitarbeitern zählen inzwischen viele Technik-Experten.
Die Technik-Abteilung des Medienhauses in der US-Hauptstadt könne mit dem Silicon Valley mithalten, sagt Bezos. Die „Post“-Entwicklungen, etwa zur Erfassung des Online-Leseverhaltens, gelten inzwischen als beispielgebend für die Branche, über die USA hinaus. In der Bezos-Ära ist das Traditionsblatt zum Technologieunternehmen geworden. Die „Post“ entwickelt Dienstleistungen für andere Medienhäuser, etwa das Redaktionssystem „Arc Publishing“, das auch international vermarktet wird.
Doch Bezos habe nicht nur Geld gebracht, sondern auch eine „nach vorne orientierte Haltung“, lobt Journalismusprofessor Dan Kennedy, Autor einer Studie über den „Bezos-Effekt“. Der Unternehmer setze neue Technologien gezielt ein und habe die Redaktion vergrößert. Bezos experimentiere und überzeuge Leser, für die „Post“ auch im Netz zu bezahlen.
Doch dieser Erfolg lasse sich nur begrenzt übertragen, glaubt Kennedy. Die „Post“ sei als US-Hauptstadtzeitung ein geografischer Sonderfall mit potenziell weltweiter Leserschaft. Mit Bezos sei sie von einer regionalen Zeitung zu einer nationalen und schließlich internationalen digitalen Nachrichtenquelle geworden. Die Website der „Post“ hatte im Juni nach eigenen Angaben 80,8 Millionen Besucher, sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die mobile Leserschaft sei um fünf Prozent auf 65,5 Millionen gestiegen.
Freddy Kunkle schreibt in der „Post“ über Verkehr, bei Tarifverhandlungen sitzt er für die Gewerkschaft „News Guild“ mit am Tisch. Die meisten Kolleginnen und Kollegen seien „extrem dankbar“, dass Bezos die Zeitung gekauft habe, sagt Kunkle. Man arbeite gerne für die „Post“. Doch bei der im Juni beendeten Tarifrunde sei die „Post“-Führung „vielleicht mehr als jemals zuvor in jüngster Zeit mit aggressiver Haltung“ aufgetreten, kommentierte die „News Guild“.
Kritik an der Neutralität der Zeitung
Bezos' Zeitung sei offenbar nicht bereit, ihren finanziellen Erfolg mit der Belegschaft zu teilen, erklärt Kunkle und verweist auf ein grundsätzliches Problem: Als Unternehmen im Privatbesitz müsse die „Post“ finanzielle Daten nicht veröffentlichen. Zahlen zu Umsatz, Gewinn, selbst zur Druckauflage sind nicht zu bekommen.
Ein wiederkehrender Kritikpunkt ist: Kann die „Post“ wirklich neutral über Amazon berichten? Der Internetkonzern liegt mit Gewerkschaften im Dauerclinch und verwaltet Daten für den US-Geheimdienst CIA. Chefredakteur Marty Baron betont immer wieder, Bezos mische sich in redaktionelle Entscheidungen nicht ein.
Auch Bezos selbst hat bekräftigt, die Unabhängigkeit der Zeitung zu schätzen. Donald Trump dagegen griff die „Post“ in der vergangenen Woche als „The Amazon Washington Post“ an. Laut eMarketer.com läuft fast die Hälfte des Online-Handels in den USA über Amazon.
Über die Motive, mit denen Bezos die Zeitung vor fünf Jahren gekauft hat, wird immer wieder spekuliert. Der Amazon-Gründer sagte damals, es werde Veränderungen bei der „Washington Post“ geben. Doch die Werte der Zeitung müssten nicht verändert werden, denn Journalismus spiele eine entscheidende Rolle in einer freien Gesellschaft.
Dafür erntete der heute 54-jährige Bezos viel Beifall. Eine gute PR-Maßnahme, meint Gewerkschafter Kunkle. Es sei wohl viel Ego involviert gewesen, sagt Journalismusprofessor Kennedy. (mit epd/dpa)