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„heute xpress“-Moderatorin Pinar Tanrikolu wurde zusammen mit Kollegen des ZDF-„Morgenmagazins“ schon aus der AfD-Ecke angepöbelt, weil angeblich zu viel Multikulti im Fernsehen vorkomme.
© ZDF und Rico Rossival

Von "heute Xpress" bis "Tagesthemen": Immer mehr Nachrichten-Moderatorinnen

So vielfältig wie die Gesellschaft: Die Öffentlich-Rechtlichen setzen immer häufiger auf Anchorwomen. Häufig haben sie ausländische Wurzeln.

Die Nachrichten, die Pinar Tanrikolu am Freitagmorgen in „heute Xpress“ verlas, waren an sich nicht außergewöhnlich: US-Präsident Donald Trump muss sich in der Russland-Affäre mit Sonderermittler Robert Mueller herumschlagen, CSU-Chef Horst Seehofer will der Automobilindustrie ein Ultimatum setzen und Aldi zieht wegen der Fipronil-Verunsicherung Hühnereier aus dem Verkehr.

Wer in dieser Woche jedoch häufiger das Frühstücksfernsehen von ARD und ZDF angeschaltet hatte, dem ist möglicherweise etwas anderes aufgefallen. Die Kurznachrichten wurden von einer jungen Generation weiblicher Moderatorinnen vorgetragen. Aber auch sonst gibt es von „heute Xpress“ bis „Tagesthemen“ immer mehr Moderatorinnen mit Migrationshintergrund.

Ein paar Tage vor Pinar Tanrikolu – in Nürnberg geboren, ihre Großeltern kamen in den 1960ern als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland – saß Aline Abboud auf dem Platz im „heute“-Nachrichtenstudio. Sie wurde in Berlin geboren, ihr Vater stammt aus dem Libanon. Zum „heute“-Team kam sie erst im vergangenen Jahr und ist dort so wie auch Yasmin Parvis oder Jessica Zahedi – geboren in Heidelberg, mit iranischen Wurzeln – für die „Xpress“-Sendungen am Morgen und Nachmittag zuständig.

Es begann mit Wibke Bruhns und Dagmar Berghoff

Weibliche Sprecherinnen und Moderatoren von Nachrichtensendungen und -magazinen sind freilich inzwischen alles andere als außergewöhnlich – auch wenn es beinahe 25 Jahre gebraucht hatte, dass mit Dagmar Berghoff die erste Frau bei der „Tagesschau“ am Mikrofon saß. Das war 1976. Der direkte Konkurrent ZDF – zu dieser Zeit war an Privatsender noch nicht zu denken – war diesen Schritt schon fünf Jahre vorher gegangen. Im Mai 1971 las Wibke Bruhns erstmals in der Spätausgabe von „heute“ die Nachrichten. Das ist lange her, heute ist bei beiden Sendern das Geschlechterverhältnis ausgeglichen.

Der Mainzer Sender selbst will die verstärkte Präsenz weiblicher Nachrichten-Sprecherinnen allgemein und speziell von Moderatorinnen mit ausländischen Wurzeln nicht überbewerten. „Entscheidende Kriterien sind immer Qualität und Kompetenz. Uns ist es grundsätzlich ein Anliegen, in unserem Programm die Vielfalt der deutschen Gesellschaft zu zeigen – das gilt natürlich auch für unsere Moderatorinnen und Moderatoren“, sagte Elmar Theveßen, stellvertretender ZDF-Chefredakteur, dem Tagesspiegel.

Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis gibt es auch bei ARD aktuell – „eine sinnvolle Aufteilung“, wie Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell, feststellt - auch wenn konkrete Auswirkungen auf die Arbeit der Redaktion nicht festzustellen seien. Dass sich Männer und Frauen bei den Nachrichten-Präsentatoren und Magazin-Moderatoren ungefähr die Waage halten, sei bei ARD aktuell zudem bereits seit zehn Jahren so.

„Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay ärgert sich über das Gastarbeiter-Image, das Türken immer noch haben.
„Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay ärgert sich über das Gastarbeiter-Image, das Türken immer noch haben.
© dpa

Tatsächlich sieht die Geschlechter-Situation bei ARD und ZDF besser aus als in anderen Teilen des deutschen Fernsehen, wie eine Studie der Universität Rostock über die „audiovisuelle Diversität in Deutschland“ belegt. Untersucht wurde die Geschlechterdarstellung über alle TV-Genres hinweg, also von Filmen und Serien über Soaps und Kinderfernsehen bis hin zur Information.

Generell wurde festgestellt, dass Frauen unterrepräsentiert sind und vor allem dann im Fernsehen vorkommen, wenn sie unter 30 Jahre alt sind. In der Altersgruppe 50 plus stellen Frauen nur noch ein Viertel der Akteure. Unabhängig vom Alter sieht die Lage bei den Moderatoren von Informationssendungen noch am besten aus: 47 Prozent von ihnen sind weiblich. Für Sprecherinnen im Bereich TV-Information gilt das allerdings nicht. In dieser Gruppe dominieren Männer mit 72 Prozent die Mattscheibe. Noch gravierender ist das Missverhältnis bei den Experten in Informationssendungen. Männer werden viermal so häufig als Experte in eine TV-Sendung eingeladen als Frauen.

Die Zahlen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sehen indes ganz anders aus. Bei ARD-aktuell – also bei „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ kommen auf zehn männliche Moderatoren elf weibliche. Betrachtet man beim ZDF alle „heute“-Ausgaben zusammen, stehen 14 festen Moderatorinnen neun Männer gegenüber, wobei gerade in den letzten Jahren verstärkt Mitarbeiter mit Migrationshintergrund am Mikrofon hinzugekommen sind.

Mit und ohne Migrationsgeschichte

Obwohl das für die ARD nicht in gleichem Maße gilt, sieht Kai Gniffke aktuell keinen Handlungsbedarf: „ARD-aktuell setzt Menschen mit Migrationshintergrund in der Primetime ein – Linda Zervakis, Ingo Zamperoni, Pinar Atalay –, ebenso zu anderen Zeiten.“ Moderatorinnen wie Pinar Atalay, die Carmen Miosga und Ingo Zamperoni als Urlaubsvertretung in den „Tagesthemen“ vertritt, ist zudem wenig erbaut darüber, dass Menschen beispielsweise mit türkischen Wurzeln auch Jahrzehnte nach dem Wechsel der Eltern aus ihrem Heimatland nach Deutschland noch das Gastarbeiter-Image haben. „Ich habe gar keine Migrationsgeschichte und stamme aus Ostwestfalen-Lippe“, sagte sie einmal dem Tagesspiegel.

Nicht nur ärgerlich, sondern bedrohlich sind die fremdenfeindlichen Anfeindungen. Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali, die bis 2010 zum „heute“-Team gehörte, hatte öffentlich gemacht, wie weit der Hass, der ihr entgegenschlägt, mitunter reicht. Ein Einzelfall?

„Für die große Mehrheit unserer Zuschauerinnen und Zuschauer spielen weder Geschlecht noch Hintergrund der Moderatorinnen und Moderatoren eine wesentliche Rolle. Daneben gibt es viel positives Feedback, aber natürlich auch – in deutlich geringerem Umfang – kritische bis rassistische Äußerungen“, sagte Elmar Theveßen vom ZDF. „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an exponierter Stelle für ARD-aktuell arbeiten, sind mitunter Zielscheibe von zum Teil sehr persönlich herabsetzenden Attacken. Allerdings möchten wir diese Attacken nicht durch zusätzliche öffentliche Erwähnung ,adeln‘“, erklärt Kai Gniffke von der ARD. Auch das gehört offensichtlich zum Berufsverständnis der öffentlich-rechtlichen News-Leute: Man möchte Nachrichten präsentieren, nicht selber machen.

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